Tichys Einblick
Tribunal vor der Wahl

Illner: „Skandal in Österreich – schadet das den Populisten?“

Drei Tage vor der EU-Wahl der letzte Versuch, aus der Strache-Affäre eine AfD-Affäre zu machen: ihre Politiker und Wähler gehörten nicht zum bürgerlichen Lager.

Screenprint: ZDF/maybrit illner

Als Beisitzer der Anklage fungierten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP (die als Justizministerin verhindert hatte, dass die Polizei elektronische Überwachung gegen die Organisierte Kriminalität einsetzen kann, weil das „teilweise gegen die Menschenwürde“ verstoße). Dazu die Österreicherin Barbara Tóth von der linken Zeitung „Falter“ und Nadine Lindner von der Linksfraktion beim Deutschlandradio. Als Kronzeuge sollte der Salzburger Landeshauptmann (ein Titel, der in Merkelland längst verboten wäre!) Wilfried Haslauer, ÖVP, fungieren. Die gleiche Rolle war für den Hamburger Jörn Kruse vorgesehen, der einen langen politischen Weg von der SPD zur AfD und wieder raus vorweisen kann. Im Publikum saßen hauptsächlich Genossen, die der Schwere der Stunde wegen wohl extra gebrieft, es nicht beim undifferenzierten Klatschen beließen, sondern johlten wie Mexikaner beim Hahnenkampf.

Auf der Anklagebank nahm Alexander Gauland von der AfD Platz. Masochismus? Mitleidsmasche als Wahlkalkül? Oder sollte der alte Herr in der Tweedjacke tatsächlich immer noch an das Gute im linken Menschen glauben? Wenn auch das Urteil längst geschrieben war, schlug sich Gauland erstaunlich gut. Nicht einmal mit der erprobten Bösartigkeit dürfte es gelingen, ihm aus seinen Worten einen Strick zu drehen.

Der Landeshauptmann kannte offensichtlich die grobe Einseitigkeit deutscher TV-Journalisten nicht und scheiterte im Illner-Sinne, weil er zwar wunschgemäß behauptete, das „rechtspopulistische Narrativ“ sei durch Strache zerstört worden, aber andererseits meinte, die FPÖ sei für Sebastian Kurz „alternativlos bei der Regierungsbildung“ gewesen. Schließlich hätte die SPÖ komplett abgewirtschaftet. Inhaltlich sei die Koalition mit der FPÖ eine „gute Sache“ gewesen, und für die Zukunft ausschließen wollte er eine solche auch nicht. Damit war er natürlich ungeeignet im Sinne der Anklage.

Ganz anders Nadine vom ÖR. Sie könne „eher über AfD als über die FPÖ sprechen“ – aber deshalb waren Sie doch da, Kindchen! Nadine hatte einen typischen Dreisprung bei der AfD ausgemacht: Strache als Einzelfall bezeichnen, Vergleichen und Relativieren (Gauland: Barschel, Engholm, Kohl, Möllemann), und Entstehungsprozess des Videos diskreditieren. Bei geht doch Relativieren gar nicht – nur Wiederholen! Die Ex-Justizministerin Sabine wollte mit Sachkenntnis glänzen und stellte fest, dass der Videodreh „nach unserem Recht nicht erlaubt“, aber „investigativer Journalismus“ gerechtfertigt sei. Bricht also Journalismus das Recht, ganz automatisch? Oder nur, wenn Deutsche das in Österreich oder Spanien beschließen? Was investigativer Journalismus ist, weiß sie offensichtlich nicht, denn das Senden von „zugespielten“ Quellen gehört nicht dazu. Gauland, der als Journalist gearbeitet hatte, erklärte ihr, Spiegel und SZ hätten die politisch wichtigen Passagen gedruckt bringen und das Video quasi als Beweis in der Hinterhand halten können. Ole van Beust habe in der Welt die interessante Frage gestellt, was wäre, wenn Habeck auf dieselbe Art hereingelegt worden wäre, wie das Geschrei dann wohl wäre.

Aber verlassen wir Austria-Gate, die Stoßrichtung hieß schließlich AfD. Deren „Parteispendensumpf“ wurde nun in einem Einspieler wiederholt wiedergegeben, und ein Aktivist von Lobbycontrol durfte angewidert ausrufen, das sei das Schlimmste, was je … Was hilft es, dass Gauland die Fakten zurechtrückte, Weidel gespendetes Geld an den Spender zurückgezahlt, nur nicht an den Bundestag abgeführt habe? Oder dass ein Verwaltungsgericht feststellte, dass die Unterstützung für Meuthen keine Parteispende war? Jaja, kanzelte Illner Gauland ab, als sei der ein Doof.

Auftritt Kronzeuge Kruse, der „die AfD als liberale Partei mitbegründet“ haben will, aber nach „Chemnitz“ sei er gegangen (die alte Chemnitz-Lüge). Jörn wollte die Partei sogar noch retten, aber keiner hätte auf ihn gehört. Ob die AfD nach zu erwartenden großen Erfolgen in Sachsen und Co. koalitionsfähig sei? Das kann der Renegat nicht beantworten, weil er ja nicht mehr dabei ist. Heißt also eher nein. Dumm gelaufen. Den Satz, eine Partei, die 26% der Wähler gewählt haben, auszugrenzen, sei undemokratisch, hätte ihm Illner am liebsten in den Mund zurückgeschoben. Undemokratisch? Papperlapapp!

Gauland ließ sich nicht bewegen, sich von Höcke zu distanzieren, er wüsste gar nicht wovon. Da gingen die Schilder hoch, auf denen „höhnisches Gelächter“ stand. Höcke sei kein Rechtsextremer (Schilder hoch!). Inzwischen war Sabine mit dem langen Nachnamen aufgewacht und rief etwas zu laut was von „Verfassungsschutz könne man nicht wegwischen“, und wir mussten sofort an den parierenden Thomas (Haldenwang) denken mit seinem vorauseilenden Gehorsam. Die Frau vom „Falter“ erzählte dann kurz, was passiert sei, als in Österreich durch Innenminister Kickl mal die andere Seite den Verfassungsschutz in die Finger bekam.

Aber Sabine, mal wach, legte jetzt kräftig nach, und hatte extra einen Zettel mitgebracht, las laut vor, was sie in einem Facebook-Beitrag eines AfDlers gefunden hatte: „Afrikaner bespuckt und begrapscht reihenweise Frauen.“ Aber wenn es doch ein Afrikaner war, der das auf einem Kinderspielplatz getan hat? Was ist daran rassistisch? Die Tat? Die Meldung, die sich nicht nur bei der AfD fand?

Aber Sabine, einmal im Feuer, forderte lauthals „der AfD bei der Wahl einen Denkzettel zu geben“ und die Schilder gingen jetzt hoch, auf denen stand „Johlen und Stampfen!“. Vielleicht war das Publikum für Illner aber auch so gut gecastet, dass es ohne Schilder wusste, was erwartet wurde?


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