Tichys Einblick
Neuer Vertrag trotz schlechter Quoten

Louis Klamroth oder: das umgekehrte Leistungsprinzip

„Hart aber fair“ verliert Zuschauer und verfehlt die Vorgaben der ARD deutlich. Trotzdem macht die öffentlich-rechtliche Anstalt mit der Sendung weiter – gegen die eigenen Regeln. Im ÖRR-Kosmos gelten eben andere Gesetze.

picture alliance / HMB Media | Uwe Koch

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“ Den legendären Satz von Deutschlands längst verstorbener Trainer-Legende Sepp Herberger kennt Louis Klamroth gut.

Der Sohn von Peter Lohmeyer ist von Haus aus Schauspieler und hatte an der Seite seines Vaters eine Rolle in dem Film „Das Wunder von Bern“. Der Streifen behandelt den ersten WM-Titel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Jahr 1954 – mit dem seinerzeitigen Trainer Sepp Herberger.

Klamroth kann das Bonmot jetzt auf seine ganz persönliche Situation anpassen: Nach der Pleite ist vor der Pleite.

Denn seine Sendung „Hart aber fair“, die er im Januar 2023 vom erfolgreichen Frank Plasberg übernommen hat, läuft schlecht. Der 34-jährige Klamroth, privat mit der Berufsaktivistin Luisa Neubauer verbandelt, sollte deutlich mehr jüngere Zuschauer ansprechen als der beim Moderatorenwechsel 65-jährige Plasberg. Das hofften jedenfalls die ARD-Granden. „Dieses erfolgreiche Konzept haben wir weiterentwickelt, um so auch ein jüngeres Publikum anzusprechen.“ So sprach damals Jörg Schöneborn, WDR-Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung.

Das klappt, nun ja, gar nicht. Also wirklich: überhaupt nicht.

Der Tiefpunkt wurde vor vier Monaten erreicht: Die sechste Sendung im Jahr 2024 wollten gerade noch 200.000 Menschen im Alter zwischen 14 und 49 Jahren sehen. In dieser Kernzielgruppe ist das eine Quote von 3,7 Prozent – selbst für die ARD mit ihrem tendenziell vergreisten Publikum ein extrem schwacher Wert.

„Hart aber fair“ verliert auch bei der Gesamtzuschauerzahl recht dramatisch. Nur noch 1,85 Millionen Menschen insgesamt (also über alle Altersgruppen hinweg) wollten die Sendung Mitte März noch einschalten. Das waren kümmerliche 7,6 Prozent Gesamt-Marktanteil. Die Naturdokumentation „Schweden“, die unmittelbar davor lief, hatte noch 9,5 Prozent. Und selbst die „Tagesthemen“ direkt danach kletterten wieder auf einen Gesamt-Marktanteil von 8,8 Prozent.

„Hart aber fair“ mit Louis Klamroth ist ein Schwarzes Loch, in dem ARD-Zuschauer verschwinden.

Das gilt nicht nur für das lineare TV-Programm. Auch online bleibt Klamroth weit unter den Erfolgsvorgaben, die er von der ARD bekommen hat. Über die Mediathek sollte er jüngere Zuschauer von Streamingdiensten wie Netflix oder YouTube zurückgewinnen. „Die Nutzung in der ARD-Mediathek ist signifikant zu steigern“, gab ARD-Programmdirektorin Christine Strobl in einem internen Konzeptpapier vor, über das „Business Insider“ berichtet. Im ersten Halbjahr 2024 galt für „Hart aber fair“ demnach eine „klare Benchmark von durchschnittlich 250.000 Abrufen pro Sendung“. Dabei zählt laut dem vertraulichen Dokument nur das „Hauptprodukt (ohne Auszüge, Auskopplungen ö. Ä.)“.

Diese Zielmarken hat die ARD-Chefetage keineswegs nur als groben Richtwert verstanden, sondern als Bedingung für eine weitere Zusammenarbeit mit Klamroth. In dem internen Papier steht klar und eindeutig: Verfehlt er die Vorgaben, endet sein Format „automatisch“ zum Jahresende.

Die Hürde hat Klamroth klar gerissen. Anhand einer internen Auswertung lässt sich ein Durchschnitt von rund 180.000 statt der geforderten 250.000 Abrufe errechnen. Die Sendung Anfang Juni zur Fußball-EM wurde gar nur etwas mehr als 70.000-mal angeklickt.

Man kommt nicht um die Einsicht herum, dass der Moderator dafür ganz allein die Verantwortung trägt. Denn der gebürtige Hamburger ist in seiner Sendung auch der Alleinherrscher: Er moderiert nicht nur, seine Firma „Florida Factual“ produziert das Format auch. Dafür hatte Klamroth seinen Vorgänger Plasberg und dessen angesehene Firma „Ansager & Schnipselmann“ bei der ARD im Jahr 2023 recht rüde und unschön ausgebootet.

Der erfahrene Plasberg war als Produzent mit vielen Änderungen am Format und an den Inhalten, die der neue Moderator wollte, schlicht nicht einverstanden. Eine weitere Zusammenarbeit zwischen den beiden war unmöglich. Auch die bisherige Co-Moderatorin Brigitte Büscher zog sich nach über 800 Sendungen zurück. Klamroth hatte fortan völlig freie Hand.

Mit der, man kann es nicht anders sagen, vertreibt er jetzt das Publikum.

In einem richtigen Unternehmen, das sich am Markt behaupten und sein Geld tatsächlich selbst verdienen muss, hätte jemand wie Klamroth keine Zukunft. Aber die ARD ist kein richtiges Unternehmen, für sie gibt es keinen Markt, und sie bezieht garantierte Einnahmen aus einem Geldautomaten mit dem Namen „Zwangsgebühren“.

In ihrer sogenannten Videoprogrammkonferenz (VPK) besprechen die Intendanten der ARD-Anstalten das gemeinsame Fernsehprogramm „Das Erste“ und die ARD-Mediathek. Nach Informationen von „Business Insider“ hat die VPK unter dem Vorsitz von Programmdirektorin Strobl an diesem Mittwoch überraschend entschieden, dass Louis Klamroth auch 2025 mit „Hart aber fair“ auf demselben Sendeplatz weitermachen darf.

Das Ignorieren der eigenen verbindlichen Vorgaben lässt Frau Strobl etwas blumig begründen: Zuschauererfolg sei nicht allein entscheidend – „auch journalistische Kriterien wie programmstrategische Überlegungen spielen bei der Beurteilung eine Rolle“.

Aha.

Ein anderer legendärer Fußballlehrer, Adi Preißler, würde sich jetzt im Grab umdrehen. Für den knorrigen Mann aus dem Ruhrpott galt – wie für Sepp Herberger – im Beruf das Leistungsprinzip. Oder, wie er es immer so schön sagte: „Entscheidend is’ auf’m Platz.“

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