Tichys Einblick
Zukunft des ZDF 

Scheidender Intendant Bellut kämpft um Spartensender ZDF Neo

Politiker fordern, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen mehr auf ihren politischen Bildungsauftrag konzentrieren. ZDF-Intendant Thomas Bellut findet, der Stellenwert von unterhaltenden Sendungen dürfe nicht unterschätzt werden.

IMAGO / Future Image

Nachdem der Fernsehrat getagt hat, bringt das ZDF traditionell gleich mehrere Pressemitteilungen heraus. Die sind oft reichlich aussagekräftig. Wobei weniger interessant ist, was drin steht – sondern eher das, was nicht drin steht. Und auch welche Themen der Intendant auswählt, und welche er weglässt. Thomas Bellut scheint sich kurz vor seinem Abgang um das ZDF, wie er es aufgestellt hat, zu sorgen. Dabei geht es weniger um die erwarteten 105 Millionen Euro Defizit. Die sind durch die Ersparnisse gedeckt. Vielmehr geht es um Reformen, wie sie auch von Sozialdemokraten angemahnt werden. Etwa von Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, der Heimat des ZDF. Außerdem sitzt Dreyer dem Verwaltungsrat des Senders vor.

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Politiker wie Malu Dreyer fordern schon länger, dass die Öffentlich-Rechtlichen sich stärker auf ihren politischen Bildungsauftrag konzentrieren sollen. Also weniger Helene Fischer und mehr Annalena Baerbock. Davor warnt Bellut. Er drückt sich dabei vorsichtig aus. Denn seine Botschaft hat es in sich: Der Stellenwert von unterhaltenden Sendungen dürfe nicht unterschätzt werden. „Quizshows vermitteln Wissen. TV-Filme thematisieren gesellschaftspolitische Fragen. Auch Comedy und Satire vermitteln Informationen. Unterhaltung muss deshalb ein elementarer Baustein unseres Auftrags bleiben“, sagt er.

Aber was meint er damit? Wieso verbindet er Unterhaltung mit „unserem Auftrag“? Auch wenn er das Zitat aus seiner Rede zum Fernsehrat in einer Pressemitteilung veröffentlicht, adressiert ist das an die Politik. Vor allem an die Vertreter:innen mit der gleichen politischen Attitude, die das ZDF in seinen Programmen immer wieder durchblicken lässt. Bellut versucht zu erklären, dass eine Botschaft in der politischen Berichterstattung die Zuschauer nur intellektuell erreicht – in der Unterhaltung sie aber persönlich berührt.

Zum Beispiel bei der Forderung nach einer Frauenquote von mindestens 50 Prozent. Das zieht Fragen nach sich – in der politischen Berichterstattung: Heißt es an anderen Stellen nicht, das Geschlecht sei nur eine Konstruktion? Wo bleiben die Diversen bei der Quote? Ist es keine strukturelle Benachteiligung, wenn Männer nur weniger als die Hälfte der interessanten Stellen haben dürfen? Und entspricht eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts nicht exakt der Definition von Diskriminierung?

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In der Unterhaltung bleiben dem ZDF solche Fragen erspart. Etwa bei München Mord. Da wird 90 Minuten lang ein männlicher Charakter als richtiges Schwein aufgebaut. Dann droht eines seiner weiblichen Opfer, ihn zu töten. Polizisten halten sie davon ab. Er sei das als „weißer alter Mann nicht wert“. Das Opfer kastriert den Mann nur – was die Polizisten irgendwie okay finden und ihn ob seiner Schmerzen verhöhnen. Das Urteil ist gesprochen. Damit werden nicht automatisch fünf Millionen Zuschauer zu Befürwortern der Frauenqoute. Aber wenn sie das nächste Mal gefordert wird, werden wieder ein paar Leute weniger sich trauen, Fragen dazu zu stellen oder Gegenargumente vorzutragen.

Wenn es darum geht, Unterhaltungs-Formate zu nutzen, um eine rot-grüne Agenda zu bewerben, dann gehört Jan Böhmermann zu den Fleißigsten. Er wurde einem größeren Pulbikum bekannt, nachdem er dem türkischen Staatsoberhaupt unterstellt hat, Sex mit Ziegen zu haben. Böhmermann ist in dem Biotop ZDF Neo groß geworden. Auch der Spartensender steht in der Reform-Debatte zur Diskussion, zumal der sein Programm mitunter mit krudesten Angeboten füllt. Doch dieses Biotop will Bellut ebenfalls nicht aufgeben und widmet ihm eine eigene Pressemitteilung: „Die Programmangebote von ZDFneo sind in der ZDFmediathek so gefragt wie noch nie“, heißt es darin. Im Vergleich zum Vorjahr sei das durchschnittliche tägliche Sehvolumen um 15 Prozent auf 8,2 Millionen Minuten gestiegen.

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Hier gilt wieder: Spannend ist, was das ZDF weglässt. Dass sich 8,2 Millionen tägliche Sehminuten gut anhören, aber letztlich nur sechs Sekunden ZDF Neo im Netz pro Tag und Bürger bedeuten, kann noch jeder selbst ausrechnen. Aber Belluts Umschreibung der Neo-Inhalte ist schon PR-Sprech vom Feinsten: „Ein breites fiktionales Portfolio sowie Show- und Factual-Formate machen ZDFneo zum Erfolg.“ Beispiele nennt er dafür nicht. Vor allem verschweigt Bellut aber, mit welch kruden Inhalten der Sender sein Programm mitunter vollstopft. Stattdessen sieht Bellut eine fortschreitende „Fragmentierung des Publikums“, worauf der Sender mit mehr Dramen und Comedy-Formaten reagieren will. Wobei Bellut dabei verschweigt, dass Neuproduktionen wie die Serie „Schlafschafe“ so schlecht sind, dass selbst ZDF Neo sie im Nachtprogramm versteckt – während in der Primetime Wiederholungen von Monk laufen.

Dann verweist Bellut auf die Marktführerschaft des ZDF. 14,8 Prozent Marktanteil, klar vor ARD (12,1 Prozent), RTL (7,3 Prozent) und Sat1 (5,2 Prozent). Als Senderfamilie liege man mit 21,4 Prozent auf Platz zwei, hier komme die ARD auf 29,5 Prozent. Was Bellut nicht erwähnt: Die Jungen schauen kaum noch Fernsehen – und wenn, dann nicht ZDF. Bei den 14- bis 29-Jährigen kommt das ZDF im Schnitt auf rund 5,0 Prozent.

Letztlich lobt das ZDF sich noch für das Erreichen der Frauenquoten, die ihm seine Gremien gesetzt haben: 41,7 Prozent in Führungsfunktionen. In der Verwaltung seien es sogar 60 Prozent, in den Produktionsredaktionen nur 15 Prozent. Auch im technischen und IT-Bereich gebe es zu wenige Frauen. Die müssten in diesen Berufsfeldern erst gewonnen werden. Warum? Das lässt Bellut in der Pressemitteilung weg. Vielleicht erfährt der Leser der Mitteilung es, wenn er ZDF schaut. Vermutlich aber eher in der Unterhaltung als in der politischen Berichterstattung.

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