Tichys Einblick
Hart aber Fair

Ein Polizist wurde ermordet? – Klamroth redet lieber über Fußball

Am Wochenende wurde ein Polizist von einem islamistischen Attentäter ermordet, mehrere Menschen wurden verletzt. Und worum geht es am Montagabend bei Hart aber Fair? Gut, dass Sie fragen! Ich werde es Ihnen verraten, werde Sie allerdings etwas hinhalten – zu Ihrer eigenen Sicherheit.

Screenprint: ARD / Hart aber fair

Ich möchte Sie bitten, sich hinzusetzen. Sollten Sie gerade essen oder trinken, schlucken Sie jetzt bitte (natürlich nach ausgiebigem Kauen) runter. Sollten Vasen oder andere leicht zerbrechlichen Gegenstände in der Nähe stehen, stellen Sie diese bitte in sichere Entfernung. Ein Kissen, um die eigenen Flüche zu ersticken oder darauf einzuschlagen, kann nicht schaden.

So, und jetzt bitte tief durchatmen. Der Titel der Sendung war: „Deutschland vor der Fußball-EM: Wie geht ein zweites Sommermärchen?“ Und nein, das ist keine misslungene Metapher. Das Thema war ganz einfach Fußball. Die Sendung wurde auf 23:15 Uhr verlegt, damit die ARD vorher das Testspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ukraine in der Vorbereitung auf die EM übertragen konnte.

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Die Gäste dieser Sport-Show: Die Sportjournalistin Lena Cassel, Europameister und Fußball-Manager Fredi Bobic, Welt- und Europameisterin Fatmire Alushi, Musiker und ehemaliger Jugendspieler bei Union Berlin Tim Bendzko, der Journalist und Filmemacher Philipp Awounou – naja, und dann noch SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil.

Ich muss ehrlich sein, ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, diese Sendung zu boykottieren. Ich bin kein Fußball-Fan und schon deshalb für die deutsche Bevölkerung nicht sonderlich repräsentativ, aber es gab noch nie einen Tag, an dem ich mich weniger mit Fußball beschäftigen wollte als heute. Meinetwegen kann man die ganze EM abblasen.

Und ich weiß, das Leben muss weitergehen und dieser ganze Kram. Aber heute hätte es eine Debatte über Abschiebungen gebraucht. Darüber, wie man islamistische Attentate verhindern kann. Was der Polizei an Ausbildung und Ausrüstung noch fehlt, um zu verhindern, dass nie wieder ein deutscher Polizist stirbt, weil seine Kollegen ihm keine Rückendeckung gegeben haben und die Politik ihn buchstäblich ans Messer geliefert hat.

Es hätte eine Debatte darüber gebraucht, was für eine Clown-Show unsere „Volksvertreter“ in ihrer vermeintlichen Anteilnahme abgezogen haben. Nancy Faeser obenrum in schwarzen Trauerklamotten, untenrum mit weißen Sneakern. Habeck, der grinsende Selfies von sich postet, Baerbock, die fröhlich Werbung für Fußball-Interviews auf ihrem Instagram-Account verlinkt.

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Mag sein, dass das Thema der Sendung schon vor dem Attentat am Freitag vorbereitet war. Aber dann wirft man die Pläne eben um, das wäre bei Talkshows nicht das erste Mal. Bevor ich mit so einem lächerlichen Thema auf Sendung gehe, während die ganze Nation trauert, lasse ich das Ganze doch lieber ausfallen.

„Die Stimmung ist gut, alle freuen sich“, leitet Klamroth die Sendung ein und bezieht sich damit auf die allgemeine Haltung zu Nagelsmann. Ist er der richtige Mann für diesen Job?, fragt er die Moderatorin Cassel. Die ist Feuer und Flamme und sieht uns schon als Europameister.

Klamroths zweite Frage geht an Sänger Bendzko. Ob es richtig sei, dass Mats Hummels nicht in der Mannschaft ist, will er wissen. „Ich glaub’ schon“, antwortet der, „Er wird sich was dabei gedacht haben.“ Sie alle schwärmen darüber, wie viel Spaß es mache, der neuen Mannschaft beim Spielen zuzugucken, dass sich die Stimmung „sofort auf’s ganze Land übertragen“ habe.

Ja, Klamroth spielt seinen Fußball-Film wirklich so durch. Jetzt kommt Lars Klingbeil dran, dem er die tiefgründige Frage stellt: Was ist schwerer – „die Nationalmannschaft zusammenzustellen oder den SPD-Parteivorstand zusammenzuhalten“? Der SPD-Parteivorstand sei gerade sehr harmonisch, berichtet Klingbeil, um dann ebenfalls seine Einschätzung zur Causa Hummels und den Fähigkeiten Nagelsmanns abzugeben. „Ich glaub’, es macht wirklich Bock jetzt auf die EM.“

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Fatmire Alushi darf dann erzählen, wie es denn so ist, als Spielerin in Testspielen zu spielen, und mit welcher Strategie man da ran geht. Danach darf Manager Bobic prophezeien, ob wir es denn dieses Mal ins Halbfinale schaffen werden. Bla bla bla. Worauf Tim Bendzko sich denn bei dieser EM am meisten freut, will Klamroth jetzt wissen. „Naja, ich hoffe einfach, dass wir so ’ne Stimmung irgendwie erzeugt kriegen im Land, wie wir das 2006 hatten.“

Aus Transparenzgründen zu meinem Hintergrund: Im Sommer 2006 war ich fünf Jahre alt. Ich weiß nicht mehr viel aus der Zeit, nur dass ich irgendwann kurzzeitig eine Michael-Ballack-Phase hatte. Was ich daher jetzt einfach mal als Behauptung in den Raum werfe, ist, dass vor der Weltmeisterschaft 2006 nicht kurz vorher ein Polizist auf offener Straße von einem Islamisten ermordet wurde, der es auf eine islamkritische Veranstaltung abgesehen hatte. Aber ich könnte mich natürlich irren.

Wie der Journalist Philipp Awounou berichtet, war 2006 jedenfalls auch nicht alles rosig. Er mahnt an zu bedenken, dass vor allem Leute mit Migrationshintergrund es zum Teil auch im Sommermärchen sehr schwer hatten. Sie bekamen feindliche Kommentare ab, wenn sie die Deutschlandfahne schwangen, manchen machte das Fahnenmeer auch Angst. Klingbeil mahnt derweil, dass Deutschland sich nicht mit stumpfem Patriotismus präsentieren sollte.

Das ist der Punkt, ab dem die Sendung dann doch noch politisch wird – um sich den Rest der Zeit vorwiegend mit Rassismus zu beschäftigen. Angesprochen wird die Umfrage, die in den vergangenen Tagen durch die Presse geisterte und die im Kontext einer Doku entstand, die Philipp Awonou gedreht hat. 21 Prozent haben angegeben, dass sie sich wünschen, mehr Weiße würden in der Nationalmannschaft mitspielen.

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Awonou sah sich danach einem furchtbaren Missverständnis ausgesetzt. Unter anderem Nagelsmann bezeichnete bereits die Fragestellung und die Tatsache, dass der ÖRR solche Umfragen erhebt, als rassistisch, sprach von „Scheiße“, von der er nie wieder etwas hören wolle. Dabei wollte Awonou doch nur darstellen, wie rassistisch die deutsche Bevölkerung ist, nachdem er im Rahmen seiner Recherche selbst rassistisch diskriminiert wurde.

Wir hören danach viel von gesellschaftlichen Problemen und davon, dass Hautfarbe im Sport keine Rolle spielt. Natürlich spricht niemand an, dass mangelnde Toleranz für Spieler mit Migrationshintergrund auch daran liegen könnte, dass Özil ein Antisemit ist, Boateng seine Lebensgefährtinnen misshandelt hat und Rüdiger den Islamistengruß zeigt – die Quote von gut integrierten Spielern mit Migrationshintergrund also auch nicht gerade vertrauenserweckend ist.

Am Ende wird das „schreckliche Video von Sylt“ angesprochen. Man spricht über die Angst, dass solche Parolen auch auf der EM gesungen werden können und die Hoffnung, dass die Nationalmannschaft gelebte Integration normalisieren könnte. Die Debatte, ob Spieler die Hymne singen, wird ebenfalls als “zutiefst rassistische Debatte“ abgetan, so betitelt es Lena Cassel. Es könne ja immer mal sein, dass der eine betet und der andere den Text nicht kann, erklärt Fatmire Alushi.

Und damit endet das Ganze: Das größte Problem in Deutschland ist natürlich der Rassismus gegen Fußballspieler. Die Guten sind diejenigen, die behaupten, dass man mit Migrationshintergrund zu dämlich ist, eine Strophe Text auswendig zu lernen. Und ansonsten heißt es: Gehen Sie weiter, in Mannheim gibt es nichts zu sehen. Und jetzt seien Sie brav und holen Sie sich Ihr Bier und schauen Sie endlich wieder Fußball. Die Politik braucht Sie angetrunken, abgelenkt und ruhig gestellt.

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