Plasberg hat eine neue Krise gefunden, mit der er die Talkshow füllen kann. Und man kann nur von Füllen sprechen, denn auf seinen letzten Talkshows – Frank Plasberg wird im Oktober seine letzte Sendung Hart aber Fair moderieren – sieht man ihm die Ermüdung an.
Die Krise dieser Woche ist die Dürre. Und es ist tatsächlich eine Krise, die nur dummerweise von Gasmangel, Krieg und Politikversagen überschattet wird. Der Rhein führt vernichtend wenig Wasser, die Loire ist ein Rinnsal und der Pegel des Po so niedrig wie seit 70 Jahren nicht. In den letzten Jahren hat es zu wenig geregnet: Ein Extremregen-Ereignis wie die Ahrtal-Flut ändert daran auch nichts. Die Frage lautet: Wie mit der Situation jetzt umgehen, wie in der Zukunft damit umgehen?
Diskussion muss nur simuliert werden
Doch Plasberg will nicht mehr, er kann sich kaum gegen seine Gesprächsteilnehmer durchsetzen. Sie referieren über ihn hinweg. Der Einzige, der sich noch weniger durchsetzen kann, ist Werner Marnette. Marnette kommt aus der Wirtschaft, war Vorstandsvorsitzender eines der größten Kupferkonzerne Europas. Für neun Monate war er Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr in Schleswig-Holstein, ein Amt, von dem er selbst zurücktrat, weil er mit dem Kurs der Regierung nicht zufrieden war. Als Jahrgang 1945 sollte ihm auch Knappheit nicht ganz unbekannt sein. Nun wird ihm in Hart aber Fair das Wort verboten, denn er müsse einem „jungen Menschen nichts erklären, der so im Stoff ist wie Frau Reemtsma“, so Plasberg.
Mit dabei ist Sven Plöger, Meteorologe und ARD-Wettermoderator. Er sagt, er sei „eigentlich nicht eingeladen, um Regierungen in Schutz zu nehmen“. Ein Satz, der angesichts der Vorwürfe, dass genau dies im NDR gang und gäbe ist, nicht einer gewissen Ironie entbehrt. Natürlich nimmt er dann die Bundesregierung in Schutz: Die Politik müsse nun eine Bruchlandung verhindern und mache das gerade doch auch. Kohle sei eine pragmatische Lösung, Erneuerbare müssten ausgebaut werden, Atomkraft sei eine Risikotechnologie, schlecht, teuer. Nein, hier werden keine Regierungen in Schutz genommen. Ansonsten hat er wenig beizutragen, außer Aufrufe zum Verzicht.
Die Lösung der Krise: Industrie verschwendet weniger
Carla Reemtsma wurde schon erwähnt. Sie wird nach wie vor als „Klimaaktivistin“ vorgestellt, keine weitere Qualifikation nötig. Ihr wird in der Sendung mehrmals attestiert, wie toll sie informiert und in das Thema eingelesen sei. Bewundernswert ist, wie sie einer solchen Überheblichkeit gegenüber die Fassung wahrt. Ihre Argumentation an sich ist es eher weniger. Klimakrise sticht für sie alles: Wirtschaftskrise, Energieknappheit, Versorgungssicherheit. Studien belegen, dass man bis 2035 den kompletten Energiebedarf Deutschlands aus Erneuerbaren decken könne, sagt sie. In der Zwischenzeit will sie den steigenden Energiepreisen mit Entlastungen begegnen. Wie dem Neun-Euro-Ticket. Außerdem sollen die Industriebetriebe mit „Energieverschwendung“ aufhören. Oder wahlweise „Wasserverschwendung“. „Die Industrieprozesse“ sind es, die uns die Knappheit bescheren.
Normalerweise erlaubt man nach einem sichtlich emotionalen Redebeitrag einen Moment, in dem das Publikum verdauen, gegebenenfalls klatschen kann. In diesem Fall nicht, die anderen drei Teilnehmer können kaum schneller die Kernkraft verteufeln und von einem Ausbau erneuerbarer Energien in der Zukunft sprechen. Morgen, da winkt die Photovoltaik, immer morgen.
Tatsächlich wurde bisher eine Rednerin ganz ausgelassen. Das ist Mona Neubaur. Für die Grünen ist sie in NRW Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. Wie es so mit Politikern in Talkshows ist, redet sie viel und sagt wenig. Nur eines fällt auf: In ihren Erzählungen stellt die Industrie viele Forderungen an sie. „Handwerkerinnen, Industriebetriebe und viele mehr“ fordern von ihr „klimaneutrale Energie und grünen Wasserstoff“. Das sei ein Standortvorteil.
Die Forstbesitzer NRWs fordern die Erlaubnis, Windräder in ihren Wäldern aufstellen zu dürfen. Die Aussagen hören sich an wie Überschriften einst im Neuen Deutschland: „Arbeiter fordern vom Zentralkomitee der DDR, längere Schichten arbeiten zu dürfen“. Aber das ist sicher nur Zufall.