Es hätte ein Paukenschlag sein können. Die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) von CDU und CSU fordert eine Zusammenlegung von ARD, ZDF und Deutschlandfunk. Alle Unterhaltungsformate sollen eingespart, über Sport nur noch sehr begrenzt informiert werden. Beides könnten private Sender genauso leisten. Das Papier der Wirtschaftsunion unter Führung des Bundestagsabgeordneten Carsten Linnemann (CDU), in dem solche Ideen standen, ist das Echo des Magdeburger Konflikts von Anfang Dezember. Die CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt wollte die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro im Monat ablehnen und damit – gemeinsam mit der AfD – die Gebührenrunde stoppen – damit es nicht zum Eklat kam, wurde erst gar nicht darüber abgestimmt. Trickreich finkelt sich die CDU um klare Aussagen herum. Nicht-Befassung statt Ablehnung – eine wenig transparente Methode.
Der medienpolitische Sprecher der Magdeburger CDU-Fraktion, Markus Kurze, kritisierte trotzdem die bald »40 Kochsendungen« (auch eine Art Räuber des Ali Baba), die »vielen ähnlichen Talkshows und Krimis mit unzähligen Ermordeten« (und ja, auch in den Talkshows stirbt täglich etwas, nämlich die freie und interessante Debatte). Daneben fragt sich Kurze, wo das gut gemachte, »nachhaltige« Bildungsfernsehen für »unsere Schüler« bleibt. Ist das schon der Versuch, eine längere Schulschließung im Namen von Corona zu ermöglichen? Soll das Bildungsfernsehen wieder kommen, als das einst die Dritten Programme der ARD gestartet wurden, ehe sie zur Bühne für Regionalpolitik umgebaut wurden? Oder bedeutet »nachhaltig« dann doch einfach etwas Gehaltvolles, mit tiefer Bildungskurve? Also eher im Stil von BBC und National Geographic als die sinnbefreiten Effektgewitter eines bekannten ZDF-Formats, das häufig ohne valide Expertenstimmen bleibt und an der Wissenschaft mehr kratzt, als in sie hineinzuführen. Das ist wirklich Fernsehen für eine »Terra X«. Man weiß nicht recht, wen es angeht und wer solches sehen soll.
Kurz vor Weihnachten hatte das Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag von ARD, ZDF und Deutschlandradio abgelehnt, mit dem die drei Sender sich eine Bescherung zum Jahreswechsel sichern wollten. Die vom sachsen-anhaltinischen Landtag mit den Stimmen der CDU und der AfD abgelehnte Gebührenerhöhung wollte man sich in den Senderzentralen nicht nehmen lassen. Die fürstlichen Intendantengehälter wollen genauso finanziert sein wie der stetig weiterwachsende Pensionsberg. Und das aktuelle Programm, auch das kostet und will ausgebaut werden. In Pandemie-Zeiten verbringen die Menschen ja auch mehr Zeit zu Hause – also eine weitere Gelegenheit, um via Zwangsabgabe etwas von ihrem Einkommen abzuschöpfen. Die AfD will die verpflichtende Rundfunkgebühr ganz abschaffen und fordert in ihrem Grundsatzprogramm die Konzentration des ÖRR auf »hochwertige Berichterstattung, Bildung, Kunst und Kultur«.
Die »Erosion all dessen, wofür die CDU einmal stand«
Auf den Paukenschlag in der Union muss man allerdings noch etwas warten. Denn das genannte Papier ist laut Welt nur eine »interne Diskussionsgrundlage«, die noch nicht einmal von der MIT selbst verabschiedet werden durfte. Im Januar will man noch einmal darüber sprechen. Im CDU-Parteipräsidium darf das Positionspapier schon gar nicht zum Thema werden. »Interne« Kritik an der nicht erfolgten Gebührenerhöhung und damit an der »Diskussionsgrundlage« der MIT kam sogleich von der Noch-Parteivorsitzenden Kramp-Karrenbauer. Ihr Wort hat kaum mehr Gewicht in der Union. Für die MIT reicht es noch.
Nichts gegen eine ordentliche Staatsinsolvenz, aber das Scheitern des Niedersachsen war wohl systemisch bedingt. Schlarmann selbst gab einige frühe Einblicke in das zaristische Strelitzen-System der Angela Merkel – das war die Leibgarde der russischen Kaiserin Katharina der Großen (nicht umsonst hängt ja deren Bild hinter Merkels Schreibtisch). Zu seiner Zeit bestand es aus Ronald Pofalla (heute Bahnvorstand), Volker Kauder (abgewählt) und Hermann Gröhe (in den Fraktionsvorstand entsorgt). Heute würde einem als erster Statthalter der abwesenden Kanzlerin wohl Peter Altmaier einfallen. In der Wirtschaftspolitik seiner Partei erkannte Schlarmann schon damals »eine Erosion all dessen, wofür die CDU einmal stand«. An die Stelle marktwirtschaftlicher Werte sei ein »vormundschaftliches, paternalistisches Denken« getreten. Nach dieser Grundsatzkritik konnte er sich nicht mehr lange auf seinem Posten halten.
Die Wirtschaftsunion im Pfeilhagel der Merkel-Strelitzen
Einer von den genannten Strelitzen, ein Mitglied dieser neo-zaristischen Palastgarde, hat auch jetzt wieder geschossen. Volker Kauder findet laut Welt: »Der Rundfunkbeitrag soll moderat angehoben werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist eine der tragenden Säulen für unsere Demokratie und unsere Kultur. Deshalb habe ich für die Haltung der CDU in Sachsen-Anhalt überhaupt kein Verständnis.« So sieht es in der derzeit größten Partei der Deutschen aus. Diskussionsgrundlagen werden erstellt, aber nicht genehmigt und gehen am Ende im Pfeilgewitter der Merkel-Strelitzen unter. Und man versteht in der Tat, dass dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk Ausdruck einer ganz spezifischen Auffassung von »Demokratie« und »Kultur« ist. Es ist die Reinkultur der Etablierten, die wenig auf Volkes Meinung geben. Laut einer INSA-Umfrage sind 54 Prozent der Deutschen gegen die Gebührenerhöhung.
Man muss es sich am Ende wohl einmal recht zu Herzen nehmen: Seit die CDU in der letzten schwarz-gelben Koalition die FDP abgesägt hat, die damals schon ein Schatten ihrer selbst war, hat auch der liberale Wirtschaftsflügel der Union nichts mehr zu melden. Man diskutiert und vertagt sich, bis man eines Tages nur noch die eigene Bedeutungslosigkeit feststellt. Die jetzt bekannt gewordene »Diskussionsgrundlage« der Wirtschaftsunion zeigt, dass dieser Tag mit Riesenschritten naht.