Tichys Einblick
Umfrage

Jungwähler meiden die klassischen Medien

Kein Fernsehen, kein Radio, keine Zeitung: Junge Menschen zwischen 15 und 20 informieren sich zunehmend nur über die sogenannten sozialen Medien: Da liegt die AfD weit vorn.

picture alliance / CHROMORANGE | Udo Herrmann

Für RTL war es ein Desaster: Den Jahresrückblick „Menschen, Bilder, Emotionen“ wollten in der vergangenen Woche nur noch 0,39 Millionen Zuschauer in der wichtigsten Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen sehen. Mit 10,7 Prozent bei diesem jüngeren Publikum fiel der Marktanteil auf einen historischen Tiefststand.

Daran werden sich die Kölner wohl gewöhnen müssen. Und alle anderen Fernsehsender auch.

„Jugend wählt“ heißt die Studie der Freien Universität im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Solche Auftragsarbeiten liefern normalerweise – vor allem in den Sozialwissenschaften – vom Auftraggeber gewünschte Ergebnisse. Das ist in diesem Fall anders.

Rund um die letzte Europawahl im vergangenen Juni hatten drei Politologen mit ihren Mitarbeitern einen umfangreichen Online-Fragebogen verschickt und knapp 8.000 Antworten von Befragten im Alter zwischen 15 und 20 Jahren ausgewertet. Neben der parteipolitischen Präferenz ging es vor allem darum, wie und wo sich die Jungwähler über Politik informieren. Das Ergebnis ist wuchtiger, als man es sowieso erwartet hatte.

Zeitung, Radio und Fernsehen spielen fast keine Rolle mehr.

Eine zentrale Frage lautete: „An wie vielen Tagen in der vergangenen Woche haben Sie sich über folgende Informationsquellen über den Wahlkampf und die Parteien informiert?“ Die unangefochten häufigste Antwort bei Zeitung, Radio und Fernsehen: null. In Zahlen: 0.

In Sachen politische Information sind Radio und Zeitungen weitgehend jugendfreie Räume. Über die Hälfte der Befragten nennt hier jeweils den Wert 0. Auch der Mittelwert (0,9 bzw. 1,2 Tage pro Woche) hat Bodenberührung. Das Fernsehen wird nur unwesentlich öfter genutzt, hier liegt der Mittelwert bei 1,5 Tagen pro Woche.

Am häufigsten mit Politik in Berührung kommen junge Menschen in den sozialen Medien. Dabei sind es nicht die am meisten genutzten Kanäle WhatsApp und YouTube, die als Quellen mit den meisten politischen Inhalten genannt werden. Vielmehr gelten TikTok und X-früher-Twitter als die „politischsten“ sozialen Medien, gefolgt von Instagram. YouTube, Facebook, Telegram und WhatsApp spielen in der befragten Altersgruppe demnach für die Verbreitung von politischen Informationen nur eine untergeordnete Rolle.

Fast zwei Drittel der 8.000 Befragten gaben an, dass es rund um die Europawahl in den sozialen Medien Parteien gab, die besonders präsent waren. Hier hat die AfD mit weit über 60 Prozent einen fast unglaublichen Vorsprung: Die Grünen als zweitgenannte Partei erreichen noch nicht einmal einen Wert von zehn Prozent.

Eine klare Erkenntnis der Befragung: „Die Jugend“ gibt es nicht. Schon in der Altersgruppe zwischen 15 und 20 ist das Land so gespalten wie insgesamt – wobei die Grünen die Jugend als sichere Basis verloren haben. Je jünger die Befragten sind, desto negativer sehen sie Grüne, FDP und „Linke“ – aber desto positiver die Union und die AfD.

Im ländlichen Raum ist schon bei den Jungwählern die Zustimmung zur Union größer, ebenso die Ablehnung der Grünen. Bei jungen Männern ohne Abitur, die auf dem Land leben, liegt die AfD auf Platz eins der Parteipräferenz; die Grünen sind hier Schlusslicht. Junge Frauen mit formal hoher Bildung, die in Großstädten leben, lehnen die AfD dagegen meist vehement ab; sie bevorzugen die Grünen.

Diese Ergebnisse werden sich alle Parteien ganz sicher sehr genau ansehen. Aber auch das – schlechte Nachricht für RTL – nicht im Fernsehen.

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