Tichys Einblick
Eine Zeit geht jetzt zu Ende

Illner am Todestag der Königin – Würde und Pflichtbewusstsein sind mit ihr gestorben

Die Politiker bereiten uns auch bei Illner tatsächlich auf Kälte und Hunger vor. Und wenn man sich anschaut, wer hier dafür zuständig ist, dieses Szenario zu verhindern, sorgt das nicht gerade für Hoffnung. In Großbritannien stirbt die Königin, in Deutschland der Wohlstand.

Screenprint ZDF / Illner

Es ist keine Überraschung und doch ein Schock gewesen: Die Queen ist tot, lang lebe der König. Das Ende einer Ära und eine Zeitenwende in dunklere Zeiten macht auch vor so Alltäglichem wie dem Sendeprogramm des ZDF nicht halt. Wer gestern um 22:15 Uhr einschaltete, begegnete dort nicht Illner, sondern sah Elizabeth II. Für ein Sonderprogramm war die Runde auf 23 Uhr verschoben. Diese knappe Stunde war dem zweifellos eindrucksvollem Leben einer ebenso eindrucksvollen Frau gewidmet.

Nicht nur das Vereinigte Königreich trauert um seine Queen. Auch in Deutschland geht in den Herzen vieler etwas zu Bruch. Niemand will sich so recht damit zufrieden geben, dass Prinz Charles mit seiner … hm … Camilla nun ihr Erbe antritt. Gut, nach 70 Jahren, mag man sich schon mal an etwas gewöhnen – doch trotzdem scheint diese Abneigung gegen den neuen König noch tiefer zu gehen. Denn mit dem Tod von Elizabeth II. müssen wir uns alle eingestehen, dass nun wirklich eine neue Zeit beginnt. Und dass nichts davor bewahrt ist, unterzugehen.

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Man schaut nach Großbritannien und man sieht das britische Königshaus, das inzwischen so realitätsfern und eigenartig wirkt, dass man meint, es sei aus der Zeit gefallen, überholt und fast lächerlich. Doch das galt nicht für die Queen. Sie hat Hitler erlebt und überlebt. Sie entstammt einer Zeit, in der Frieden noch nicht selbstverständlich war und Wohlstand verteidigt werden musste. Schon als junge Frau sah man ihr an, dass das Leben für sie nichts ist, was man einfach nur genießen kann. Sie hatte diese stolze und ernste Ausstrahlung, wie man sie von vielen ihrer Zeitgenossen kennt, die schon früh Verantwortung übernehmen mussten. Sie strahlt seit weit über 70 Jahren Pflichtbewusstsein und Würde aus. Elizabeth war keine politische Figur, obwohl sie das höchste Amt ihres Reiches bekleidete. Trotzdem gab sie den Menschen allein durch dieses Pflichtbewusstsein, diese Würde das Gefühl, dass das Land in guten Händen ist. Egal, was für eine Regierung in Großbritannien herrschte, neben ihr stand immer die Queen als zeitlose Instanz des Ehrgefühls.

Ironischerweise war die Queen als Monarchin wie menschgewordene Demokratie, weil sie verkörpert hat, worum es dabei eigentlich geht: das leidenschaftliche Dienen für das Volk, für das Vaterland. Blickt man nach Deutschland, spürt man erst, wie sehr das bei uns fehlt. Die Queen entstammte aus einer Zeit von Radioansprachen, heute werden bei uns ernste politische Entscheidungen mitten in der Nacht in Gesetze zu ganz anderen Themen gemogelt. Keiner hält sich mehr an Protokolle, nichts ist mehr heilig – weder der Bundestag noch das Grundgesetz. Niemand hält es für nötig, mit seinen Aufgaben zu wachsen, sondern man schrumpft stattdessen die Verantwortung auf sich herab.

Königin Elisabeth II.
Großbritannien: Königin Elisabeth II. ist tot – Charles ist König
Regierende Politiker, Journalisten und Experten sprechen im öffentlichen Rundfunk über den politischen Kurs Deutschlands – die Illner-Sendung müsste eigentlich ein wichtiger Bestandteil der Demokratie sein. Doch nichts ist so inhalts- und ehrlos wie diese Formate. Niemand nimmt seine Aufgaben heute noch ernst. Kein Politiker verspürt den Drang, seiner historischen Rolle gerecht zu werden. Kein Journalist spürt die Last, die auf den Schultern der Menschen eigentlich liegen sollte, die das Volk zu mündigen Bürgern ermächtigen soll.

„Probleme werden durch gedankenlose Menschen verursacht, die zeitlose Ideale achtlos wegwerfen. Moral wird bedeutungslos, Ehrlichkeit wird als Dummheit gewertet. Wir brauchen eine besondere Art von Mut: wahr, ehrlich“, sagte Königin Elizabeth einst in einer Fernsehansprache 1957. Heute sehen wir, wie recht sie damit hatte. Nur Phrasen, um dann pünktlich nach Hause zu gehen. Im Schatten dieses weltbewegenden tragischen Ereignisses nur wenige Stunden zuvor wird mir erst klar, was für eine antriebslose Veranstaltung Deutschland wirklich ist. Es wäre vielleicht besser gewesen, Illner gestern Abend gar nicht mehr auszustrahlen. Denn im Anschluss an Queen Elizabeth diese trostlose Runde zu senden, macht den üblichen Missmut, den diese Sendung mit sich bringt, nur noch viel deutlicher und offensichtlicher als sonst.

„Energie, Preise, Jobs – rettet uns das Rettungspaket?“, war die Leitfrage der gestrigen Sendung. In dieser Runde anwesend: Hubertus Heil, der SPD-Bundesminister für Arbeit und Soziales, Jens Spahn, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Melanie Amann, Mitglied der Chefredaktion beim Spiegel, Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur von „Finanztip“, Verene Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes des VdK, und Karen Pittel, Leiterin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. Dass keiner von den Anwesenden eine so anmutige und ehrenvolle Haltung aufweist, wie die Queen sie bewiesen hat, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Es mag lächerlich klingen, das überhaupt in ein Verhältnis setzten zu wollen, doch das beweist nur, wie lange es in Deutschland her ist, dass wir an die Wurzeln und Bedeutung unserer Demokratie und unseres Rechtstaates erinnert wurden.

Tod von Königin Elizabeth II.
Mit der Queen stirbt ein letzter Rest des alten Europas
All diese Charaktereigenschaften, die ich der Queen zugeschrieben habe, sind ihr ja nicht ausschließlich vorbehalten. Pflichtbewusstsein, Ehre und Würde sind genau das, was Helmut Schmidt für uns so unsterblich macht. Doch heute kann man dieses Rückgrat von Menschen wie Hubertus Heil gar nicht mehr abverlangen. Und so belanglos wie er wird auch sein Amt, obwohl Deutschland gerade einen Arbeitsminister braucht. Dass er uns durch gute Politik aus der Krise wieder raushelfen könnte, kommt ja selbst der Regierung gar nicht in den Sinn, deshalb macht man sich auch nicht daran, die deutsche Wirtschaft wieder zu stabilisieren, sondern man haut noch ein Rettungspaket raus. Schadensbegrenzung.

„Aber viele wollen das auch gar nicht, sondern wollen lieber von dem leben, was sie sich verdient oder sich an Rente erarbeitet haben“, schildert Verena Bentele. Die einzigen, die in dieser Sendung noch Pflichtbewusstsein und Würde ausstrahlen, scheinen tatsächlich nur die einfachen Leute zu sein. Dass sich sonst noch jemand etwas erarbeiten und auf eigenen Beinen stehen will, ist für Politiker wie Heil unverständlich, weil sie ihr ganzes Leben lang schon so leben. „Am Ende zählt das Ergebnis, nämlich, dass das Richtige getan wird, um die Wirtschaft und die Gesellschaft gut durch diese schwierige Zeit zu bringen“, kein Satz, den man von der Queen jemals gehört hätte. Hubertus Heil macht den Zuschauern zu Hause klar, dass er im Grunde schon längst aufgegeben hat. Er macht noch irgendwas irgendwie mit der Hoffnung, dass wir am Ende noch alle da sind.

Das sogenannte Entlastungspaket
Die Umwandlung des Bürgers zum Almosenempfänger
Die restlichen Gäste offenbaren, dass sie mindestens genauso weltfremd sind. Und kaum noch Interesse zeigen, wahre Lösungen zu schaffen. „Wir hätten die #Gasumlage von Anfang an nicht gebraucht, wenn wir entschieden hätten, wir finanzieren das Ganze aus dem Steuersäckel und holen uns das Geld dann wieder“, für Leute wie Hermann-Josef Tenhagen ist Geld oder überhaupt Wert auch nur etwas, das man einfach irgendwoher nimmt. Woher ist ihm entweder egal – oder nicht bewusst. Ähnlich äußerten sich die anderen Gäste. Sie überschlugen sich nahezu vor Möglichkeiten, noch irgendwo Geld abzugraben.

Karen Pittel setzt da zum Beispiel voll auf die Zufallsgewinnsteuer: „Ich kann es nicht genau sagen, das sind mehrere Milliarden, die man da erwarten kann, auch in Deutschland.“ Verena Bentele scheint ähnliche Wege zu verfolgen: „Viele Firmen, die jetzt große Gewinne machen und die letzten Jahre gemacht haben, haben die eher an Aktionäre ausgeschüttet als in Erneuerbare zu investieren.“ Führen bedeutet heutzutage Vorschreiben. Gewählt zu werden, reicht als Gegenleistung aus, danach ist es vorbei mit dem Diener des Volkes. Wegnehmen, umverteilen, verwalten, wie man will. Den Höhepunkt erreichte dabei erneut Hermann-Josef Tenhagen: „Eigentlich muss man es einfacher machen und an die Hand nehmen. Das Finanzamt weiß ja, welche Leute wenig verdienen. Die können einen schönen Musterbrief ausschicken.“

Auf Deutschland kommt jetzt ein rauer Winter zu – unvorstellbar, hätte man bis vor kurzem gesagt. Doch heute fangen die Politiker tatsächlich an, uns auf Kälte und Hunger vorzubereiten. Und wenn man sich anschaut, wer hier dafür verantwortlich und zuständig ist, dieses Szenario zu verhindern, sorgt das nicht gerade für Hoffnung.

In Großbritannien stirbt die Königin, in Deutschland der Wohlstand.

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