Tichys Einblick
Trump, Orbán, Meloni

Hart aber Fair: Populismus ist, wenn rechts

Frank Plasberg widmet Hart aber Fair dem Thema Populismus. Beim Zuschauer entsteht der Eindruck: Populismus, das gibt es in Deutschland nicht. Niemals würden die Parteien seines Parteienstaats an schädlichen Positionen festhalten!

Screenprint ARD / Hart aber Fair

In der letzten Woche konnten treue Zuschauer der ARD bewundern, wie die Familie und Familienfreunde der Moderatorin Jessy Wellmer leben und ticken. Schöne Bilder waren es: im Garten, am Bootsanleger. Es ging um den Osten, und wie die Ossis so ticken.

Diese Woche in der Sendung mit dem Titel „Unter Feinden: Spaltet der Populismus die Demokratien“ ist Ingo Zamperoni dran, seine Familie vor die Kamera zu ziehen. Also nicht die eigene, sondern die seiner Frau. Anhand der Mitglieder dieser Familie – Schwiegervater, neue Frau des Schwiegervaters, Schwiegermutter, neuer Mann der Schwiegermutter – sollen die zerrissenen Staaten von Amerika porträtiert werden. Wem das bekannt vorkommt: Diese Dokumentation hat Zamperoni schon einmal gedreht, vor zwei Jahren. Das war noch vor der Präsidentschaftswahl dort. Bevor Biden gewann und Trump sich als schlechter Verlierer entpuppte.

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Einige interessante Themen und bedrückende Bilder wurden schon aufgegriffen. Die stammen aber dann nicht von den Familienmitgliedern Zamperonis. Man fragt sich wirklich, warum man ihm einen Familienurlaub mit Kamerateam bezahlen musste. Wenn da nicht eine Sequenz in der Mitte wäre: in der ein Sheriff einer Gemeinde an der US-Mexikanischen Grenze Zamperoni an einen Kühlcontainer führt. Der Sheriff warnt ihn: „Das könnte streng riechen.“ Im Container, da stapeln sich die schwarzen Leichensäcke. Der neueste vom Vortag liegt auf dem Boden, weil im Regal und auf Tischen trotz Stapeln kein Platz ist. Es sind illegale Migranten, die von Schleppern an die Grenze geführt und dann in die Wüste geschickt wurden. Sie verirrten sich, verdursteten.
Abschreckung oder die Bitte fernzubleiben?

Der Sheriff meint, dass Trumps harte Migrationspolitik viele Tote verhindert hat. Seit Biden Präsident ist, hat sich die Zahl der gefundenen Toten vervielfacht, weil sich die Zahl der Migranten vervielfacht hat. Bedrückende Bilder, die für das Sterben an der Grenze der USA – aber auch im Mittelmeer stehen. Wie setzt man dem ein Ende?

Fernab allen Populismus ist dies die Frage, die einen wirklich beschäftigt, während bei Plasberg über Populismus diskutiert wird. Ingo Zamperoni ist also mit von der Partie, er muss in dieser Talkshow gleich zweimal als Landesversteher auftreten: für Italien, aus dem seine Familie stammt, und für die USA, in die er eingeheiratet hat. Bei letzterer Aufgabe hat er zum Glück Hilfe von Matthew Karnitschnig. Der ist Arizona-Österreicher und Chef des Deutschlandbüros der amerikanischen Zeitung „Politico“.

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Um die Journalistenrunde abzurunden, ist noch Susanne Gaschke von der NZZ da. Somit sind – mit Frank Plasberg – gleich vier Journalisten in der Talkshow vertreten. Als Welterklärer dabei ist Aladin El-Mafaalani, Professor für Migrationsforschung und interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück, und Norbert Röttgen, zweifach gescheiterter Anwärter auf den Posten des CDU-Vorsitzenden.

Populismus müsste eigentlich ein mitreißendes Thema sein. Denn der Populismus zeichnet sich durch sein Mitreißen der Massen aus: Peitsch sie auf, heiz ihnen ein und präsentiere die einfache Lösung! Dann werden die Massen dich in Amt und Würden tragen, ist die Logik des Populismus. Wenn der wütende Mob dich nicht auf dem Marktplatz zerfetzt.

Doch Frank Plasberg schafft es, auch dieses Thema langweilig zu gestalten. Der ewige gleiche Blick auf Italien, USA und Schweden und auf Erdogan, Orbán, Trump, Meloni. Die ewigen gleichen Argumente: Die Populisten wollen leichte Antworten auf komplexe Probleme.

Gibt es auch linken Populismus in der Welt?

Man merkt kaum: In der Liste der Populisten und Nationen fehlen Brasilien und Lula da Silva. Das ist der Linkspopulist, der am Montag den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro in der brasilianischen Präsidentschaftswahl knapp besiegt hat.

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Der Soziologe El-Mafaalani klärt auf: Populismus kommt, wenn sich Länder mit einer ungewissen Gegenwart und schlimmen Zukunft konfrontiert sehen. Dann wünschen sich die Menschen „die gute alte Zeit“ zurück. Der Grund für die Schwäche des Populismus sei in Deutschland, dass man sich in der AfD nicht einigen kann: Was ist „die gute alte Zeit“? Ist es die DDR? Ist es die Ära Adenauer? Oder doch Deutschland ab 1936?

Ein interessanter Gedanke, einer der wenigen in der Sendung. Der aber außen vorlässt: Es gibt natürlich einen starken Populismus in Deutschland. Das versucht Susanne Gaschke auszudrücken, jedenfalls scheint es so. Sie ringt mit den richtigen Worten. Warum beschäftigen wir uns mit Themen wie Gendern, Cannabis-Legalisierung? Warum veranstaltet die Ampel „Gesellschafts- und Identitätspolitische Festspiele“, wenn 20 Prozent der Grundschüler nicht richtig lesen, schreiben oder zuhören können?

Es ist die nicht formulierte Frage, die Gaschke in den Raum stellt: Haben wir nicht in Deutschland einen Populismus? Nur dass er nicht zu sehen ist in Migrations-Ablehnung, sondern der absoluten Förderung derselben? Dass Klimathemen jede andere politische Diskussion und jedes politische Handeln beherrschen? Eine Moralisierung von Standpunkten und Kleinigkeiten wie in den USA ist auch in Deutschland zu beobachten: Wie schnell fährt man Auto, in welchem Geschäft wird eingekauft, welche Zeitung gelesen?

Deutschland: Auch hier gibt es Populisten

Ist es nicht Populismus, wie die Grünen bar jeder Rationalität die Atomkraft verteufeln, um ihrer eigenen Basis Genüge zu tun? Das mag sich der Zuschauer fragen, die Talkgäste fragen sich das nicht.

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Karnitschnig identifiziert die Probleme in den USA in einer Identitätsfrage: Ist die Geschichte der USA die Geschichte der Aufklärung, der Unabhängigkeit und von Gründervätern wie George Washington? Oder ist sie die Geschichte der Unterdrückung von Minderheiten durch tyrannische Sklavenhalter? Aus seiner Sicht als Amerikaner relevant, aber schwer zu übertragen auf Schweden, Italien; Plasbergs liebste Populismus-Problemkinder.

Gaschke ist es, die in der Sendung immer wieder mit den deutschen Problemen anfängt: Infrastruktur, Bahn, Auto, Flugzeug. Bildung und Migration sind alles wichtige Themen, die in Deutschland nicht gelöst werden, nicht angegangen werden. Stattdessen wird über Gender und Personenstandsänderungsrecht diskutiert. Ist das nicht Populismus, das Übertünchen von echten Problemen mit Scheinthemen?

Die Sendung liefert darauf keine Antwort, weicht dem aus, dank Norbert Röttgen.

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Musk und Meloni räumen auf
Denn Norbert Röttgen stellt sich in der Sendung als Transminister heraus. Also nicht, weil ihm das Thema Transsexualität am Herzen liegt. Sondern weil Röttgen eigentlich ein Ampel-Minister ist, gefangen im Körper eines Oppositionspolitikers. Wenn man ihm zuhört, gibt es keine Probleme in diesem Land. Um es mit seinen Worten zu sagen: „Wir sind ein starkes, tolles Land und wir könnten noch viel besser sein.“ Kritik kann er nicht an der Ampel äußern: Das schöne Spiel mit dem Populismusvorwurf hat ihm das Wort geraubt, denn das wäre ja Populismus.

Das Thema der Toten an den Grenzen, von Flucht und Migration wird nur kurz in der Sendung aufgegriffen. Dabei eignet es sich gut für populistische Thesen: „Grenzen töten“ und „No Border, No Nation“ sind schließlich Lieblings-Schlachtrufe Linksextremer.

Bedrückt räumen Zamperoni und Karnitschnig ein: Es scheint einen Grund zu geben, warum unter Biden mehr Menschen illegal die Grenze überschreiten als unter Trump. Und mehr Menschen sterben. Die harte Rhetorik des einen war abschreckender als die freundliche Bitte des anderen, doch bitte nicht zu kommen. Doch Grenzschutz ist ein schwieriges Thema, über das in Deutschland ungern gesprochen wird. Ist das Auslassen unangenehmer Themen nicht auch Populismus?

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