Da sind wir also endlich angekommen – die letzte Illner-Sendung des Jahres. Man muss Frau Illner schon gratulieren. Mit Frank Plasberg und Anne Will haben dieses Jahr zwei große Talkshow-Moderatoren karrieretechnisch den Löffel abgegeben. Und zumindest im Fall von Hart aber Fair hat man nun schon von Plasberg erfahren, dass seine Übergabe an Louis Klamroth nicht ganz sauber abgelaufen ist. So nervig man Illner und ihre einseitigen Talkshow-Runden auch finden mag, so wünscht man ihr doch fürs neue Jahr, dass es nicht noch mehr unscheinbare, skrupellose Lover irgendwelcher Klimaaktivistinnen gibt, die unbedingt Talkshowmaster werden wollen.
„Einigung in letzter Sekunde – wie teuer wird’s fürs Land?“ war der Titel der Sendung einen halben Tag, nachdem unsere Bundesregierung eine Steuererhöhung ankündigte, die angeblich keine ist – „teuer“ ist damit schon mal das richtige Stichwort. Zu Gast bei dieser Sendung: Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion Christian Dürr, ehemaliger Kanzlerminister Helge Braun (CDU), RND-Journalistin Kristina Dunz, Chefredakteur von „Finanztip“ Hermann-Josef Tenhagen und ZDF-Rechtsexpertin Sarah Tacke.
Und weiter sagte Bundeskanzler Scholz dann: „In Ihrem Alltag hier und heute ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts.“ Und jetzt müssen die „Bürgerinnen und Bürger“ die Verantwortung für die Fehler ihres Staates tragen, während die sich in die Weihnachtspause verabschieden.
Innerhalb so kurzer Intervalle immer wieder zu versagen und das auch noch so offensichtlich, das ist selbst für deutsche Regierungsverhältnisse ein neues Level. Die Regierung hat sogar so sehr versagt, dass Maybrit Illner keine andere Wahl hatte, als ihre Lügen und Manipulationen offenzulegen. Das tut man nämlich unweigerlich, wenn man wahllos zwei Sätze von irgendeinem Politiker der Ampel hintereinander abspielt. Doch die Ampel wäre nicht die Ampel, wenn sie nicht noch mehr lügen würde, um ihre Lügen zu verbergen.
Und so führt Ricarda Lang die Legende heiter fort. Auf die Frage, ob Olaf Scholz gelogen hat, als er versprach, dass die Bürger im Alltag nichts von der Haushaltskrise merken würden, antwortet sie ganz dreist: „Nein!“ Sie begründet das damit, dass das alles ja ohnehin geplant war und jetzt eben nur ein bisschen schneller und sogar noch besser kommt. Außerdem sind ja auch Entlastungen für Bürger und Unternehmen geplant und das gleicht sich schon irgendwie aus. Maybrit Illner hakt dann nach, ob diese Einigung nicht ein sehr großer Preis ist allein dafür, dass die Ampel zusammengehalten wird.
Insbesondere dieser letzte Satz ist aus zwei Gründen entlarvend. Erstens, weil wir in diesen Talkshows diese gleiche Leier schon öfter gehört haben, als Maybrit Illner „gleiche Stelle, gleiche Welle“ sagt. „Wir müssen von den Parteien wegkommen und uns aufs Regieren konzentrieren“, „das ist kein Wettbewerb, es geht um das Land“ – blablabla. Nach einer Wette ist es nie der Gewinner, der die Ernsthaftigkeit des Wetteinsatzes anzweifelt. Es ist der Verlierer, der seine Autoschlüssel rausrücken muss. Wenn ein Politiker behauptet, es ginge ihm nicht um Parteienpolitik oder nur um das Land, dann hat er eine fette Niederlage einstecken müssen. Denn gerade Ricarda Lang würde auf dem Grab ihrer Verlierer tanzen, wenn sie könnte.
Der zweite entlarvende Punkt ist etwas versteckter. „Wir geben dem Land Stabilität.“ Was sie damit zwischen den Zeilen sagt, ist, dass der einzige Grund für diese Einigung die Einigung an sich ist. Letzte Woche war SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im Studio und sprach darüber, dass so ziemlich jede Einigung eine gute Einigung sei, weil man dann ja wenigstens mal klar festlegen könnte, was denn jetzt Sache ist. Von „Planungssicherheit für die Wirtschaft“ wurde gesprochen. Da ging es nicht darum, dass der Deal gut für die Wirtschaft und damit gut für die Bürger ist.
Der Journalist von „Finanztip“, einer Zeitung, die Illner kurzerhand in „Finanztest“ umbenannt hat, widerspricht dem und erklärt: „Der Bürger wird mehr zahlen müssen.“ Dieser Widerspruch hat aus Hermann-Josef Tenhagens Mund allerdings überhaupt keinen Einfluss, nicht zuletzt, weil sein Medium so unbekannt ist, dass selbst Illner sich nicht an den Namen erinnern kann. Wenn es nach Tenhagen ginge, hätte es wohl einfach noch mehr „Klimaschutz” mit noch mehr Subventionen gegeben. Das würde jedenfalls zu seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat von Greenpeace passen. Und zu den Verbraucherempfehlungen, die er wenig später in der Sendung gab, bei denen er klang, als würde er Stromverträge verhökern wollen und dazu riet, weniger Auto zu fahren: Man könne beim Strom durch einen Wechsel zu günstigeren Anbietern reichlich sparen, doch bei Benzin helfe nur noch weniger fahren.
Von Opposition also völlig ungehindert, konnte dann auch noch Christian Dürr von der FDP ansetzen und in das gleiche Horn blasen, wie Ricarda Lang es getan hatte. Fälschlicherweise könnte der Eindruck entstehen, dass die Einigung für eine Mehrbelastung der Bürger sorgen würde. Doch das genaue Gegenteil sei der Fall. „Wir werden von ihnen erlöst?“, fragte Illner ihn zynisch, die sich sehr stark anmerken ließ, dass diese Beschönigungen selbst ihr auf die Nerven gingen.
Dürr zählt daraufhin auf, was der Staat in die Mittelklasse und so weiter stecke – was mehrere Milliarden sind, und das hört sich erstmal hoch an, doch er stellte diesen Zahlen keine anderen Werte entgegen. Ob all die Subventionen die Abgabenerhöhung tatsächlich ausgleichen werden, steht nach wie vor in den Sternen. Illner las dem FDP-Politiker daraufhin ein Zitat von Lindner vor, der vor wenigen Monaten noch genau das kritisiert hatte, was er jetzt durchgewunken hat, doch auch das konnte Dürr nicht aufhalten.
Irgendwann drehte er völlig durch und behauptete, die Ampel-Haushaltspolitik der letzten Wochen sei so super toll, genial und episch gewesen, dass man sogar die Inflation abgemacht hätte. Na, wow! Und Afrika hat angerufen: Man will sich bei Scholz, Lindner und Habeck dafür bedanken, mit der Haushaltseinigung den Welthunger besiegt zu haben. Außerdem gibt es bereits Gerüchte, dass man mit dem Beschlusspapier – wenn man es auf einem Löffel verbrennt und es sich intravenös spritzt – auch Covid und Aids heilen kann. Man kann es auch in Wasser aufkochen, dann verwandelt es sich in einen hervorragenden Darjeeling.
Es braucht keinen erpichten Regierungsfeind, um die dreisten Lügen, Beschönigungen und Ablenkungsmanöver auszumachen, die Ricarda Lang und Christian Dürr in dieser Sendung eingesetzt haben. Und doch wird die Spitze der Regierung – insbesondere die SPD – sich so gut durchmogeln, wie sie es schon bei der letzten Wahl geschafft hat. Denn ein Vertreter der SPD ist an diesem Abend nicht hier. Die Ampel wird vertreten durch Ricarda Lang und einen FDP-Typen. Damit wird die SPD schonmal nicht mit dieser Krise identifiziert – und ist damit fein raus.
Die Opposition soll Helge Braun darstellen, womit trotz mieser Performance auch Lang und sogar Dürr erhobenen Hauptes die Arena verlassen können. Die vierte Säule der Demokratie stellen zwei Journalisten dar, deren Medienhäuser so unbekannt wie irrelevant sind. Diese Runde, deren einflussreichste Person Ricarda Lang ist, ist nichts als ein Witz. Und das ist das einzige, was die Ampel in dieser Situation noch retten kann. fünf Vertreter, die noch weniger relevant sind als die tatsächlichen Entscheidungsträger, deren Köpfe es zu retten gilt.
Tja, und damit eine schöne Bescherung und ein frohes neues Jahr!