Tichys Einblick
Messer

„Illu der Frau“ gibt Tipps, wie „Stichwunden“ zu versorgen sind

Leser der Zeitschrift "Illu der Frau" erhalten in einer aktuellen Ausgabe (4/2019) in der Rubrik „Gesund & fit“ Tipps zu „Wie versorge ich eine Stichwunde?“. TE fragte bei Verleger Jörg Scharffetter vom "Alles-Gute-Verlag" nach, in dem auch "Illu der Frau" erscheint.

Screenprint: "Illu der Frau"

Die Zeitschrift „Illu der Frau“ erscheint neben vierzehn weiteren Publikationen im Alles-Gute-Verlag der Verleger Jörg und Bodo Scharffetter. Der Claim des Unternehmens lautet: „Brillante Unterhaltung“ . Besagte Frauenzeitschrift wird vorgestellt mit dem soliden wie freundlichen Werbeslogan: „…da lacht das Leben“.

Wohl offensichtlich damit das auch so bleibt, bekommen die Leserinnen in einer aktuellen Ausgabe (4/2019) in der Rubrik „Gesund & fit“ Tipps zum „Wie versorge ich eine Stichwunde?“. Eine begleitende Kopfzeile informiert über das Initial zur Berichterstattung: „Immer mehr Messer-Attacken“.

Kommen wir zur Abbildung zum Artikel: Ein inszeniertes Foto zeigt eine schlanke Dame im Minirock mit Handtasche am helllichten Tage irgendwo in der Stadt unterwegs, während sich von hinten ein Mann in schwarz mit einem gezückten sehr langen Messer in der Hand bis auf wenige Meter angenähert hat. Bildunterschrift:

„Wichtig bevor Sie erste Hilfe leisten, vergewissern Sie sich, das der oder die Täter verschwunden sind, Ihre eigene Sicherheit hat Priorität.“

Nun kann man sagen, dass so eine Berichterstattung ungewöhnlich ist. Die Macher der Illu der Frau – der Verlag sitzt in Wolfsburg – trauen sich was. Zwar entspricht die Warnung insofern den Tatsachen, dass es tatsächlich eine Zunahme von Messerangriffen geben soll, aber noch fehlen die passenden Statistiken. Die Welt stellt daher fest und fragt: „Kaum ein Tag in Deutschland vergeht ohne einen Messerangriff oder eine Messerstecherei. War das schon immer so?“

Mittlerweile hat die Innenministerkonferenz (IMK) festgelegt, dass die Kriminalstatistik des Bundes in Zukunft Angaben zu Messern als Tatmittel enthalten soll. Es könne allerdings noch mehrere Jahre dauern, bis es verwertbare Informationen gibt, teilt dazu das Bundeskriminalamt (BKA) mit. Nicht mitgeteilt wird, wie man diese Zeitspanne verringern kann, wie viel schneller Informationen zusammengestellt, Handlungsbedarf festgestellt und schlussendlich eben gehandelt wird, wenn Gefahr im Verzug ist.

Wollte die Illu der Frau nicht mehr länger warten und präsentierte deshalb ihren Leserinnen schon einmal Tipps zu Erstversorgungsmaßnahmen für Personen mit Stichverletzungen? Also gemäß begleitendem Foto Hilfe für Frauen, die von Männern hinterrücks mit dem Messer angegriffen werden?

Was das in der Realität bedeutet, kann uns Marianne H. erzählen, ihre Tochter und ihr vierjähriger Enkelsohn wurden vom algerischen Vater des Kindes mit Messerstichen ermordet: Der Mörder tötete ihre Tochter „im Auto mit mindestens fünfzehn Messerstichen auf dem Hof vor ihrem Wohnblock. Anwohner mussten die Taten mit ansehen. Den kleinen Noah trafen zwei Messerstiche in dem Moment, als ihn Herbeigeeilte noch retten wollten. „Noah ist mein Sohn, kein Mensch auf der Welt kann mir Noah nehmen.“, so der Vater. Also lieber ein totes Kind, als es anderen zu überlassen? Das Messer blieb in Noah stecken, als er das Auto verließ. (…) Meine Unfassbarkeit, mein Entsetzen, meine Hilflosigkeit, meine nächtlichen Schweißausbrüche, ein Gefühl des Verrats der Gesellschaft an Anne durch eine Nichtwahrnehmung einer Gefahrensituation bleiben. Ein ständiges Gefühl das Messer in der Brust zu sehen, es physisch zu spüren, begleiten mich seitdem.“

Nun muss man das fragen: Darf oder soll so ein Thema in einer Billig-Zeitschrift in der beschriebenen reißerischen Aufmachung erscheinen und verhandelt werden, die dabei auf „Unterhaltung mit Rätseln, Ratgebern und Tratsch“ setzt? Der Boulevard-Charakter ist die eine Sache. Allerdings haben seriösere Publikationen die Gelegenheit für vergleichbare Berichterstattungen bisher nicht genutzt. Die Zeitschrift Illu der Frau, die in Gestaltung und Aufmachung Anleihen bei Bild der Frau nimmt, macht’s einfach. Ist das skandalös oder einfach nur hilfreich?

Im Gespräch mit dem Wolfsburger Polizeisprecher verweist der auf die für ihn richtige und naheliegende Lösung: „112 anrufen“. Professionelle Hilfe wäre dann zügig unterwegs. Zusätzlich wären die Fachleute am Telefon dahingehend trainiert und ausgebildet, die Anrufer bis zum Erscheinen des Rettungsteams vor Ort zu beruhigen und telefonisch so zu unterstützen, wie das möglich und nötig erscheint.

Der Polizeisprecher fügt hinzu, dass Stichverletzungen bei weitem nicht ausschließlich passieren, wie in dem Bericht geschildert. Es sei nicht zielführend, wenn hier mit solchen Publikationen Ängste geschürt werden. So würden solche Stichverletzungen auch passieren, „wenn einer noch mal schnell in Latschen in den Garten geht um Schnittlauch zu schneiden und dann ausrutscht und ins Messer fällt.“ Auch hier sei schnelle Hilfe angeraten und ebenfalls über 112 auch so schnell als möglich zur Stelle. Soviel ist herauszuhören: Die Begeisterung über solche Berichte wie in der Illu der Frau hält sich bei der Polizei in sehr engen Grenzen.

Dann haben wir nach ein paar Anläufen auch Verleger Jörg Scharffetter am Telefon, der frisch aus dem Osterurlaub kommt und aufgrund der hohen Aufmerksamkeit für besagten Artikel schon in Betriebstemperatur ist. Das Bild sei extrem ungünstig gewählt, bittet uns Scharffetter zu verstehen und bittet weiter darum, doch den ganzen Artikel noch einmal zu lesen, der die Tendenz, welche das Foto impliziert (Messerangriff mit Tötungsabsicht auf Minirockfrau), überhaupt nicht hergeben würde. Nun kann man das auch anders lesen, wenn da beispielsweise von „Immer mehr Messer-Attacken“ die Rede ist.

Für Scharffetter sollte es nachgereicht und generell nun also lediglich um einen Bericht über Unfälle im Haus mit Messern gehen. Tatsächlich allerdings wäre das dann eine deutlich weniger aufmerksamkeitsstarke Version dessen, was am Ende abgebildet wurde. Aber die Sorge des Verlegers ist verständlich, wenn ein Shitstorm wahrscheinlich sein könnte, wenn der Applaus über den Artikel aus der „falschen“ Ecke kommt.

Scharffetter bittet darum, das verwendete Foto zu entschuldigen, weil es vollkommen falsch gewählt sei. Aber bei eintausend Seiten pro Tag sei so etwas leider schon mal möglich, da müsste die Qualitätskontrolle jetzt eben noch besser arbeiten. Die schmalere Osterbesetzung in den Redaktionen hätte hier ebenfalls beigetragen, dass das so schief gehen konnte. „Aber nein, der Mitarbeiter hat nichts zu befürchten. Fehler können passieren.“, ergänzt Scharffetter dann noch abschließend.

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