Würden wir bei der Beantwortung der Frage „Wird’s was mit Jamaika?“ die Arbeiten des amerikanischen Psychologen John Mordechai Gottman über Ehestabilität und Beziehungsanalyse zu Rate ziehen – müssten wir wohl davon ausgehen, dass da kein dauerhaftes Glück entstehen kann. Zu unterschiedlich sind die Wunschvorstellungen, zu gering die Gemeinsamkeiten.
Der sanfte Robert Habeck ließ anklingen, bei der „Finanzrunde“ sei man sich für Jamaika noch nicht einig geworden. Wolfgang Kubicki klagte, man sei insgesamt „keinen Schritt weiter gekommen“. Und Jens Spahn will sich lieber jetzt als später „heftig und lange streiten“. Ein raffinierter Journalist hätte den drei Jamaikanern durchaus ein paar neue Erkenntnisse oder wenigstens etwas Gossip von den diversen Stuhlkreisen aus der Nase ziehen können. Hat Merkel noch die Hosen an? Benimmt sich Trittin halbwegs anständig? Wer ist ordentlich vorbereitet, wer hat nur Geschwätz im Verhandlungsgepäck? Wer drängt in welches Amt? Und wo ist die Grenze? Bei Trittin oder Cem als Außenminister? Gibt’s drei Vizekanzler bei Jamaika?
Aber dafür benötigte man ein wenig Zeit, um die Eitelkeiten zu kitzeln und den Mut und die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen. Letzteres fehlt Maybrit Illner, und die Zeit reicht nicht, wenn man zwei weitere, dem Erkenntnisgewinn wenig hilfreiche Gäste dazu lädt. Nehmen wir nur Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aus dem Homeland NRW. Der sitzt seit Jahren als Dauer-Anklagevertreter der „Armen“ in den Talkshows und fordert vor allem Mehr. Inzwischen gibt die BRD ein Drittel des Gesamthaushalts für Soziales aus. Schneider will Mehr. Dass die SPD gerade für ihr penetrantes Mehr-Fordern auf das niedrigste Wahlergebnis seit Gründung der Republik gesaust ist, hat Schneider wahrscheinlich gar nicht richtig verstanden. Nun gut, er ist Parteimann der Linken, was das ZDF völlig vergessen hat einzublenden. Aber Schneider als wandelnder Vorwurf führt dann dazu, dass Habeck sich genötigt sah, seine Grünen als „Schutzmacht der kleinen Leute“ verkaufen zu wollen.
Spahn und Kubicki müssen wir nicht weiter beschreiben. Lassen Sie uns über Geld reden. Unser Geld. 30 Milliarden angeblicher Überschuss stehen für 100 Milliarden Wünsche gegenüber. Der Soli, dessen Streichung sich die FDP auf die Fahne geschrieben hatte, soll jetzt „schrittweise“ und später, viel später zurückgefahren werden, murmelte Kubicki, der dann noch dekretierte: keine Neuverschuldung. Punkt. Aus. Ende. Spahn sah aber doch Spielraum für drei bis fünf Milliarden.
Illners Redaktion spielte ein Filmchen ein, in dem „die Ärmsten der Armen“ mit Putzeimer durch die Gegend liefen und „nichts von Jamaika zu erwarten haben“. Nach der Logik müssten die Ärmsten der Armen von der amtierenden Regierung doch bestens bedient worden sein (Nahles, etc.!). Aber ZDF-Bediensteten fehlt die nötige Seriosität für das Thema. Für sie ist eine neue Regierung so etwas wie Weihnachten. Jeder kriegt was.
Steingart hat noch ein Sprüchlein oder zwei drauf: „Digitalisierung findet an Schulen nur auf dem Pausenhof statt.“ Stimmt. Oder: Digitalisierung ist nichts für Internetbeauftragte, wie Frauenbeauftragte nichts für Frauen sind; die politisch korrekte Form des Herrenwitzes über die nicht einmal der Leser seines staubigen Wirtschaftsblatts noch lachen kann. Selbst Spahn nimmt das Land inzwischen mit Humor: „China baut 60 neue Flughäfen, während wir nicht mal einen hinbekommen.“
Kleine Frotzeleien zwischen Spahn und Kubicki sind nicht der Rede wert, also beschließen wir unseren Fernsehabend mit der Bemerkung Steingarts, der zu Folge die „Regierungsmesse für die SPD noch nicht gelesen“ ist. Wer rausgeht, kann auch wieder an den Tisch zurückkehren. Spruchweisheiten müssen Einsichten ersetzen.
Im Anschluss bei Lanz: Lindner. Wie finden FDP-Chef 1 und Chef 2 die Zeit, ständig in alle Talkshows zu rennen? Müssen die nicht eine Regierung bilden? Geht das so ganz nebenbei?