In der letzten Woche konnten treue Zuschauer der ARD bewundern, wie die Familie und Familienfreunde der Moderatorin Jessy Wellmer leben und ticken. Schöne Bilder waren es: im Garten, am Bootsanleger. Es ging um den Osten, und wie die Ossis so ticken.
Diese Woche in der Sendung mit dem Titel „Unter Feinden: Spaltet der Populismus die Demokratien“ ist Ingo Zamperoni dran, seine Familie vor die Kamera zu ziehen. Also nicht die eigene, sondern die seiner Frau. Anhand der Mitglieder dieser Familie – Schwiegervater, neue Frau des Schwiegervaters, Schwiegermutter, neuer Mann der Schwiegermutter – sollen die zerrissenen Staaten von Amerika porträtiert werden. Wem das bekannt vorkommt: Diese Dokumentation hat Zamperoni schon einmal gedreht, vor zwei Jahren. Das war noch vor der Präsidentschaftswahl dort. Bevor Biden gewann und Trump sich als schlechter Verlierer entpuppte.
Abschreckung oder die Bitte fernzubleiben?
Der Sheriff meint, dass Trumps harte Migrationspolitik viele Tote verhindert hat. Seit Biden Präsident ist, hat sich die Zahl der gefundenen Toten vervielfacht, weil sich die Zahl der Migranten vervielfacht hat. Bedrückende Bilder, die für das Sterben an der Grenze der USA – aber auch im Mittelmeer stehen. Wie setzt man dem ein Ende?
Fernab allen Populismus ist dies die Frage, die einen wirklich beschäftigt, während bei Plasberg über Populismus diskutiert wird. Ingo Zamperoni ist also mit von der Partie, er muss in dieser Talkshow gleich zweimal als Landesversteher auftreten: für Italien, aus dem seine Familie stammt, und für die USA, in die er eingeheiratet hat. Bei letzterer Aufgabe hat er zum Glück Hilfe von Matthew Karnitschnig. Der ist Arizona-Österreicher und Chef des Deutschlandbüros der amerikanischen Zeitung „Politico“.
Populismus müsste eigentlich ein mitreißendes Thema sein. Denn der Populismus zeichnet sich durch sein Mitreißen der Massen aus: Peitsch sie auf, heiz ihnen ein und präsentiere die einfache Lösung! Dann werden die Massen dich in Amt und Würden tragen, ist die Logik des Populismus. Wenn der wütende Mob dich nicht auf dem Marktplatz zerfetzt.
Doch Frank Plasberg schafft es, auch dieses Thema langweilig zu gestalten. Der ewige gleiche Blick auf Italien, USA und Schweden und auf Erdogan, Orbán, Trump, Meloni. Die ewigen gleichen Argumente: Die Populisten wollen leichte Antworten auf komplexe Probleme.
Gibt es auch linken Populismus in der Welt?
Man merkt kaum: In der Liste der Populisten und Nationen fehlen Brasilien und Lula da Silva. Das ist der Linkspopulist, der am Montag den Rechtspopulisten Jair Bolsonaro in der brasilianischen Präsidentschaftswahl knapp besiegt hat.
Ein interessanter Gedanke, einer der wenigen in der Sendung. Der aber außen vorlässt: Es gibt natürlich einen starken Populismus in Deutschland. Das versucht Susanne Gaschke auszudrücken, jedenfalls scheint es so. Sie ringt mit den richtigen Worten. Warum beschäftigen wir uns mit Themen wie Gendern, Cannabis-Legalisierung? Warum veranstaltet die Ampel „Gesellschafts- und Identitätspolitische Festspiele“, wenn 20 Prozent der Grundschüler nicht richtig lesen, schreiben oder zuhören können?
Es ist die nicht formulierte Frage, die Gaschke in den Raum stellt: Haben wir nicht in Deutschland einen Populismus? Nur dass er nicht zu sehen ist in Migrations-Ablehnung, sondern der absoluten Förderung derselben? Dass Klimathemen jede andere politische Diskussion und jedes politische Handeln beherrschen? Eine Moralisierung von Standpunkten und Kleinigkeiten wie in den USA ist auch in Deutschland zu beobachten: Wie schnell fährt man Auto, in welchem Geschäft wird eingekauft, welche Zeitung gelesen?
Deutschland: Auch hier gibt es Populisten
Ist es nicht Populismus, wie die Grünen bar jeder Rationalität die Atomkraft verteufeln, um ihrer eigenen Basis Genüge zu tun? Das mag sich der Zuschauer fragen, die Talkgäste fragen sich das nicht.
Gaschke ist es, die in der Sendung immer wieder mit den deutschen Problemen anfängt: Infrastruktur, Bahn, Auto, Flugzeug. Bildung und Migration sind alles wichtige Themen, die in Deutschland nicht gelöst werden, nicht angegangen werden. Stattdessen wird über Gender und Personenstandsänderungsrecht diskutiert. Ist das nicht Populismus, das Übertünchen von echten Problemen mit Scheinthemen?
Die Sendung liefert darauf keine Antwort, weicht dem aus, dank Norbert Röttgen.
Das Thema der Toten an den Grenzen, von Flucht und Migration wird nur kurz in der Sendung aufgegriffen. Dabei eignet es sich gut für populistische Thesen: „Grenzen töten“ und „No Border, No Nation“ sind schließlich Lieblings-Schlachtrufe Linksextremer.
Bedrückt räumen Zamperoni und Karnitschnig ein: Es scheint einen Grund zu geben, warum unter Biden mehr Menschen illegal die Grenze überschreiten als unter Trump. Und mehr Menschen sterben. Die harte Rhetorik des einen war abschreckender als die freundliche Bitte des anderen, doch bitte nicht zu kommen. Doch Grenzschutz ist ein schwieriges Thema, über das in Deutschland ungern gesprochen wird. Ist das Auslassen unangenehmer Themen nicht auch Populismus?