Tichys Einblick
Haushaltsloch, Regierungskrise, Zerreißprobe

Inflation bei Hart aber Fair: Es ist zum Verdreifeln

Die Zahlen explodieren. Ob Butterpreise oder Moderatorenhonorare. Auch Hart aber Fair, der Talk für den freundlichen Faktenignoranten, leidet unter Inflation. Frust-Hyperinflation. Die Sendung ist mittlerweile zum Verdreifeln. Von Michael Plog

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Man mag es kaum für möglich halten. Und doch: Der Frust wächst weiter und weiter und weiter. Hart aber Fair ist der wöchentliche Beweis dafür, dass Worte wie „unerträglich“ entgegen aller grammatikalischen Regeln doch gesteigert werden können. Die Sendung wird immer unerträglicher.

Es geht um Haushaltslöcher und Schattenhaushalte, um Sondervermögen, die eigentlich Schulden sind, um den Richterspruch aus Karlsruhe, der die Haushaltspläne der Ampelregierung als verfassungswidrig abgeschossen hat. Es geht um Milliardensubventionen, die eine völlig verkorkste Energiepolitik abfedern sollen. Um ein Land, das sein Steuergeld wie mit der Gießkanne über alle Kontinente verteilt, aber den eigenen Bürgern noch tiefer in die Taschen greifen will. Und wer glaubt, dass auch nur ein einziger dieser Punkte in der Sendung ansatzweise ehrlich thematisiert würde, für den war das Maggi-Kochstudio der Siebzigerjahre sicher Haute Cuisine.

Ja, wo ist sie denn nur, die nächste Notlage nationaler Tragweite? Auswahl gäbe es ja genug.

Achtung Glosse!
Glosse: Die Troika sorgt sich um Deutschland
Es geht schon beeindruckend absurd los mit einem FDP-Mann Konstantin Kuhle, der seinen Parteikollegen Christian Lindner verteidigen will und dabei sauber auf dem Bauch landet. Es gäbe sehr wohl eine Notlage, die einen weiteren Bruch der Schuldenbremse rechtfertigen würde, sagt Kuhle. Man müsse „doch einfach nur mal an den Anfang des Jahres zurückschauen“, Corona, Ukraine und so. Aber Lindner habe doch in Sommer gesagt, es gebe keine Notlage, wirft Moderator Louis Klamroth ein und fragt: „Also war es falsch, was Lindner sagte?“. Kuhle darauf: „Nein, es war genau das Richtige.“ Hä? Es sind Momente wie diese, wo man sich wünscht, dass die FDP doch bitte nie, nie niemals wieder in irgendein Parlament gewählt werden möge.

Aber der Abend hat noch mehr zu bieten. Denn die Bühne betritt nun TAFKAPR – The Artist Formerly Known As Pöbel-Ralle. SPD-Mann Ralf Stegner, von Natur aus grimmig, bringt ohne zu Zucken sogar das Ahrtal ins Spiel, dessen Aufbau ja noch Jahre dauere, wie er klagt. Ja, stimmt, das Ahrtal! Wo seine Parteikolleginnen so sauber alles vergeigt haben, was es zu vergeigen gab. Wo Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) noch Stunden vor der großen Flutwelle ganz offiziell Entwarnung gab. Wo fast 140 Bürger starben und Ministerpräsidentin Dreyer (SPD) am nächsten Morgen auf die Schnelle „ein paar Sätze des Mitgefühls“ anforderte. Man mag sich kaum an all die schändlichen Ereignisse erinnern. Im Juli 2021 war das. Viele Betroffene warten bis heute (!) auf die versprochenen Hilfsleistungen. Und TAFKAPR ist das alles nicht peinlich genug, um es nicht ausgerechnet für eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse zu missbrauchen. Schamlos.

Zwischendurch allgemeines Rätselraten, was eigentlich Kanzler Scholz sagt. Man hört so gar nichts von ihm. Egal. Die ganze Sendung wirkt wie eine asymptomatische Notlüge irrationaler Tragweite.

Redaktionsschluss mit David Boos
Aufbruch statt umfallen!
Ralph Brinkhaus von der CDU versucht ein paar markige Worte gegen die Ampel („Sie haben ’ne Staatskrise daraus gemacht“), doch er kann nicht aus seiner Musterschüler-Haut. Ständig nickt er aus Versehen vehement, wenn Stegner oder Kuhle etwas sagen, obwohl er doch eigentlich schon aus Prinzip gegenhalten müsste. Sein schlimmschönster Redebeitrag ist vielleicht die folgende Forderung: „eine gute Regierung mit ‘ner guten Opposition, die auch mitmachen muss, und das machen wir auch“. Oh, bitte! Wo ist Markus Söder, wenn man ihn braucht? Ach nein, den braucht man ja gar nicht. Oder wie Kuhle es ausdrückt: „Auf das Wort von Markus Söder würde ich mich mal nicht verlassen.“

Und Scholz? Gibt’s was Neues? Stegner beruhigt die Runde: Er wird am Dienstag eine Regierungserklärung abgeben. Also Scholz, nicht Stegner, zum Glück. Aber Stegner kennt die Rede offenbar schon. Sie sei „voller Zuversicht!“ Uff, Glück gehabt. Wahrscheinlich ist der Richterspruch aus Karlsruhe einfach schon zu lange her, als dass sich Scholz überhaupt noch daran erinnert. Nur eine Theorie.

Wolfgang Weber, Geschäftsführer des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI, bringt den narkotischen Zustand dieser Talkrunde sehr schön auf den Punkt. Er meint es eigentlich als Kompliment, aber er formuliert leider wie folgt: „Ich finde es klasse, wie Sie alle hier die gleiche Sicht vortragen. Das finde ich ein klasse Signal.“ Guter Mann! Aus Versehen.

Glosse
Steinmeiers Ordensleute
Denn besser kann man nicht beschreiben, warum die meisten Redebeiträge nicht der Rede wert sind. Alles wie immer. Nur heute noch schlimmer. Der FDP-Mann will auf seinem Sparkurs den Rentnern ans Leder und möchte nicht, dass „das Bürgergeld dauerhaft die Abwesenheit von Arbeit alimentiert“. Okay, er könnte offenbar mal eine Rhetorik-Schulung vertragen. Was war sonst noch? Alle finden, dass Kerosin vielleicht mal besteuert werden könnte. Und dass die bösen Diesel-Stinker doch bitte noch bissel mehr blechen könnten. Alibifakten allerorten. Niemand findet, dass Klamroth mit 68.000 Euro Monatsgehalt (17.000 Euro pro Sendung) eigentlich ein klitzekleines bisschen überbezahlt ist. So fragt er tatsächlich, warum die Unternehmen denn nicht einfach abwandern und beispielsweise in die USA gehen, wenn hier alles so schlecht ist. Was Klamroth offenbar nicht mitbekommen hat: Sie tun es längst.

Ein einziger Zuschauer immerhin kritisiert, „dass Deutschland auf Pump große Geldgeschenke in alle Welt“ verteilt. Der Kommentar wird aber nur ganz kurz eingeblendet. Brigitte Büscher muss weiter. Die Leute haben schließlich noch Angst vor der AfD.

Die Alternative für Deutschland sitzt nicht mit am Tisch, eh klar. Sie dient nur als Drohkulisse. Überhaupt, die Demokratiefeinde! TAFKAPR warnt eindrücklich vor ihnen. Und davor dass in den USA „bald wieder ein Mann kandidieren könnte, der eigentlich ins Gefängnis gehört“. Damit meint er bestimmt Joe Biden und dessen Verstrickungen in die Schmiergeld-Affären seines Sohnes Hunter Biden. Oder etwa nicht?

Auf jeden Fall dürfe es jetzt in Deutschland bitte, bitte keine Neuwahlen geben. Kuhle von der Noch-im-Parlament-FDP sagt, es werde „weiterregiert und gearbeitet, und dafür braucht es keine Neuwahlen.“ Und Stegner droht ganz unverhohlen: „Die Bürger können sich darauf verlassen, dass die Ampel ihren Job macht.“

Auf gut Deutsch: Ach Du Scheiße!

Anzeige
Die mobile Version verlassen