Tichys Einblick
Schlafen Sie gut, Ihre Gebühren tun es auch

Müde Illner-Runde über explodierende Energiepreise

Kamillentee zur Nacht: Wenn der Lanz an diesem Abend (eine Corona-Aufarbeitungs-Farce mit Karl Lauterbach in der Hauptrolle) der späte Kaffee ist, dann ist die Illner der Kamillentee. Motto: Schlafen Sie gut. Ihre GEZ-Gebühren tun es auch. Von Michael Plog

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

„Die Kosten der Krise – Wem hilft der Doppelwumms?“ ist die Frage bei Maybrit Illner am Donnerstagabend. Und – wie fast immer bei diesem Thema – wird zur allgemeinen Empörung festgestellt: Auch die versammelte Besserverdiener-Runde im Studio bekommt eine Unterstützung. Diesmal ist es der Ökonom Jens Südekum, der sagt: „Man hätte mehr machen können, zum Beispiel die soziale Staffelung. Zum Beispiel wir, wie wir hier sitzen, profitieren von der Strompreisbremse, wo man eigentlich sagen müsste, wir hätten es nicht gebraucht mit unserem Einkommen.“

Die Runde tut sich schwer, Antworten zu finden auf die Fragen dieser Zeit. Warum etwa die Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen satte Übergewinne machen können, weil sie Geld für Strom bekommen, den sie gar nicht produzieren (Grund: das Merit-Order-Prinzip). Warum Mineralölkonzerne ihre Gewinne mehr als verdoppeln konnten, während der Verbraucher – Überraschung – an der Tankstelle plötzlich ziemlich genau das Doppelte zahlt. Und vor allem: Wie man diese Gereimtheiten und Ungleichheiten ausgleichen kann.

Verarmung
Die Reallöhne sinken im dritten Jahr in Folge – Inflationsverarmung nimmt Fahrt auf
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat leichtes Spiel an diesem Abend. Er kommt mit viel Politikersprech und Worthülsen durch die dünne Stunde. Auch deshalb, weil aus der Opposition – immerhin ja eigentlich CDU, die Linke und die AfD – mal wieder ausschließlich Friedrich Merz eingeladen wurde. Der CDU-Parteivorsitzende wirkt so blass, als würde ihn das Thema eigentlich gar nicht interessieren. Und je öfter er Lindner Bälle zuwirft wie „da haben Sie Recht“ oder „völlig zurecht gesagt“, desto sicherer ist der Zuschauer: Nein, diese Sendung wird mich wirklich nicht um den Nachtschlaf bringen.

Schon die Kernthese, mit der Illner die Sendung beginnt, ist fragwürdig, soll aber wohl den Rahmen des Sagbaren abstecken. Sie lautet: „Der Ukraine-Krieg hat Deutschlands Geschäftsmodell zerstört. Plötzlich explodierten die Preise bei Öl, Gas und Strom.“ Dass die Preise schon vorher explodierten, dass die grüne Energiewende und der Ausstieg aus allen sicheren Energiequellen mindestens ebenso viel Unheil verursacht haben wie der Krieg, das stellt die Runde dann eher nebenbei fest: „Strom war ja auch vor dem Krieg schon teuer“, sagt Merz. Kurzes Nicken in der Runde. Und weiter geht’s.

Vor allem aber: Illner and the furios Four finden keine Antworten auf die Fragen, die den Bürger interessieren. Und der hat viele Fragen. Annabel Oelmann, Vorstand Verbraucherzentrale Bremen, berichtet, dass die Verbraucherzentralen bereits in fertig abrufbaren Online-Formaten informieren müssen: „Sonst würden wir den Ansturm gar nicht schaffen.“ Und Ökonom Südekum stellt fest: „Die Preise sind eklatant gesunken, und die Bürger wissen immer noch nicht, was auf sie zukommt.“ Denn ob und wann die Konzerne die sinkenden Einkaufspreise an den Verbraucher weiterreichen, ist unklar.

Ein Einspieler bringt es auf den Punkt. Dort heißt es: „Die Energiepreise haben sich beruhigt, doch sinken die Preise? Ja, klar! Zuerst vervierfacht, dann auf das Doppelte reduziert. Preis gesenkt.“ Lindner, der als Regierungsvertreter für eine solch verbraucherschädigende Situation eigentlich gegrillt werden müsste, kann sich durch die Sendung lächeln. Sein Kontrahent lächelt entweder mit oder kneift die Lippen zusammen wie ein zahnloser Tiger. Aber die Grillzange, die holt er nicht heraus. Weil er weiß, dass die CDU nach 16 Jahren Kanzlerschaft zu den Tätern gehört, nicht zu den Heilsbringern?

ZDF-Talk um den heißen Brei
Lesen Sie bitte weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Illner talkt sich ins Leere.
„Wer kontrolliert, ob das ein fairer und gerechter Preis ist“, will Illner wissen. Eigentlich eine Steilvorlage, doch Merz verdribbelt den Ball: „Das Kartellamt ist eine Missbrauchsbehörde und keine Kontrollbehörde.“ Mehr sagt er dazu nicht. Dabei sitzt sein Ansprechpartner nur 1,5 Meter entfernt. Lindner erwischt die Kamera dabei, wie er, wenn Merz spricht, geradezu schelmisch lächelt. Und der Zuschauer denkt: Hier ist heute wirklich nichts mehr zu erwarten. Der Kamillentee zieht immer weiter durch.

„Bei den Stromkonzernen greifen wir in die Preisgestaltung ein und schöpfen Zufallsgewinne ab“, zitiert Lindner sich selbst aus seinen Reden. Hinzu käme der EU-Solidarbeitrag. Aber die Ölbranche sitze nunmal außerhalb Deutschlands, „da ist mit sehr wenig zu rechnen“. Und weiter: „Wir gehen mit dem öffentlichen Geld sorgfältig um. Es ist alles nur geborgtes Geld.“ Man kann es langsam nicht mehr hören.

Südekum kritisiert die Abschöpfung. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Er findet es unmöglich, dass sich ein Unternehmen wie Exxon Mobil gegen eine Abgabe von zwei Milliarden juristisch wehren kann, während es 15 Milliarden Übergewinn an die Aktionäre ausschüttet. „Die Argumente, dass die Unternehmen dann weniger investieren würden, das ist ein Witz“, sagt Südekum. Da habe die Regierung wesentlich mehr machen können. Merz sitzt daneben und hört zu.

Immerhin, Südekum findet auch Positives: Mit der Beweislastumkehr muss der Versorger begründen, ob eine Preiserhöhung gerechtfertigt war. Das sei „ein scharfes Schwert“. Doch dass der Bürger immer noch nicht weiß, was eigentlich auf ihn zukommt, kann die Runde auch nur feststellen, nicht erklären und schon gar nicht lösen. „Abwarten“, rät Lindner. Im März, wenn der Preisdeckel kommt, wisse man mehr. Ja, korrekt, genau das ist das Problem. Oelmann von der Verbraucherzentrale berichtet, dass die ersten Musterfeststellungsklagen bereits laufen. Grund: Einige Versorger hätten ihren Kunden die neuen Verträge geradezu „untergejubelt“. Vertragsänderungen hätten sie in einem rosa Kleidchen versteckt. Oelmann: „Die sahen wie ein Werbeschreiben aus“.

Und was nun tun in dieser Situation? Was kann der Verbraucher tun, wenn die Politik schon so wenig macht? „Der Markt kommt gerade in Bewegung“, sagt Oelmann. Von neuen Langzeitverträgen rät sie dringend ab. „Ich würde in diesen Zeiten gar nix abschließen, was 24 Monate Laufzeit hat.“

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