Tichys Einblick
Illner macht es sich einfach

Der brave Bauer wählt nicht die AfD

Während die Bauern ansonsten als Extremisten dargestellt werden, die ihren Kuhmist im Politikviertel abladen, weil sie die Demokratie stürzen wollen, ist Illner einen anderen Weg gegangen. Bei ihr gibt es die Bauern ganz einfach nicht, die sich beklagen, protestieren oder zur AfD bekennen.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Maybrit Illner ist gut ins neue Jahr und zurück aus der Winterpause gekommen. Die erste Folge von 2024 stellt die Frage „Regieren unter Protest – was wird die Ampel noch durchsetzen?“ und stellt die Bauernproteste in den Fokus. „Das Wetter ist frostig, die Stimmung ist aufgeheizt“, beginnt Illner ihre Sendung. Die Bauern kommen erstmal sehr gut weg. Sie sind die Protagonisten der Sendung – die Regierung ist der Antagonist. Man sieht keine Traktoren mit rechtsextremen Plakaten wie vom ÖRR sonst heraufbeschworen wurden, sondern solche, die zum Ausdruck bringen, dass sie den Mittelstand darstellen.

Als Sympathieträgerin sieht man in einem Einspieler eine junge Bäuerin, die über ihren Unmut befragt wird. Man trickst und lenkt die Zuschauer mit den typischen Illner-Methoden in einer bestimmte Richtung und diese Richtung ist überraschenderweise auf der Straße bei den Bauern. Doch so ganz spiegelt die Gästeliste das nicht wider. Ohne Erläuterung ist besonders ein Gast nicht nachzuvollziehen – und eine ganz wichtige Person fehlt.

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Erstmal zu einer naheliegenden Besetzung: Cem Özdemir, seines Zeichens Landwirtschaftsminister oder – wie er sich in der Sendung nennt – „Anwalt der ländlichen Orte und der Landwirtinnen und Landwirte“. Das kann er sich leisten, denn zu Corona hat Illner die Live-Zuschauerschaft abgeschafft und danach einfach nie wieder eingeführt – Buh-Rufe oder Beschimpfungen muss Cem Özdemir deshalb nicht befürchten. Im Grunde gibt es überhaupt keine Störgeräusche.

Manchmal meint man in der Ferne das Husten eines Kameramannes zu hören oder es fällt mal was um. Und wenn man ganz leise ist, dann kann man ein Schnarchen hören, von Karl Lauterbach, der immer noch in der Abstellkammer des Studios haust und verzweifelt auf die nächste Pandemie wartet. Ich muss aber sagen, dass ich es ganz angenehm finde, dass das Live-Publikum abgeschafft wurde, denn nichts ist peinlicher als die Horde Klatschaffen, die bei jedem Kalenderspruch jubeln, als hätten sie ihren neuen Heiland gefunden.

Auch wenn die Bauern auf Cem Özdemir gerade nicht gut zu sprechen sind, so lässt sich seine Einladung doch nachvollziehen. Im Gegensatz dazu kommt die Rolle von Juli Zeh, Schriftstellerin und Verfassungsrichterin aus Brandenburg, etwas unerwartet – sie soll nämlich die Advokatin der Bauern sein. Das leitet sich, so Illner, aus ihrer ersten Funktion ab. Denn Zeh hat ein Buch geschrieben, in dem die Hauptfigur, eine Bio-Bäuerin, zur Anführerin eines Bauern-Protests wird.

Nun imitiert die Realität gewissermaßen ihre Kunst. So jedenfalls wird ihre Anwesenheit begründet. Und auch wenn ich ihr das Wissen und Einfühlungsvermögen in diesem Bereich nicht in Gänze absprechen will, so ist es doch eine zweifelhafte Wahl, eine Frau ohne Schwielen an den Händen als Stimme der Bauern in die Sendung zu setzen. So sehr sie sich auch mit der Branche auseinandergesetzt hat, so kann sie doch nur eine Interpretation der Stimmung bieten.

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Zunächst spielt sie ihre Rolle aber gut. „Die Grünen sind eine Metapher für eine Haltung der Politik geworden, die sich durch Überheblichkeit auszeichnet und einem nicht zuhört“, erklärt sie und spricht damit wohl vielen aus dem Herzen. Sie hat auch Recht, als sie erklärt, dass die Bauern eigentlich gar nichts vom Staat bekommen wollen, „dann lasst uns wenigstens in Ruhe“. Und auch, als sie zum Schluss fordert, die Politik solle schon in ihrer Rhetorik weniger von oben herab sprechen – „alles was nach Kindergarten klingt, muss weg“ –, spricht sie einen richtigen Punkt an.

Doch sobald es nicht mehr um Stimmungsbilder, grundlegende Unzufriedenheit und die Unbeliebtheit der Ampelregierung geht, merkt man eben doch, dass sie von etwas spricht, das sie nicht selbst erlebt. Die Bauern würden alles mitmachen, erklärt sie. Das einzige Problem sei die Kommunikation. Das ist ein Punkt, bei dem sie mit Özdemir übereinstimmt. Auch er sieht die Wut der Bauern vor allem darin, dass die Politik Richtlinien eingeführt hat, ohne mit Vertretern aus der Landwirtschaft zu sprechen.

Die Veränderungen, die hier angesprochen werden, die die Bauern angeblich sofort mitmachen wollen: Klimaschutz. Irgendwann kippt das Thema komplett weg von den Bauern und man spricht nur noch über die Klimaziele. Alle sind sich dabei einig – ein CO2-Preis muss her. Kritisiert wird lediglich, dass doch eigentlich über das Klimageld wieder etwas an die Vorzeige-Klimaschützer zurückgegeben werden sollte, ein Plan der bislang nicht weiter verfolgt wird.

Ansonsten sind sich alle einig. Hendrik Wüst, NRW-Ministerpräsident der CDU, sagt dazu: „Es entwickelt sich ’ne Menge, wenn wir einen klugen Rahmen setzen mit einer CO2-Bepreisung, da bin ich auch ganz klar, die braucht es. Und das wird eben auch Lenkungswirkung haben, das heißt, wer sich nicht bewegt, der muss dann auch zahlen.“ Kein Wunder, dass Özdemir Wüst in der Sendung immer wieder als ein Musterbeispiel eines guten Politikkollegen lobt.

Hier fügt sich dann alles wieder zusammen. Es wird über Gefühle gesprochen – die Gefühle der Bauern, in der Abschlussrunde über die Gefühle von AfD-Wählern. Doch dass diese Gefühle nicht von irgendwo herkommen, sondern aus der Wirklichkeit genährt werden, das spricht kaum jemand an. Und nun wird auch klar, weshalb man keinen echten Bauern in die Sendung geholt hat und hier die Bauern ausnahmsweise mal gut wegkommen.

Nach der Skandalisierung der Bauern
Haldenwang und Medien bereiten verbal AfD-Verbot vor
Wenn kein Bauer da ist, kann auch kein Bauer seine Meinung sagen. Zwar muss man schon differenzieren: Die Bauernproteste sind keine homogene Masse mit einheitlichen politischen Einstellungen. Doch so ruhig und kooperativ, wie Zeh sie darstellt, sind sie nicht. Nicht, weil sie unvernünftig sind. Sondern weil sie es sich nicht leisten können. Denn es mag die paar Bio-Bauern geben, die Juli Zeh kennt, die die ganzen Klimaverordnungen gerne mitmachen würden. Doch die Mehrheit unter den Bauern, die jetzt auf den Straßen ist, würde das anders sehen. Die Verordnungen, Reformen und Einschränkungen machen ihnen das Leben schwer und das Geschäft im Grunde unmöglich. Wie soll man kompromissbereit mit grünen Vegetariern verhandeln, wenn gerade die Existenz auf dem Spiel steht?

Tatsache ist: Die Bauern sind unangenehm für die Politik-Elite. Weil sie verdammt sauer sind. Nicht weil da mal eine Vorschrift komisch kommuniziert wurde, sondern weil man absichtlich und systematisch ihre Arbeit sabotiert. Während man in der Presse sonst sieht, wie die Bauern als Extremisten dargestellt werden, die ihren Kuhmist im Politikviertel abladen, weil sie die Demokratie stürzen wollen, ist Illner einen anderen Weg gegangen. Bei ihr gibt es die Bauern ganz einfach nicht, die sich offen zur AfD bekennen und unangenehme Sachen machen.

Damit will sie den Bauern nicht entgegenkommen, es vereinfacht ihr nur die Diskussion. So können sich alle auf die Seite der Bauern stellen, den Bauern sämtliche grüne Klimaschutz-Ziele anheften, sich die Sympathie zueigen machen. Am Ende sprechen dann alle über das AfD-Verbot, als hätte man das Thema gewechselt, und nicht, als würden die Politik der Regierung und die Protestwähler gegen die Regierung vielleicht irgendeine Ursache gemeinsam haben. Die Bauern sind alles ganz vernünftige Menschen, die so denken wie Frau Illner und ihre Gäste. Sie wählen nicht die AfD und sie vertrauen darauf, dass Özdemir sich für sie einsetzt. Das mit dem Protest und dem Kuhmist war doch nur ein einziges großes Missverständnis.

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