Mama, wenn ich groß bin, will ich auch ARD-Moderator werden! Man muss schon sagen, Louis Klamroth lebt kein schlechtes Leben. In der Zeit, in der ich mich noch durch’s Sommersemester quäle, geht er jetzt schon das dritte Mal in irgendeine Pause. Kaum ist er drei Wochen aus den Pfingstferien zurück, verabschiedet er sich schon bis August in die Sommerferien.
Mit einem Bein auf Malle steht er uns für diese Woche aber noch treu zur Verfügung, um mit seiner Schar an verdutzten Gästen einzuordnen, was wir da am Wochenende alle komisches gewählt haben. „Sommer der Wahrheit – Was hält die Ampel noch zusammen?“, ist der Titel der Sendung, „Kommen jetzt Neuwahlen?“, ist eine der Leitfragen.
Die Richtung ist der Sendung ist, wenn man etwas drüber nachdenkt, schon ziemlich geschickt gelenkt. Der Elefant im Raum ist nach dieser Wahl sehr eindeutig. Nicht nur in Deutschland, sondern in sehr vielen Ländern der EU.
Ich erinnere mich dunkel an eine Illner-Sendung, in der eine Juli Zeh anführte, man brauche doch gar nicht so viel über die AfD sprechen, denn mit Blick auf die Umfrageergebnisse hätten die doch eh lange ihren Zenit überschritten und würden stetig an Relevanz verlieren.
Tja, wenn man jetzt einen Elefanten im Studio sitzen hätte, könnte man ihn nicht in die Irrelevanz quatschen und klatschen. Stattdessen müsste man sich der Frage stellen, warum die ehemalige Wählerschaft denn plötzlich zu seiner Wasserquelle abgewandert sind.
Niedecken ist seines Zeichens angeblich Sänger und Gründer der Band BAP, ich persönlich weiß davon nix und sehe den Mann zum ersten Mal, obwohl Wikipedia seine Kuschelrockband als eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Rockbands bezeichnet.
Der Rock-Opa aus alten Zeiten hat den Schuss noch nicht ganz gehört, könnte altersbedingt sein. Die wenigen Male die er was sagt, redet er jedenfalls davon, dass es jetzt für die junge Generation endlich mehr Klimaschutz bräuchte. Der Blick auf die Wahlergebnisse bei den unter 16 Jährigen scheiterte dabei wohl an der verlegten Lesebrille.
Immer wenn die Richterin und Autorin Juli Zeh in einer politischen Sendung ist, legt man besonders auch im bürgerlichen Lager sehr viel Hoffnung auf sie als die Stimme der Vernunft. Und ja, sie sagt sehr oft sehr erfrischend vernünftige Dinge. Doch oft spielt auch sehr viel Wunschdenken mit. Denn vergessen sollte man nicht: Juli Zeh ist SPD-Mitglied. Und das nicht, weil sie die Altparteien alle so unwählbar findet.
Als Parteimitglied der SPD ist natürlich auch für Frau Zeh ein herber Schlag, wenn die SPD in den EU-Wahlen so absackt – und wenn eine SPD-Kanzlerschaft durch Neuwahlen oder Vertrauensfragen gefährdet werden könnte. Und diesen Unmut lässt Juli Zeh an diesem Abend besonders in Richtung Serap Güler aus, die sie mit bissigen Bemerkungen für den Wahlsieg ihrer Partei und die damit verbundene Hochstimmung abstraft.
Besonders klare Worte findet sie, wenn es um eine der Leitfragen der Sendung geht, die nach Neuwahlen. Eine Forderung, die auch von Seiten der CDU kam. Dazu sagt Juli Zeh: „Wir müssen wissen, dass wir in einem Teufelskreis sind. Je mehr solche Hybriden wir haben, desto dysfunktionaler wirkt Politik, desto leichter ist es für die AfD zu sagen: ‚Guckt mal, die kriegen nichts auf die Kette.‘“ Mit Hybriden meint sie dabei Koalitionen wie die Ampel, bei denen zu unterschiedliche Parteien zusammenarbeiten müssen, obwohl sie nicht zueinander passen.
Sie wählt Neuwahlen also vor allem ab, weil die AfD darin zu stark werden könnte – und rechnet im Umkehrschluss bereits damit, dass die SPD das Rennen nicht mehr so glimpflich machen wird wie beim letzten Mal. „Und das ist der Teufelskreis, wir werden das auf Landesebene sehen und wir werden das, wenn wir Pech haben, auch auf Bundesebene sehen. Und weil das so ist, ist die Idee, jetzt ne Vertrauensfrage zu stellen und Neuwahlen zu machen, geisteskrank. Das ist brandgefährlich.“ Bei dem Schlagwort „geisteskrank“ schaut Julie Zeh wieder zu Serap Güler. Ob man so das alte Wählerpotential wieder auf seine Seite bekommt?
Den Rest der Sendung möchte ich für Sie möglichst kurz fassen. Das Format Hart aber Fair hat sich schon vor Klamroths Zeiten als besonders bürgernahe Talkshow verkauft. Noch immer mit Publikum, früher mit vorgelesenen Meinungen aus der Zuschauerschaft, gerne mit Reportagen nah am Volk. Diese Tradition versucht auch Louis Klamroth auf seine Art zu erhalten. Diese Woche war er mit dem LKW-Fahrer Jan auf der Autobahn, um mit ihm über die wahren Probleme im Land zu sprechen.
Ich könnte nun viel zu dem Verhalten der anwesenden Politiker ausführen, die plötzlich mit einem echten durchschnittlichen Bürger konfrontiert wurden. Kuhle bewies eindrücklich innerhalb weniger Minuten, weshalb die FDP immer noch als Partei für Zahnärzte und Anwälte angesehen wird – wenn ein LKW-Fahrer sich über die schlechte wirtschaftliche Lage aufregt und dann kritisiert dass die Bundestagsabgeordneten sich die Diäten erhöht haben, sollte man vielleicht nicht vorwurfsvoll darauf hinweisen, dass die Diäten ja zu Corona gesenkt wurden und da ja nie jemand drüber spricht.
Türmer schwang sich daraufhin zum Repräsentant der Arbeiterklasse auf. Als jemand, der mit vollem Namen Philipp Ganolf Balthasar Türmer heißt und das Kind eines hochrangigen Beamten und einer Oberstaatsanwältin ist, wenig glaubwürdig, doch der Applaus war ihm sicher.
Kaddor bewies daraufhin, dass sie konfrontiert mit Arbeitenden, die unter der schlechten Wirtschaft zu leiden haben, absolut nicht umgehen kann – denn alles war ihr erstmal einfiel, war über Kindergrundsicherung und Sozialpolitik zu sprechen, als wäre der ihr vorgesetzte LKW-Fahrer ein Sozialhilfeempfänger.
Wer wissen will, weshalb die Wahlergebnisse am Wochenende so ausgefallen sind, wie sie es sind, der bekommt in dieser Sendung seine Antwort. Aber weniger in den Inhalten, die diskutiert wurden, sondern vielmehr wie diskutiert wurde.
Dazu gehört ganz besonders die Tatsache, dass man in dieser Sendung endlich (zwei Wochen später) über Mannheim sprach – allerdings in der letzten Viertelstunde auf den letzten Drücker noch reingeschoben. Der Name des ermordeten Polizisten Rouven Laur fiel kein einziges Mal. Schon gar nicht der von Stürzenberger.
Wer von dem Attentat nichts mitbekommen hat, könnte meinen, dass es sich hierbei um einen weiteren Partylied-Skandal handeln könnte, denn von Opfern wurde eigentlich überhaupt nicht gesprochen. Nur anonymisiert von „Mannheim“.
Doch fast noch schlimmer war, mit wem man darüber gesprochen hat: Für diesen letzten Drücker hat Klamroth sich noch Meran Feroz ins Studio geholt. Ausgerechnet wenige Tage, nachdem man aus Israel erfährt, dass ein Al Jazeera-Journalist in die Geiselnahme der verschleppten Israelis involviert gewesen sein soll, hat Klamroth einen Al Jazeera-Journalisten im Studio zu sitzen. Was soll man dazu noch sagen?