Tichys Einblick
Die gerupfte Kanzlerin

hart aber fair – mit Sekt oder Selters

Wer ist verantwortlich für das Wahlergebnis? AfD stärkste Partei in Sachsen, vor der CDU, wer wollte sich das vorgestern vorstellen? 12 % in Bayern, dem Heimatland der Obergrenze. Die Laune bei Plasbergs Gästen war aufgekratzt, die Meinungen kunterbunt.

Screenshot ARD

„Die alte Gewissheit ist gekippt“, mit dieser Knallerbse von Sentenz begann Plasberg hart aber fair und zog sofort einen kleinen Gag aus dem Ärmel. Er ließ ein paar Bürger in Berlin Reinickendorf aus ihren Häusern klingeln und mit der Frage: Sekt oder Selters die Stimmung testen nach dem gestrigen Wahlausgang. Die meisten votierten für klaren Kopf, also Selters. Nur der Briefträger wollte lieber feiern, obwohl die AfD nach seinem Gusto hätte noch viel besser abschneiden sollen.

Dann eröffnete Nikolaus Brender, der einst rüde geschasste Chefredakteur des ZDF, den Meinungsreigen und zeigte sich etwas baff, dass Frau Merkel auch nach ihrer krachenden Niederlage wieder nur feststellen konnte, es bestehe „kein Grund etwas zu ändern“. Also nur weiter so? Dabei sei das desaströse Ergebnis doch ein deutliches Signal an CDU und SPD gewesen, dass der Spuk ein Ende haben müsse: CDU/CSU/SPD hätten sich vier Jahre wie eine Einheitspartei geriert – die Anspielung auf die SED war zaunpfahlmäßig – hart aber fair : Sie hätten ein ganz ungesundes Klima erzeugt, aus dem letztlich die AfD erfolgreich hervorgegangen sei.

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So pauschal kann das die junge Frau Bär von der CSU nicht durchgehen lassen, die ihre Sprüchlein immer so schulmäßig herunter betete, als hätte sie alles davor für hart aber fair haarklein und brav auswendig gelernt. Das sei sicher „ein bitterer Abend für die CSU“ gewesen, 10 Prozent der Wähler an die AfD verloren zu haben, aber das könne die 12 erfolgreichen Jahre der großen Regierungskoalition trotzdem nicht, ja was jetzt? – also sie selbst habe immerhin 51% für ihr Direktmandat erringen können und die traurige Misere habe eben auch sein Gutes, denn „ wir haben verstanden.“ Was haben sie verstanden, hakte Plasberg sofort ein, ja sagte sie, wir müssen im Zukunft „deutlicher kommunizieren. Nicht nur Wischwaschi reden“, – das klang ganz unverhofft wie Selbstkritik, aber, nein, sondern wir müssen klare Themen setzen: Rente, Digitalisierung, diese sei sogar ihr Hauptanliegen. Sozusagen Pflichtfach.

Politik-Professor Patzelt, ein Bayer ursprünglich, jetzt aber mit Lehrstuhl in Dresden zuhause, will dem fleißigen Lieschen nichts kritisch Böses, sondern steuert noch einmal zu Frau Merkel zurück. Natürlich habe sie einen großen Anteil an der Niederlage zu verantworten, sie habe ganz zentrale Fehler begangen, das Problem der Zuwanderung, das die Leute verstörte, völlig verkannt und unterschätzt und von Anfang an völlig falsch auf Pegida und die AfD reagiert – hart aber fair.

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Das ist dem grünen Habeck aus dem Norden zu platt, zu monokausal, so werde man der Analyse des gesellschaftlichen Problems nicht gerecht, der „Rechtspopulismus“ gründe in einer „kulturellen Gesellschaftsfrage“. Die Leute fühlten sich nicht nur sozial, sondern vor allem  kulturell abgehängt, ja entfremdet, da müsse man schon eine tiefere Analyse vornehmen … wie tief war natürlich jetzt spontan ganz schwer zu sagen. Graf Lambsdorff, der Jüngere, stimmte seinem grünen Nachbarn zu und beklagte, dass die FDP, die jedes Mal, wenn sie  zu einer differenzierteren Kritik der Flüchtlingsfrage ansetzen wollte, sofort von den Medien in Richtung AfD geschoben wurde, sodass sie an der Kritik regelrecht gehindert wurde …

Frau Barley, die frühere SPD-Generalsekretärin, die später als Familienministerin für Frau Schwesig einsprang, kam deshalb noch einmal auf das missglückte Fernsehduell zurück. Da hatte Plasberg etwas dagegen, denn die Medienkritik hatte er bei hart aber fair für später eingeplant und außerdem wollte er seine Gäste nun auffordern, doch nach vorne zu gucken. Tja, aber wo war wieder vorne? Jamaika, wo liegt Jamaika? Habeck solle dazu doch was meinen, er habe ja schließlich Erfahrungen damit.

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Doch der Grüne zeigte sich skeptisch, sein regionales Modell könne er nicht auf den Bund übertragen, wo sich jetzt auch noch abzeichne, dass Seehofer seine CSU klar nach rechts verschieben wolle. Jetzt folgte passgenau getimt der bekannte Einspieler mit Seehofer und seinem Vakuum rechts von ihm, das er nun schließen will. Dazu seine klare Kante der Aussage: „Deutschland muss Deutschland bleiben“. Solche Message lässt Habeck natürlich frösteln und naja, er sehe das doch als unrealistisch mit Jamaika und so. Und da man in der ARD immer noch an den alten Formeln der Objektivität festhält, kam jetzt der Kontrast, der Einspieler mit Jürgen Trittin. Der grüne Hardliner setzt wie Seehofer auf harten Kanten und stellte Forderungen an die anderen, wie sie zu sein hätten, sollte das Jamaikaexperiment glücken. Die FDP müsste ökologischer, die CSU viel liberaler werden undsoweiter, wenn die Grünen dabei ihre Identität wahren wollen.

Au weh, da fällt Plasberg gleich wieder ein Gag ein. „Die CSU legitimiert das Kiffen und die Grünen akzeptieren dafür die Obergrenze“. Hihi? Nein. Das ist dem Professor Patzelt zu albern, „es wird schon gehen“, mahnt er. Es muss gehen, in der Demokratie muss es Kompromisse geben, und, sagt Frau Bär, „die Leute erwarten Inhalte“. Auch Lambsdorff kommt auf den tiefen Ernst zurück, mit dem die gewiss sehr harten Gespräche geführt werden müssen. Naja, aber das wird an die Prinzipien der Parteien gehen, unkt Habeck wieder dagegen.

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Brender, der Medienprofi, vermittelt, denn bitteschön, die haben jetzt ja die Erfahrung mit Merkel auch kapiert, sodass sich weder die FDP noch die Grünen dieses Mal wie die SPD einfach unterbuttern lassen werden. Apropos Butter, die musst jetzt wieder bei de Fische, Frau Büscher hat wieder Bürgers Meinung für hart aber fair aus dem Netz gefischt,  passende Meinungen zum Diskurs, wie er eben so dahin wankte  bisher. Brave gediegene Warnungen vor den Gefahren von rechts, Genugtuung, Bestätigungen der Erlebnisse Frau Bärs an den Wahlständen in den fränkischen Fußgängerzonen. Viele Bürger sagten ihr,was sie jetzt auch an Frau Büscher mailten, „wir möchten, dass es euch Politiker jetzt richtig schlecht geht, damit ihr uns endlich zuhört.“

Frau Bär will zuhören jetzt und die abtrünnigen Bürger vom rechten Rand wieder zurück in die CSU homelands führen. Eines der mailings an hart aber fair fiel etwas krasser aus, da meinte ein Bürger, dass es früher zum Anstand gehörte, dass, wenn jemand  so krachend versagte wie Frau Merkel, dann auch zurücktrat. Wie gesagt früher. Die Meinung verpuffte, denn jetzt war das Thema Medienkritik endlich dran.

Vor der Wahl
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Der Einspieler des bayrischen Innenministers Hermann, der den öffentlich-rechtlichen Medien den kantigen Vorwurf machte, sie hätten die AfD groß und größer gemacht. Das kann Brender nicht so stehen lassen, vielleicht machten die Medien wie die Politik auch Fehler, aber letztlich suchten die Medien immer einen Weg, wie mit solchen Parteien wie der AfD, (früher zu seiner Zeit mit den Republikanern,) umzugehen sei.

Nein, das war der Frau Barley zu schönfärberisch, sie hat nachgeschaut. Im Jahre 2016 gab es 141 Talkshows, 51 Prozent davon zu Flüchtlingen, Islam immer dasselbe auf Kosten der Themen Rente, Gesundheit, Bildung, damit könne man eben keine Riesenquoten erzielen. Oh nein, nicht jetzt noch das Quotenfass aufmachen. Habeck widerspricht ein letztes Mal, das sei schon ok, schließlich interessierten sich die Leute eben für das Flüchtlingsthema und die Asylantenfragen. Er kritisiere da WIE, das ihm oft nicht gefalle, das Wie, wie die Sendungen gemacht werden, das sei oft falsch. Plasberg kommt jetzt in Zeitnot, schnell noch die Schlussfrage an die Wähler, die Prof. Patzelt mit einer Pointe bedient. Der Wähler sollte sich seine politische  Stimm-Entscheidung doch künftig wenigstens so gut überlegen wie den Kauf seines Autos – hart aber fair.

Wim Setzer ist Kunstkritiker und Journalist.

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