Tichys Einblick
Milliarden ausgeben, die der Staat nicht hat

Bei Illner: Von der Leyen will auch Gewinne von Erneuerbaren abschöpfen

Ursula von der Leyen will Gewinne von Stromerzeugern abschöpfen und spricht darüber, wie die EU den Strommarkt staatlich regeln will. Damit ist sie der mit Abstand spannendste Gast bei Maybrit Illner – das sagt nichts Gutes über den Rest der Sendung.

Screenprint ZDF / Maybrit Illner

In Bauernfamilien gab es früher den Reste-Samstag. Alles, was die Woche an Essen übriggeblieben war, wurde zusammengekocht und als Eintopf verabreicht. Das Fernsehen ist da seiner Zeit voraus. Da gibt es den zusammengekehrten Eintopf schon am Donnerstag. Maybrit Illner kündigt als Thema die Frage an, ob es Deutschland an einem Energie-Konzept fehle – und hat selbst kein Konzept, um mit dem Thema umzugehen.

Das zeigt sich schon in der Wahl der Gäste: Die Palette reicht von der hauptberuflichen Klimaretterin Luisa Neubauer bis zum nordrhein-westfälischen Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU). Sie alle wollen bedient werden. Also spielt Illner thematische Pässe von Rettungspaket über Neun-Euro-Ticket hin zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Was die Runde sagt, ist wie der Reste-Eintopf: Es füllt den Magen, schmeckt aber fad – vornehm ausgedrückt.

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Interessant wird es, als Illner die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen (CDU) zuschaltet. Sie kündigt einen Übergriff des EU-Zentralismus auf die Stromwirtschaft an. Gewinne will von der Leyen abschöpfen – nicht nur von Anbietern fossiler, sondern auch von Anbietern erneuerbarer Energien. Das Geld solle an Unternehmen und Haushalte mit niedrigem Einkommen gehen. Das sei aber nur ein „Notfallinstrument“. Ab nächstem Jahr wolle die EU langfristig angelegte Reformen vorlegen. Muss man nicht mögen. Klingt aber nach einem Plan. Zumal Maybrit Illner nicht nachfasst, an dieser Stelle keine Schwachstellen des Plans anspricht. Etwa dass ein Großteil des Strommarktes außerhalb der EU beheimatet ist und es sich noch zeigen muss, ob dann Energie zu den Bedingungen der EU geliefert wird.

Doch von der Leyen wäre nicht von der Leyen, wenn sie diese Schwachstellen nicht selbst offenbaren würde. So räumt sie ein, dass Energie eine „knappe Ressource“ sei – zumindest in der Europäischen Union. Diese Ressource soll von der EU verteilt werden. Für den Winter deutet von der Leyen an, dass „bestimmte Industrien“ gedrosselt werden könnten. Eventuell. Als Illner sie drauf anspricht, dass sich derzeit die Gasspeicher füllten, weil Unternehmen bereits die Produktion drosseln, kann von der Leyen nur darüber weggehen. Eine Antwort scheint sie nicht zu haben – die Frage zu stellen, ist der beste Moment der Moderatorin.

Die Diskussion mit dem Rest der Runde ist viel schwächer. Das liegt zum einen an der Redaktion. Die Bundesregierung hat es auf ihrer Klausur nicht geschafft, ein neues „Entlastungspaket“ zu schnüren. Sie hat nur eins angekündigt. Doch dass es kein Paket gibt, ist für die Redaktion noch lange kein Grund, nicht darüber zu reden. Also folgen Mutmaßungen, wie es aussehen soll, und Wunschzettel werden vorgetragen für September.

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Zum anderen liegt es an den Gästen, dass die Diskussion über das Entlastungspaket so qualvoll für den Zuschauer verläuft: allen voran an der RND-Journalistin Eva Quadbeck. Sie fordert eine „dicke zweistellige Milliardensumme“. Dann offenbart sie eine bemerkenswerte Idee vom Verhältnis von Staat, Bürgern und dem öffentlichen Haushalt: „Der nächste Schuss muss sitzen.“ Das nächste Entlastungspaket müsse die gleiche Wirkung entfalten wie einst das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Einlagen zu sichern.

Zur Erinnerung: In der Finanzkrise von 2008 und 2009 drohte das Bankensystem zusammenzubrechen. Das erhöhte die Gefahr, dass die Bürger ihre Konten leerräumen, was das Bankensystem dann tatsächlich hätte zusammenbrechen lassen. Die Gefahr war real. Die Kanzlerin versprach daraufhin zusammen mit ihrem Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), der Staat bürge für die Spareinlagen. Das war zwar gelogen, führte aber dazu, dass die Bürger ihr Geld liegen ließen und sich die Banken erholen konnten. Damit war tatsächlich der gefährlichste Punkt dieser Krise überwunden.

Nun droht im Winter die Situation, dass es in Deutschland nicht genug Energie gibt. Das würde bedeuten, dass Bürger ohne Strom in unbeheizten Wohnungen sitzen oder dass eben, wie es offensichtlich auch von der Leyen erwartet, Unternehmen die Produktion einstellen müssen. Dann vielleicht für immer. Diese Probleme könnten laut Quadbeck alle erledigt sein, wenn der Staat noch einmal zehn, 20 oder 30 Milliarden Euro mit dem Füllhorn ausschüttet? Weil das bei den ersten Versuchen so gut geklappt hat?

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Es ist einer von der FDP, der die Realität in den Illner-Eintopf wirft: Christian Dürr sagt, es müsse nun erstmal alles dafür getan werden, dass es mehr von der knappen Ressource Energie gebe. Das bedeute auch, die Atomkraftwerke müssten länger laufen. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ist in der Runde, muss sich zu dem Thema aber bei Illner nicht mehr äußern. Dürr erinnert auch daran, dass die Preise dauerhaft sinken müssten, weil sie sich keine Familie und kein Unternehmen leisten könnten. Diesen Gedanken negiert die hauptberufliche Klimaschützerin Neubauer wortreich.

Eine spannende Zahl nennt bei Illner keiner: 90 Prozent des Bundeshaushaltes sind „zementiert“, hat der Bundesrechnungshof vergangene Woche gemeldet. Und gewarnt: Damit blieben nur noch wenige Spielräume, um zu gestalten. Letztlich drohe ein „Staatsversagen“, weil dieses Geld nicht mehr reiche, um auf Krisen reagieren zu können. Der Bundesrechnungshof sagt das. Wohlgemerkt.

Das spielt in der Illner-Diskussion um das Rettungspaket, das es noch gar nicht gibt, überhaupt keine Rolle. Lang und Neubauer dürfen „Wünsch Dir was“ spielen und Quadbeck darf so tun, als ob der Staat einfach nur lange genug Geld ausgeben müsse, bis alle Probleme erledigt seien. Die Frage, woher dieses Geld kommt, scheint im „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ noch nicht gestellt worden zu sein. Dürr beantwortet sie trotzdem. Statt immer mehr Geld einzunehmen und zu verteilen, solle der Staat es lieber bei denen lassen, die es erwirtschaften: Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Klingt gut. Doch Dürr ist FDP-Funktionär. Das heißt, er sagt durchaus Richtiges, seine Partei wird es aber nicht umsetzen. So bleibt das Thema dem Zuschauer des Illner-Eintopfs erhalten und es werden noch viele rot-grüne Journalistinnen beklagen, dass es den Menschen schlecht gehe und der Staat Entlastungspakete für sie schnüren solle.

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