Hangar-7 ist eine Flugzeughalle, mittlerweile sind es sogar schon zwei, in denen Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz seine Flugzeugoldtimer parkt. Alle sind flugfähig, sei es mit Propeller, Düse oder Rotoren, dafür sorgt eine Mannschaft von Technikern. Ein Tornado steht darunter, neuester Erwerb ist das frühere Staatsflugzeug von Josip Broz Tito, eine Douglas DC-6B, mit der auch verdiente Mitarbeiter Flügel kriegen dürfen beim Motivationsrundflug.
Milliarden machen eben unabhängig – Mateschitz rangiert in der Liste der Reichsten der Welt im Hunderter-Bereich. Er ist also richtig reich, nicht wie einer, der von der SPD reich genannt wird und nur ein Facharbeitergehalt bezieht. Mateschitz betreibt zum Beispiel im Hangar-7 auch eine Talkshow, wie es sie in Deutschland nicht gibt und strahlt sie im eigenen Servus-TV aus; er gönnt sich eben Sender und Zubehör und uns auch. Weit nach Bayern strahlt er aus und hat südöstlich von München die oberbiederen Sendungen des Bayerischen Fernsehens längst deklassiert.
Auch in Österreich macht er sich damit nicht nur beliebt: Kanzler Sebastian Kurz beispielsweise will die in Österreich beheimatete Identitäre Bewegung (IB) am liebsten verbieten. Anlass: Die IB haben Spenden vom späteren Massenmörder aus Christchurch erhalten. Die Jungs und ihre Mädels halten so manche unabhängig davon für offen rechtsextrem, wenn sie die Methoden der Alt-68 imitieren und provokante Bettlaken aus Fenstern hängen oder Parteizentralen besteigen. Dass der Identitäre Martin Sellner früher Hakenkreuze auf Synagogen schmierte, kommt aktuell als neue (alte) Nachricht obendrauf.
Im Hangar-7 ist das Undiskutierbare diskutabel
Und jetzt? Jetzt sendete Servus TV aus dem Hangar-7 eine Talkshow, wie es sie in Deutschland nicht (mehr?) gibt. Mit Rechtsradikalen persönlich, etwa dem in Deutschland von Medien als rechtsextrem neurechten Vordenker vorgestellten 48-jährigen Götz Kubitschek. Denn Österreich schaut durchaus nach Deutschland, und das gilt für die Rechten auch. Kubitschek wird auch vom Identitären Martin Sellner hoch verehrt und tituliert sich selbst als „Neuen Rechten“. Er residiert wie ein verarmter Junker auf einem ostdeutschen Rittergut in Schnellroda, wo er Bücher verlegt. Die Ziegen melkt seine Frau selbst. Personal ist teuer ganz ohne Untertanen und nur von ein paar Hiwis mit Kurzhaarschnitt unterstützt. Fernsehhonorare bezieht er nicht, außer eben neuerdings bei seinem Fernsehauftritt bei Servus TV in Michael Fleischhackers wöchentlichem Talk in Hangar-7.
Und dann wird es heftig – für deutsche Verhältnisse.
Hangar-7 ist eine österreichische Talkshow, die überdeutlich macht, was von den Big-4-Talkshows des deutschen Fernsehens tatsächlich zu halten ist. Der österreichische Moderator verweist seine Mitbewerber Illner, Maischberger, Will und Plasberg auf die Plätze durch hartes Nachfragen und schlichtes Zuhören einerseits und Laufenlassen andererseits – ganz wie es passt.
Hangar-7 begann schon denkwürdig, als im Hintergrund der Geburtstagsgast von Matthias Matussek in Hamburg eingeblendet wurde, der vorbestrafte Identitäre Mario Müller. Eingeladen wurde auch der Journalist Henryk M. Broder aus der WELT in Deutschland, um über die österreichischen Identitären rund um Martin Sellner zu sprechen. Anlass also die Überweisung von über eintausend Euro des späteren Attentäters von Christchurch an die Organisation und die sofortigen scharfen Worte des österreichischen Bundeskanzlers, der öffentlich darüber nachdachte, ob die Identitären verboten gehören. Es ist also scharf angerichtet.
Milliarden machen unabhängig und Salzburg sendet gegen Wien. Das war übrigens historisch auch schon früher mal so – deutschnationales Salzburg gegen Wien mit Tschechen, Slovaken, Slavonen, Slovenen, Ruthenen, Juden, Galiziern, Serben, Bosniaken und sonstigen Völkern des Habsburgischen Reiches, das bedauerlicherweise längst in der Kapuzinergruft vermodert und seine Völker weit verstreut sieht. Servus-TV und sein Hangar-7 aus Salzburg sind buchstäblich unabhängig und senden gegen den staatlichen ORF, und das spürt man in der Sendung. Die Redaktion nimmt keine Rücksicht auf die Kontroverse zwischen Kurz und Strache (FPÖ) in Wien. Und sollte Kurz mit bösem Material über die Verwicklungen der Identitären nachlegen, wird eben die nächste Talkshow angerichtet.
Zunächst einmal sorgte Götz Kubitschek vor der Sendung für publikumswirksam inszenierten Absagen von Angefragten; in Deutschland gilt schon als vom braunen Virus angesteckt, wer mit dem auf dem Sofa sitzt. Henryk M. Broder allerdings ließ sich nicht lange bitten, der redet ja auch vor der AfD. Er gab dann tatsächlich auch den gefälligen Sidekick, Sekundanten und manchmal rhetorischen Adjutanten des rechten Spindoktors, der sonst ganz allein gewesen wäre.
Da diskutieren Marxist, Sozialdemokrat und Neuer Rechter
Kubitschek und Broder gegenüber saßen im Halbrund der oberösterreichische Medienhistoriker und Sozialdemokrat Fritz Hausjell. Neben ihm nahm auch der Wiener Marxist und Sozialwissenschaftler in der Jugendforschung Bernhard Heinzlmaier Platz. Und als einzige Dame in der Runde war die als Philosophin vorgestellte Autorin Elsbeth Wallnöfer vorgeladen. Wallnöfer hat unter anderem das Buch „Geraubte Tradition: Wie die Nazis unsere Kultur verfälschten“ geschrieben.
Möchte man weiter die deutschen Big-4 mit dem vergleichen, was Servus TV im Hangar-7 anbietet, dann fällt auf, dass sich Moderator Michael Fleischhacker mitunter gänzlich aus dem Spiel nahm und den Diskutanten unbekümmert die Arena überließ. Das führte zwar streckenweise zu Tumulten und lustigen Beschimpfungen, wenn Broder Heinzlmaier grinsend einen intellektuellen Gartenzwerg schimpfte, aber es bot auch die seltene Gelegenheit, einmal mitzuerleben, wie sich so ein Tohuwabohu auch ohne Schiedsrichter selbst entwirren kann. Immerhin war 70 Minuten dafür Zeit; Zeit genug, die Zügel einmal schleifen zu lassen und vorzuführen, wie Zivilisiertheit im Umgang zwar verloren gehen, aber auch bald wieder reanimiert werden kann.
Aber rollen wir diese Sendung über die Identitären mal von hinten auf und erklären dann erschüttert, wie es dahin kommen konnte, dass die Runde am Ende zu so etwas wie dem Ergebnis kam, dass die Identitären, dass so schillernde rechte Figuren wie Kubitschek – ach, man wagt es ja kaum auszusprechen hier in einem deutschen Medium – sogar eine Bereicherung für die Demokratie sein sollen, wenn das Fazit beispielsweise von Bernhard Heinzlmaier lautet: „Ich bin der Auffassung, dass man den Herrn Kubitschek als das benennen muss, was er ist: Das heißt, wir müssen eine Begriff finden, für das, was er vertritt (…) und ich glaube, dass er ein rechtskonservativer Publizist ist.“ Hallo? Ein Ritterschlag für einen Verfemten oder eine Verfemung rechtskonservativer Publizisten?
Man sah es Kubitschek an, dass er sein Glück kaum fassen kann, aber der wortgewaltige Linke befindet in Richtung Kubitschek weiter: „Man muss ihm gerecht werden. Ich bin wie Sie der Auffassung, es kann eine Rechte geben, diese Rechte kann sich artikulieren, aber diese Rechte muss sich auch einem politischen Diskurs aussetzen, so wie ich mich als Marxist Ihrer Kritik aussetzen muss und da darf man nicht wehleidig sein.“ Also Diskurs, sogar mit Rechten? Das würde im deutschen TV zum tagelangen Blackout, Programmbeschwerden, Twitterstürmen und rotgrünen Hass-Posts auf Facebook führen – nicht auszudenken.
Es wird tatsächlich argumentiert …
Henryk M. Broder fasst nach und setzt die roten Linien ganz im Sinne Kubitscheks: „Wenn Verstöße gegen geltende Gesetze vorliegen, dann muss etwas unternommen werden. Wissen Sie, ich bin vorbestraft, er wahrscheinlich nicht, das habe ich ihm voraus (Fingerzeig Richtung Kubitschek).“ Der Marxist setzt fort: „Ich finde die Identitären nicht gefährlich. Das sind hundert, hundertfünfzig Leute … Ich finde sie problematisch und ich finde die Strategie problematisch – das würde ich auch bei Ihnen sagen (zu Kubitschek) – dass man sich auf Rechtsparteien draufsetzt und in die Rechtsparteien hineingeht und die Positionen dieser Rechtsparteien noch einmal verschiebt.“
Der Moderator hakt nach: „Aber wenn rechts legitim ist, warum ist das problematisch?“ Das sei es, weil das ein klandestiner Vorgang sei. Broder lacht auf: „Aber wenn es klandestin ist, woher wissen Sie dann davon?“
Und tatsächlich wundert man sich in solchen Momenten, dass Österreich scheinbar keine Ralf Stegners und Jakob Augsteins hat, und ob eine Sendung – nach deutschen Maßstäben – so aus dem Ruder laufen dürfte zugunsten des vermeintlichen Bösewichts aus dem deutschen mittleren Osten.
Fritz Hausjell wurde noch ganz am Anfang gefragt, ob die Angst vor den Identitären nur so etwas sei wie eine mediale Hysterie. „Es ist eine Gruppe, die sich sehr gekonnt inszeniert und dadurch mehr scheint, als sie ist.“ Der Moderator fragt auch hier sofort nach, ob der Schein denn Demokratie bedrohen kann. „Nein, der Schein nicht“, erwidert Hausjell, „aber wir haben doch sozusagen eine Partei in der Regierung (er meint die FPÖ), die auch bisher schon rechtsextreme Ränder hatte und diese Partei besetzt alle Sicherheitsministerien, Innen-, Außen- und Verteidigungsministerium und da geht natürlich eine Gefahr aus, wenn dann in dieser Partei auch Identitäre drinnen sind, die eine neue Spielform des Rechtsextremismus darstellen.“ Alles nur Kindereien im Sandkasten des Ritterguts?
„Ich bin zu alt, ein Identitärer zu sein, aber ich bin der Verleger der Identitären“, stellt Kubitschek sich vor. Für ihn haben die Identitären „metapolitisch, aktivistisch und jugendlich“ große Erfolge. Und selbstverständlich seien auch die Identitären daran interessiert, dort Einfluss zu gewinnen in den Parteien, „die in Demokratien am Ende auch die Macht unter sich ausmachen.“ Das Erfolgrezept der Bewegung sei ihre „intelligente situationistische Provokationsstrategie.“ Für ihn gehören die Identitären und auch er selbst zum Vorfeld solcher Partien wie der AfD und auch der FPÖ. Es sei daher ziemlich banal, dass es hier dann auch zu einer „Verzahnung der Strukturen“ kommen würde. Die Identitären also als Jung-AfD? Der würde der Deutsche Verfassungsschutz aber juchzen und aus dem Prüffall die Verdammnis eines Parteienverbots anstreben.
Nun klingt das aus linker Sicht sicher fast wie ein Geständnis. Denn darum geht es doch immer, wenn in deutschen Medien umrissen werden soll, warum Kubitschek und Co. das ultimative Böse seien, wenn er als Marionettenspieler sowohl des rechten Flügels der AfD wie auch der Identitären hochgeschrieben wird und in Salzburg kaum einmal widerspricht. Und wenn in Deutschland sofort die kontaminierten, zum Teil rechtsextremen Biografien einiger Identitärer als Waffe gegen diese gerichtet werden, spielen sie in dieser Runde an diesem Abend im österreichischen Fernsehen offensichtlich keine Rolle mehr.
Kubitschek kann tatsächlich fast alles unterbringen an diesem Abend im Ausland, wenn er weiter erklärt:
„Ich lehne die Gleichsetzung von radikaler Antifa und Identitären ab. Die radikale Antifa ist eine brutale Gruppe, die in sich Gewaltdialoge führt und sich überlegt, wie man eben tatsächlich mit Gewalt, mit wirklich harter Gewalt und Repression Ziele durchsetzt oder zumindest Gegner mundtot macht oder die Polizei, die Staatsmacht, Dinge angreift. So etwas würden sie bei den Identitären nicht finden – in keiner Publikation, in keiner Handlung. Und diese Gleichsetzung ist mir einfach zuwider.“ Auch an der Stelle ist der Widerspruch der Runde schwach und Broder nickt. Das ist nach deutschen Maßstäben die Absolution. Also doch nur Sandkasten mit revolutionären Spielen? Ist das nicht zu harmlos?
… und das Zuwanderungsthema ist nicht Tabu
Für Broder sind dadurch Positionen ins Wanken gekommen. „Leute wie Sie“, sagt er zum Sozialdemokraten Fritz Hausjell, „verlieren ihr Deutungsmonopol. Und darunter leiden sie ganz schwer. Und diesen marxistischen Unsinn, den Sie gerade gesagt haben, höre ich seit fünfzig Jahren. Seit fünfzig Jahren dieselbe Phrase, dass die Mitte sich radikalisiert, weil sie den Abstieg fürchtet.“
Wen würde es an der Stelle jetzt noch wundern, dass Kubitschek dankbar Broders Ball aufnimmt und sich zu etwas wie Tacheles ermuntert fühlt: „Ich hoffe sehr, ich hoffe wirklich sehr, dass die Identitären, dass das ganze neurechte Vorfeld und dass hoffentlich auch die AfD und die FPÖ (…) gegen diese Arroganz antritt. Dass das das eigentliche Ziel diese neuen politischern Akteurs. (…)“
Und weiter zur Zuwanderungsproblematik: „Diejenigen, die immer sagen, es ist kein Problem das halten wir aus, das schaffen wir, die wohnen sicher nicht dort. Und die gehören sicher nicht zu dem Teil unseres Volkes, das das aushalten muss, was da ankommt.“ Natürlich hätte das Volk auch Milieus ausgebildet, so Kubitschek weiter, so seien zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent des Volkes mobil. „die finden es toll, sich jeden Tag neu zu erfinden. Die sind irgendwie kreativ, die sind auch nirgends richtig zu Hause, aber dann doch wieder Mal für zwei Jahre. Die switchen so rum und das Flüssige ist irgendwie so ihr Element. Es gibt aber 75 Prozent, die wollen eigentlich sehr stabil und sicher leben, die wollen sich auch nicht immer neu erfinden. Die wollen nicht immer irgendwie an sich rumbasteln. Und die wollen sich auch nicht ständig selbst optimieren, die wollen so sein, wie sie sind. Vielleicht auch ein bisschen so, wie ihre Eltern schon waren. Und diese Leute unter Stress zu setzen, weil irgendeiner kommt und sagt, es ist hier nicht bunt genug, es ist hier irgendwie nicht divers genug, das finde ich in hohem Maße arrogant und dagegen muss angegangen werden.“
Nun gut, die, die er da so biedermännisch umschreibt, viele von denen, wählen seit Jahr und Tag Merkel und Co. Die sorgen nun mal regelmäßig dafür, dass eben alles so bleibt, wie es ist. Sogar noch in seinem Bestreben, alles Bestehende so radikal auf den Kopf zu stellen, bleibt also alles, wie es ist. Ein Paradoxon? Auf alle Fälle war das eine denkwürdige, eine Talk-Sendung, wie sie so im bundesdeutschen Fernsehen niemals stattfinden könnte. Und im Maschinenraum von Hangar-7 werkeln frühere Talk-Show-Redakteure der ARD, die sich sichtlich wohl fühlen zwischen den Retro-Fliegern und munteren Österreichern. Es war ja auch mal eine Debatte, die irritiert.