Tichys Einblick
Partei des "sozialen Ausgleichs"?

Bei Illner: Die Grünen entdecken den kleinen Mann

Grünen-Chef Banaszak hat die Bezahlbarkeit des Alltags im Fokus. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wenn ausgerechnet die Partei der Teuerung von Entlastung für den kleinen Mann spricht. Er fordert von Kanzler Scholz Demut. Hier hat Illner einen ihrer wenigen guten Momente und konfrontiert den Grünen.

Screenprint: ZDF / Maybrit Illner

Das Jahr geht zu Ende und der Wahlkampf hat begonnen. Ein letztes Mal lädt Illner in diesem Jahr zu ihrer Runde. Es geht gesittet zu. SPD-Chef Lars Klingbeil, Grünen-Chef Felix Banaszak und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kommen nur selten in ein Streitgespräch. Die Politiker legen den Fokus darauf, ihre Wahlversprechen zu platzieren. Einzig Alexander Dobrindt teilt ab und zu gegen die Grünen aus.

Die Sendung hat daher keinen großen Unterhaltungsfaktor. Sie wirkt wie ein Vorglühen auf die kommenden Koalitionsverhandlungen nach den Wahlen. Es fehlt das Salz in der politischen Suppe. Es fehlt die AfD. Die zweitstärkste Partei in den Umfragen wird nie zu Illner geladen. Wer sich Woche für Woche den Talk anschaut, könnte glatt vergessen, dass es die AfD gibt. Dabei würde Alice Weidel der Runde gut tun. Denn dem Zuseher wird bei Illner nur die angebliche Alternativlosigkeit von Union, SPD und Grünen geboten. Und dieser Konstellation fehlt jeglicher Unterhaltungsfaktor im Sinne einer lebhaften Debatte.

Erst alles teurer machen, jetzt entlasten

Die Grünen wollen in diesem Wahlkampf sozialer wahrgenommen werden. Sozialer Ausgleich ist das Hauptthema der Grünen. „Wir haben hohe Lebensmittel- und Strompreise registriert“, erklärt der Grünen-Chef Felix Banaszak. Ziel seiner Partei sei es, Politik gegen die explodierenden Lebenshaltungskosten zu machen, sagt Banaszak. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn ausgerechnet die Partei der Teuerung von Entlastung für den kleinen Mann spricht. Die Grünen sind verantwortlich für eine saftige CO2-Steuer, wollen die Mehrwertsteuer auf tierische Lebensmittel erhöhen, wollen eine Zuckersteuer einführen und die Einkommensteuer anheben.

Die Öko-Partei steht für alles, nur nicht für den sozialen Ausgleich. Alexander Dobrindt hält den Grünen als einziger in der Runde den Spiegel vor. „Das Heizgesetz hat die Bürger in ihrer Leistungsfähigkeit bedroht“, kritisiert er. Das Heizgesetz will der CSU-Mann nach der Wahl wieder abschaffen. Für die Grünen ein Unding. „Die Wirtschaft braucht Planungssicherheit“, erläutert Banaszak. Durch staatliche Förderung werde das grüne Heizgesetz schließlich ein Erfolg, so der Grüne. Ein Trugschluss. Im Ausland wie etwa in Frankreich gibt es eine gedeckelte Fördersumme, was zu niedrigeren Angebotskosten der Wärmepumpenhersteller führt.

Die Grünen in Deutschland sorgen aber durch großzügige prozentuale staatliche Kostenübernahme dafür, dass die Preise in Deutschland viel höher sind. Um die Wärmepumpe in Deutschland alternativlos zu machen, drehen die Grünen zudem die CO2-Bepreisung nach oben. Man wolle die Bürger nicht alleine lassen, wenn Öl und Gas teurer werden, meint Banaszak. In der Runde deckt niemand die Schizophrenie grüner Politik auf. Erst macht man alles teurer wegen Klima. Anschließend beklagt man sich über selbst herbeigeführte soziale Nöte und überschüttet den Bürger mit Förderung, damit er sich das Leben leisten kann.

Scholz spricht von „Fritze“ Merz

Olaf Scholz ließ unter der Woche aufhorchen. So ließ sich der Kanzler in den Nachrichten dazu hinreißen, seinen Konkurrenten Friedrich Merz als „Fritze“ Merz zu bezeichnen, der viel Unsinn erzähle. Für einen Bundeskanzler eine eher saloppe und wenig respektvolle Kommunikation. SPD-Parteichef Lars Klingbeil versucht in der Sendung, Scholz’ Einlassungen als Wahlkampf zu verkaufen. „Der Kanzler verschärft die Tonart“, sagt Klingbeil. In einem Wahlkampf gehöre dies nun mal dazu.

Grünen-Chef Banaszak stößt sich an Scholz’ mangelnder Reflexion im Bundestag. „Differenzierung hätte ich mir in der Debatte gewünscht“, sagt er. Mehr Demut und eine realistische Betrachtung der Regierungsbilanz seien wichtig in der politischen Debatte, findet der Grüne. An dieser Stelle hat Illner einen ihrer wenigen guten Momente. Sie konfrontiert die Grünen mit der Tatsache, dass es von wenig Demut zeuge, wenn man mit 13 Prozent in den Umfragen einen Kanzlerkandidaten stellen würde.

Banaszak wiegelt ab. „Robert Habeck rüttelt nicht am Kanzleramt“, antwortet er. Habecks Verhalten lässt auf anderes schließen. Denn der Wirtschaftsminister zeigte sich bockig, nachdem er nicht ins Kanzler-Duell eingeladen wurde. Das TV-Duell mit Alice Weidel sagte Habeck trotzig ab. Der Traum einer grünen Kanzlerschaft lebt in Habecks Phantasie. Vom Küchentisch ins Kanzleramt, so stellt er sich wahrscheinlich den Weg vor. Wenn es mit dem Kanzleramt nicht klappt, will Habeck mindestens Minister werden. Dazu brauchen die Grünen die Union als Partner und versuchen alles, um diese zu umgarnen.

CSU im Abwehrkampf gegen die Grünen

Die CDU ist längst umgefallen. Nur die CSU versucht noch, eine Koalition mit den Grünen auszuschließen. „Robert Habeck ist das Gesicht der Krise“, äußert sich Alexander Dobrindt skeptisch zu einer möglichen Zusammenarbeit. Er glaube nicht, dass es funktionieren könne, so Dobrindt. Noch gibt sich die CSU unnachgiebig und hart gegenüber den Grünen. Aber hält sie es auch nach der Wahl durch? Aufgrund der Brandmauer zur AfD geht nur noch ein Bündnis mit SPD oder Grünen. Der unbedingte Wille zu einer Koalition mit der Union ist bei den Grünen in jedem Fall vorhanden. Manch Grüner stalkt die Union fast schon tagtäglich.

In der Runde versucht Banaszak, ein Argument in Richtung Koalition zu formulieren. „Wir müssen untereinander gesprächsfähig bleiben, sonst drohen uns amerikanische Verhältnisse“, mahnt Banaszak. Wobei die amerikanischen Verhältnisse bei uns schon längst eingekehrt sind. Denn mit der AfD redet niemand. Dies ist natürlich im Interesse der Grünen und der Sozialdemokraten. Die Union muss die Bedingungen von SPD und Grünen akzeptieren, wenn sie regieren will. Ohne die Brandmauer könnte die Union den Druck auf einen Koalitionspartner erhöhen.

Insgesamt fehlt es der Sendung an Biss und an lebhafter Debatte. Die Politiker wollen es sich nicht miteinander verscherzen und halten sich bedeckt. Im kommenden Wahlkampf kommt es hoffentlich zu mehr Auseinandersetzungen als an diesem Abend.

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