Das Morgenmagazin der öffentlich-rechtlichen Sender hatte früher ein Vor-Ort-Format. Im Intro dazu gab es Bilder aus Kriegsgebieten und von brennenden Städten. So sehen sich Journalisten selber: Unerschrockene Krieger des Nachrichtenwesens, die jeder Gefahr ins Auge blicken – im Dienste der Wahrheit und ihrer Zuschauer. Im redaktionellen Teil des Formats war dann ein Team des Morgenmagazins zu Besuch bei einem Minister. So sind Journalisten tatsächlich: Sie sitzen zum Kaffee beim Mächtigen und gehen mit ihm Fragen durch, die vorab mit seiner Pressestelle abgestimmt wurden.
Wie müssen wir uns das vorstellen? Hackt eine Zeitung, für die vor allem Geisteswissenschaftler schreiben, die Rechner des Inland-Geheimdienstes? Sind Journalisten gar in die Büros des „Verfassungsschutzes“ eingebrochen, haben sich in den Rechner eines Mitarbeiters eingewählt und haben Mails ausgedruckt? Hat die SZ gar mit einem anderen Geheimdienst zusammengearbeitet, um an das Material zu kommen?
Oder war es nicht doch eher so: Der „Verfassungsschutz“ hat unter seinem Chef Thomas Haldenwang (CDU) das Ziel ausgegeben, die Partei rechts von der CDU zu bekämpfen. Die Behörde will Material dazu veröffentlichen – fürchtet aber kritischen Journalismus zu dem Vorgang. Also gibt die Behörde das Material an ein Medium weiter, von dem sie weiß, dass es fest an der Seite der Bundesregierung und ihrer Untergebenen steht – und stets aus deren Perspektive berichtet. Mag jeder für sich entscheiden, welche Variante er für plausibel hält.
Anderes Beispiel: Das Recherchenetzwerk Deutschland, das stets seine Ferne zur SPD betont, berichtet, dem Sozialdemokraten Karl Lauterbach sei es gelungen, dass der Medikamente-Engpass dieses Jahr nicht ganz so schlimm ist wie letztes Jahr. Dafür sind die nicht-sozialdemokratischen Journalisten des RND an Papiere gekommen aus dem Haus des Sozialdemokraten.
George Orwell wird das Zitat zugeschrieben: „Journalismus ist etwas zu veröffentlichen, was andere nicht wollen, dass es veröffentlicht wird. Alles andere ist Werbung.“ Wenn einem also ein Medium versichert, es sei an Material von jemandem gekommen, muss derjenige sich nur fragen: Profitiert der, über den berichtet wird, von besagtem Material? Falls ja, ist auch die Frage geklärt, wer das Material den Medien zugespielt hat.
Der Gesundheitsminister hat uns gebeten zu verkünden … Wie der Inland-Geheimdienst verlautbaren will … Das klingt blöd. Also berichten Medien stattdessen, sie seien an Quellen gekommen. So kann man den Lesern und Zuschauern ein falsches Bild von sich vortäuschen. Was aber noch viel wichtiger ist: Man kann sich selbst belügen. Man muss sich selbst nicht als Hofschranze sehen, die wartet, bis etwas vom Tisch abfällt – man kann sich selbst immer noch einreden, man sei der harte Typ im Kriegsgebiet oder in der brennenden Stadt, der unerschrocken nach der Wahrheit fahndet.