So stellt man sich einen Stammtisch vor, wenn der Zustand schon den der lästigen Ernüchterung überwunden hat. Alle reden durcheinander, die Themen springen, die Aussagen verrutschen zwischen Satzanfang und versammeltem, Ende, von der linken Ecke grölt der alte Pöbel-Oskar rein, der zum tausendsten mal seine abgelutschten Jugendabenteuer jedem aufdrängt, der sie nicht hören will. Selbst der Gastwirt ist untrennbarer Teil der Wirrnis und bringt nicht einmal mehr die Schlussrechnung zusammen.
„Arm durch Arbeit, reich durch Immobilien“. Irgendein Grund genannt, warum Immobilienpreise steigen? Christoph Gröner, Immobilienentwickler, der angeblich „keinen Euro auf dem Konto“ hat, weil er ständig alles investiert, gibt die einzige vernünftige Passage des Abends von sich: Wenn alles in die Innenstädte strömt, steigen dort die Preise. Ansonsten gibt er sich angepaßt, gegen Ende zum Lafontaine-Verehrer. Kampfesmut reicht nicht sehr weit.
Mobilität und urbane Preise hängen zusammen
Aber natürlich erklärt sich so immer noch nicht, warum alles in die Innenstädte strömt: Weil Mobilität dramatisch verteuert wurde, Parkplätze in der Nähe der Arbeit nicht mehr vorhanden sind und das flache Land verödet – wobei dort die Mieten niedrig bleiben. Die Preise fallen mit jeder S-Bahnminute, und außerhalb der S-Bahn-Linien weiterhin. Vielleicht sind niedrige Preise die Chance der Provinz, auch noch ein paar Menschen für sich interessieren zu können?
Unausgesprochen hat der Staat riesige mobile Wohnheime zur Verfügung zu stellen, die dem Treck vorausfahren. Das Versagen von Bau-Politik und angeblicher Raumplanung, die Unfähigkeit die Konsequenzen von millionenfacher Zuwanderung aus Osteuropa und Afrika als Tatsache zu akzeptieren, steigende Nachfrage weil menschenwürdiges Wohnen erst ab 40 Quadratmeter für jeden Studenten anfängt – kein Wort davon. Alle sind Opfer, die Politik sowieso, die wie Hubertus Heil mit Mietpreisbremsen herumfuhrwerkt, weil sie es nicht schafft, die Betonflächen des Tempelhofer Flughafens in Berlin zu bebauen.
Nicht bauen, aber jammern
Wär‘ ja möglich. Wär ja sogar ökologisch, Beton durch lockere Wohnbebauung zu ersetzen. Macht man aber nicht, weil dieser Staat auch keinen neuen Flughafen bauen kann, aber weiß, wie es besser geht. Aber weil er so unendlich unfähig ist, ist zwar endlich das Modell des urbanen Lebens da, das sich Sozis und Grüne immer so vorgestellt haben statt Landschaftsverbrauch, aber innenstädtischer Wohnraum halt nicht beliebig vermehrbar ist, schon gar nicht kurzfristig.
Zuwanderung, Bauverteuerungspolitik, Niedringszinspolitik, die Container Geld in die Immobilienmärkte schüttet und sich dann wundert, dass es sich Anlage sucht? Pustekuchen. So bleibt es beim jammernden Aufschrei, weil für Neueinsteiger die Mieten unerschwinglich sind; selbst bauen galt ja lange als Kombination von spießig und ökologisch bösartig wegen Flächenverbrauch. Aber selbst das Mindestmaß an Analyse jenseits von Wahlkampfaufregung blieb aus.
Da kann dann Oskar Lafontaine seine Uraltplatte aus der marxistischen Grundschule abspielen. Die hakt und springt zwar, wie das in der guten alten Analogzeit so geschehen konnte, aber immerhin: „Unternehmer enteignen die Belegschaft“, insbesondere die Familie Quandt bei BMW. Wunderbar. Den Primitiv-Marxismus hat man so schön schon lange nicht mehr gehört. Enteignen Staatsunternehmen ihre Arbeiter nicht auch? Oder ist Enteignung dann irgendwie besser?
Opa Lafontaine erzählt vom Krieg
Immer wieder wiederholt – Lafontaine leiert wie Opa, der vom Krieg erzählt, denn er zum Glück für die gesamte Welt nicht gewonnen hat: „Könige bauen keine Schlösser“. Es ist der Märchen-Lafo aus dem Marxismus-Land, in dem Milch und Honig fließen. Im Politbüro, Ruinen für den Rest. Ist der halbe Staatskonzern VW nicht das Musterbeispiel für einen Laden, der den Trabbi-Kurs fährt? Die Bahn das gelungene Beispiel für Staatskapitalismus? Für Lafontaine gibt es nur einen Ausweg, die Totalverstaatlichung, schließlich könnten dann Leute wie er endlich die totale Macht ausüben und jedenfalls für sich jene hübschen Autos importieren, die ihnen so gefallen; Erich Honecker war bekanntlich Citroen-Fan und das Politbüro drängte mit schweren Volvos die Trabis in die Gosse.
Aber bittere Wirklichkeit ist in den Kriegserzählungen nicht vorgesehen. Bei Lafontaine geht es um die eigene Heldengeschichte, die nur Versagensgröße hat. Was bleibt vom Marxismus-Opa außer seinen Sprüchen?
Plötzlich geht es nicht mehr staatlich gewollt steigende Energiepreise, um die Folgen einer Hochsteuerpolitik, die jedem halbwegs verdienenden Erwerbstätigen die Hälfte abknöpft und sich dann wundert, dass Sparen zur Unmöglichkeit wird – schon gar, ein eigenes Haus zu bauen: Plötzlich sitzt der Kapitalismus auf der Anklagebank, nicht eine komplette Versagerpolitik, die Folgen ihres Handelns ausblendet. So sollen die Reste der noch funktionierenden Wirtschaft kollektiviert werden; über allem schwebt wie ein Heiliger Kevin Kühnert mit einem fragwürdigen Interview, der sich eine DDR herbeiwünscht und ein „Kollektiv, das das leben der Menschen bestimmt“.
Ist der Satz in seiner schönen Schlichtheit und Brutalität schon hinterfragt worden? Wer will wirklich, dass die Kollektiv-Kevins darüber entscheiden, wie wir leben, lieben, wirtschaftshaften? Nein, aber er habe das richtige Thema angeschnitten, labert Hubertus Heil. Die Hinterfotzigkeit einer Talkshow-Redaktion mit dem Anspruch, der SPD noch ein paar letzte Wähler zuzutreiben, ist es, wenn man den Namens- aber nicht Verstandeserben Alexander Graf Lambsdorff als Verteidiger bürgerlicher Werte einlädt.Eine Talkshow-Karriere ist ihm gewiß als bemitleidungswürdigem Kronzeugen wider den Liberalismus.
Dann weiß man, das bürgerliche Lager hat nicht nur keine Stimme, sondern sein Untergang ist unvermeidlich. Und wer Kevin Kühnerts Kollektivierungsidee für eine mit der Vorsilbe Schnaps hielt, ist mindestens Herz-Jesu-Marxist. Da kämpft dann schon SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil überzeugender, wobei er das Problem von Wohnraumverknappung irgendwie mit der Bürokratie für Paketzusteller bekämpfen will. Weil irgendwie hängt alles mit allem zusammen. Und dann ist das Panoptikum reif für Oskar Lafontaine, der wieder die Schlösser ins Spiel bringt, als ob Wohnungssuche sich auf romantische Bauwerke und nicht auf Geschosswohnungsbau beziehen würde.
Nicht vergessen werden soll die Millionen-Erbin Sina Trinkwalder, die sich als „Sozialunternehmerin“ feiern läßt. Sie berichtet über den Verlust von Industriearbeitsplätzen. Dafür beschäftigt sie in Augsburg Leute, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben, was löblich ist – und zahlt ihnen mehr als den Mindestlohn, immerhin ganze 10 €. Der Preis für dieses Engagement: Sie selbst verdiene mit ihrem Geschäftsführer-Job nicht mehr als 2.600 Euro netto. Sozial – aber kein Modell für ein Land, indem die Bürger mehr als nur den Mindestlohn wollen. Hier könnte man anfangen zu diskutieren – wie kriegen wir gute Arbeitsplätze zurück? Folge man dem Jubel in der Folge allerdings ist die Taschen-Näherei zum Mindestlohn die Zukunft der Marktwirtschaft, zumindest wenn man Oskar Lafontaine folgt: Ganz Deutschland eine Behindertenwerkstatt mit Mindestlohn, aber Wohnen für jeden im eigenen Schloss. Irgendwie geht das schon, man muss es nur wollen.