Aus der Infratest-Umfrage für die aktuelle Ausgabe von hartaberfair erfahren wir, dass 56 Prozent gegen den US-Raketenangriff sind und 75 Prozent gegen eine deutsche militärische Beteiligung in Syrien. Julian Reichelt von BILD (lange selbst Kriegsreporter und in Syrien) zählt positive deutsche Beteiligungen an militärischen Einsätzen auf – wie in Jugoslawien – und hält Beiseite stehen für falsch.
ARD-Denkmal Fritz Pleitgen beschwört die politische Lösung, die nur Russland und die U.S. leisten können und müssen. Er beklagt, dass nicht rechtzeitig und vorsorglich für ein brauchbares Verhältnis zwischen Washington und Moskau gesorgt wurde. Frank Plasberg fragt: Kann Merkel vermitteln? Pleitgen, als Person wäre sie geeignet, aber die Geschichte belastet jeden deutschen Regierungschef. Pleitgen: Für ihre Rolle beim Minsk-Abkommen „hat sie eigentlich schon den Friedensnobelpreis verdient.“ Da stocke ich, wo schon Obama den Preis für nichts bekam. Aber das ist keine Frage der Würdigkeit von Preisträgern, sondern der Unwürdigkeit der Preisverleiher, schließe ich meinen Nebengedanken ab.
Die ARD-Journalistin Kristin Helberg (Buch „Brennpunkt Syrien. Einblick in ein verschlossenes Land“) ist mit einem Syrer verheiratet und kennt die Geschehnisse aus der Nähe. Sie zeigt sich von Trumps Schritt völlig überrascht und deutet ihn für viele Syrer als „eine Art Befreiungsschlag, weil sie dachten. Endlich hält mal jemand die rote Karte hoch, jetzt endlich wacht der Westen auf und tut etwas. Trump könnte in diesem Moment für viele Syrer eine Art Held gewesen sein.“ Sie macht zwei wichtige Punkte, deutsches Militär ist mit den Tornados dabei – und: niemand fliegt in Syrien, um Zivilisten zu schützen.
Jürgen Hardt, Außenpolitik-Sprecher der Unionsfraktion, kam eben aus Boston zurück und hat „Verständnis“ für den US-Schlag, der in den USA für einen Shitstorm gegen Trump sorgte. Ulrich Scholz, Ex-Bundeswehr-Pilot mit NATO-Erfahrung schimpft den US-Einsatz „Straßenjungenmanier“. Den Bildern von übereinander liegenden Kinderleichen schreiben fast alle die ausschlaggebende Rolle für Trumps Entscheidung zu. Mit dem Einspieler von Trumps Statements zu Syrien im US-Wahlkampf und jetzt untermalt Plasberg diese allgemeine Einschätzung. Scholz findet das nicht staatsmännisch und verweist auf die ganz andere Haltung von de Gaulle nach der Algerienkatastrophe und von Rabins Frieden mit Assad (Scholz meinte wohl Sadat).
Nachdem Scholz die Version einführt, die USA hätten aufgrund der täglichen Routineinformationen vorher gewusst, dass ein Chemiewaffenlager von Assad bombardiert werden würde, bricht der Schlagabtausch Reichelt gegen Scholz aus: Reichelt sehr emotional, Helberg sehr sachlich, Hardt irgendwo dazwischen. Plasberg bemüht sich, Klarheit in die Sache zu bringen, aber das wird wohl bei hartaberfair wie auch sonst überall nicht so bald gelingen.
Pleitgen traut der russischen wie der amerikanischen Seite nicht, die alle Verbrechen in diesem Konlikt begangen hätten, Hardt möchte Russland für alles verantwortlich machen, wirft Pleitgen ihm vor, dabei führe doch nur eine politische Lösung zum Ziel. Den US-Schlag könne man lange analysieren, aber eine Strategie hinter dem einzelnen „Schuss“ erkenne er nicht.
SOS-Kinderdorf-Koordinatorin Katharina Ebel ist aus Syrien gekommen und berichtet von Kindern, die im Krieg aufwachsen. Die Syrer in den Lagern, sagt sie, stumpfen gegenüber dem täglichen Wahnsinn ab. Ihre Kollegen, die täglich versuchen, Kinder aus ihren Erlebnissen rauszuholen, sagt Ebel, sind selbst an der Grenze. Das Gespräch zwischen Plasberg und Ebel ist nicht in Worte zu fassen.
Ob Assad überhaupt noch an der Macht ist, will Plasberg von Helberg wissen. Assad sagt sie, ist abhängig von den schiitischen Söldnern, die der Iran weltweit als Dschihad organisiert, neben Assad habe sich lokale Kriegsherrn eingerichtet, die am Schmuggel von Menschen, Waffen und Öl sehr gut verdienen. Von ihnen ist Assad abhängig, von seinen Generälen und von der russischen Luftwaffe. Putin weiß das alles und könnte den Konflikt verlassen, weil er alles erreicht hat, was er wollte. Gute Voraussetzungen für Verhandlungen, fragt Plasberg. Nicht wirklich, antwortet Helberg, weil es nicht um die Person Assad geht, sondern um das System der institutionalisierten Gewalt dahinter mit unter anderem 17 Geheimdiensten.
Wie Frank Plasberg das gestern machte, fand ich gut. Wirklich mehr wissen wir danach nicht, vielleicht verstehen wir Nuancen besser. Aber das Buch von Frau Helberg über Syrien muss ich wohl lesen.