Bundesvorsitzender der Jusos? War Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder das nicht auch einmal? Aktuell gehört Schröder zum erlauchten Kreis der Putin-Handschlag-Gratulanten und seiner Oligarchen. Eine lupenreine Karriere. Bei Hart aber fair soll nun Kevin Kühnert, Schröders aktueller Nachfolger auf dem Juso-Thron, den Müll seines Vorvorgängers raustragen: „Ich glaube nicht an die vereinfachende Erzählung, dass Schröders Politik gut für das Land und schlecht für die Partei war. Sie hat auch Millionen Menschen Ungerechtigkeit durch Hartz IV und prekäre Arbeitsverhältnisse gebracht und das nehmen uns diese Leute zu recht übel.“ Neue Arbeitsplätze sind gut, aber nicht wenn sie befristet sind? Das ist die Frage für unten, die oben diskutiert wird.
Wenn der Rubel durch die Tür rollt
„Der Club der Reichen – wie viel Ungleichheit verträgt das Land?“, fragt Plasberg. Gast Christoph Gröner hat es gut erwischt. Der macht was mit Immobilien und kann heute so stinkreiche Sätze rauskloppen wie diesen hier: „Wenn Sie ein großes Vermögen haben, können Sie es durch Konsum nicht mehr zerstören. Sie schmeißen das Geld zum Fenster raus und es kommt zur Tür wieder hinein.“ Der arme Unternehmer. Wird seine Moneten einfach nicht mehr los. Kleben an ihm, wie Uhu.
Der MDR machte gerade einen Film über Gröner und schenkte ihm diesen Satz: „Er ist durch harte Arbeit nach oben gekommen.“ Aber die grobe Arbeit eines einfachen Michel wird’s nicht gewesen sein. Doch wohl eher geschickte Verhandlungstaktik, gewogene Banken, die zur rechten Zeit die Tresore öffneten und das berühmte Quantum Glück. Die schwierige Frage ist, wie viel Geld eigentlich ein einzelner Mensch monatlich erarbeiten kann. Selbst bei maximalem Fleiß vielleicht zwischen 3.000 oder 4.000 Euro. Nun sind die Hände als wichtigstes Hilfsmittel der „harten Arbeit“ längst keine Größe mehr. Für alles, was über diese Summe hinausgehen soll, müssen andere mitarbeiten.
Ja doch, viele sind alleine reich. Aber niemand wird alleine reich. Gröner strahlte gegenüber dem MDR und sagte frei raus: „Wir leben in der geilsten Gesellschaft der Welt. Hier kann jeder werden, was er will.“
Kevin ist nicht allein in der Partei
Aus dem Sozialdemokraten Kevin Kühnert könnte auch was werden. Aber nicht etwa, weil er streng nach sozialdemokratisch überliefertem Ethos fleißig anschafft, sondern weil er als guter Sozialdemokrat den Robin Hood geben will gegen solche wie Gröner, die nach Selbstbekunden in dieser geilsten Welt am Geld fast zu ersticken drohen. Kevin allerdings lebt nicht von seiner Hände Arbeit, sondern davon, dass andere ihre Hände für ihn heben bei Abstimmungen. Ist das gerecht, das politische Unternehmertum?
Ein Beamter, der sich Sozialist nennt
Ebenfalls mit am Tresen bei Plasberg sitzt der Soziologe und Elitenforscher
Professor Michael Hartmann. Beamter mit millionenschwerem Pensionsanspruch; das nennt sich dann Sozialist und Kritiker der deutschen Gegenwartsgesellschaft. Bettina Weiguny schreibt für den Wirtschaftsteil der Frankfurter Sonntagszeitung. Dazu Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich. Besser bekannt als Hermann Otto Solms, Ehrenvorsitzender der FDP-Fraktion und seit 1980 mit kurzer Unterbrechung durchgehend Bundestagsabgeordneter. Der lange Name wird vorbereitet wie ein Henkersstrick. Besonderheit: Solms war auch unternehmerisch tätig. Wird er sich erinnern an die Zeit, als die Kohle nicht auszugeben war, war er auch so ein Uhu-Unternehmer?
Eine handvoll Menschen, mutmaßlich ohne finanzielle Probleme, diskutieren „Ungleichheit im Land.“ Eine gute erste Frage wäre: Wann waren sie das letzte Mal beim Penny und was haben sie gekauft? Haben sie auch kurz überlegt, im Fleischkühlregal lieber die Schnitzel mit dem 30%-Aufkleber zu nehmen? Das wäre wohl zu viel Praxis.
Der erste Kalauer des Abends: Dieser Christoph Gröner sieht tatsächlich aus wie der junge Gerhard Schröder. Er schaut sogar so. Sprachlich aber weniger tief im Bariton. Kevin Kühnert gönnt ihm seinen Reichtum, fügt aber an, dass Gröner auch von den Rahmenbedingungen profitiert, von der Schulausbildung usw. und dass sich Reiche zum Dank dann entkoppeln, derer man nicht mehr habhaft wird, wenn es um die Abschöpfung geht, um Kinderarmut zu beenden, Krankenschwestern besser zu bezahlen und Schulen zu renovieren. Stattdessen sänken die Reallöhne, während Menschen wie Herr Gröner immer reicher werden. Kevin Kühnert verwechselt eben Reallöhne, also was nach Abzug von Inflation zum Einkaufen überbleibt und das magere Netto nach Abzug der Steuern. So unterschlägt er, dass die mit den niedrigen Löhnen schneller steigende Abgaben zahlen, was nicht schwer wäre zu ändern, wenn ein sozialdemokratischer Finanzminister das wollte.
Nur Belgien ist schlimmer dran
Hermann Otto Solms findet deshalb, man müsse immer in Erinnerung halten, dass Deutschland neben Belgien die höchste Abgabenlast hat. Das Versäumnis des Staates sei, das Geld nicht richtig auszugeben. Bettina Weiguny hat schon bei Gröners Vortrag eifrig genickt. Nun sagt sie: „Es gibt Aufstieg und Abstieg und den Weg von oben nach unten und von unten nach oben.“ Michael Hartmann erinnert daran, dass Deutschland immer auf der Liste ganz oben steht, wenn es um die Ungleichheit geht. „Deutschland ist bei der Vermögenskonzentration weit vorne.“ Das läge zum einen an den Familienunternehmen und am Steuersystem. „Doppelt soviel, wie investiert wird, wird ausgeschüttet.“, bemängelt Hartmann. Hermann Otto Solms klärt ihn auf, dass das für die Dax-Unternehmen gelten könnte, aber die Familienunternehmen investieren über 90 Prozent. Das mache den Erfolg aus. „Aber was macht der Staat mit dem Geld?“, fragt Hermann Otto Solms. Der Staat würde nur zehn Prozent davon investieren. „Beispielsweise ins Bildungssystem, in Forschung und Entwicklung.“ Macht uns der Staat arm?
Plasberg redet offensichtlich gerne über Geld und Reichtum. Da will wohl einer wissen, was über den persönlichen Wohlstand hinaus noch reizvoll sein kann. Dann, wenn man nicht nur die Tasche, sondern noch den Keller voll hat. Viel Geld ist schon irgendwie geil … so oder ähnlich blitzt es aus den schelmischen Augen des Moderators.
Christoph Gröner widerspricht Kühnert: „Erklären Sie den Kindern, die kein Essen haben, die keinen Zugang zur Bildung haben, erklären sie diesen Kindern, wieso sie es in den letzten dreißig Jahren nicht geschafft haben, hier aufzuholen. Trotz sprudelnder Steuereinnahmen.“ Gröner bekundet, eine eigene Partei aufmachen zu wollen, „weil die etablierten Parteien längst keine Konzepte mehr für dieses Land haben.“ „Gröner goes Macron“, spöttelt Plasberg.
Ein Einspieler erzählt: 109 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr offiziell vererbt. Inoffiziell soll es die vierfache Menge sein. Nur sieben Milliarden Erbschaftssteuer wurden gezahlt. Kühnert stellt klar, es kann nicht um Omas Häuschen gehen, die Freibeträge müssen hoch sein. Er nennt ein bis zwei Millionen, ab da könnte der Staat wohl schon zugreifen. Bettina Weiguny meint, in den Ballungszentren wäre Omas Häuschen dann aber schon fällig, weil wertvoller. Kühnert wirft ein, das 80 Prozent in diesen Ballungsgebieten zur Miete leben würden. Und es sei ein Unterschied, ob man sich das Haus selbst erarbeitet hätte. Findet Bettina Weiguny nicht, denn wenn man erben würde, hätten es ja die Eltern erarbeitet.
Das Wir verschwindet unter Zahlenbergen
So hat Jeder der Diskutanten seinen Köcher voll mit Fakten. Zahlen werden runtergebetet, wie abgelesen. Was aber der gemeine Zuschauer vermissen könnte, wären ein gemeinsamer Wille zum gesellschaftlichen Konsens, der aus so etwas wie einem „Wir“-Gefühl besteht. Die schwierigste Frage scheint die Suche nach diesem „Wir“ zu sein. Es scheint verloren gegangen. Nein, sogar die Idee, diese Frage einmal aufzuwerfen, fehlt.
Gröner zahlt seine Steuern mit Stolz, sagt er. Das allerdings wird dem Niedriglöhner deutlich schwerer fallen, selbst dann noch, wenn sein Satz ein wesentlich geringerer ist. Gröner möchte seine Steuern aber nicht in Transferleistungen oder Geschenke investiert sehen, sondern in die Zukunft der Kinder, also in Bildung und Ausbildung, das sei der Weg zur Chancengleichheit.
Plasberg schlägt ein Ankreuzsystem vor, wohin die Steuern fließen sollen, die man zahlt. Aber Kühnert zieht ihm den Zahn und fragt, wer dann für den Obdachlosen sein Kreuz machen würde. Auch Reiche hätten Kinder in der Familie, da würden alle ankreuzen, aber bei Geld für Obdachlose doch wohl weniger. Deshalb hätten kluge Menschen die Demokratie erfunden und das gleiche Stimmrecht für alle.
Kühnert ist ein Naturtalent in Sachen Eloquenz. Wo ist eigentlich seine Achillesferse? Die Achillesferse von Hermann Otto Solms wird gesucht und eingeblendet als Foto des Schlösschens seiner Familie. Es gehört ihm aber nicht, sondern wird von einem Neffen gepflegt, „das ist eine Philosophie des Erhalts von Familienvermögen.“ Solms hat verzichtet, damit es erhalten bleibt. Du bist reich, aber hast nichts davon? Oder ist auch Verzicht ein Luxus, den man sich leisten können muss. Und der Verzicht auf ein Bett im Turmzimmer setzt eben zunächst eines voraus. Anderen bleibt kaum mehr, als eines im Kornfeld.
„Es wird immer gedacht, die da oben müssten alle ethisch-moralische Vorbildfunktionen zeigen, was aber dem widerspricht, wer sich nach oben durchsetzt.“, wirft Bettina Weiguny ein. Also jeder ist Böse, der es nach oben schafft?
Vom Fahrrad-Dealer zum Millionär
Gröner darf erzählen, womit er als Junge seine erste Mark verdient hat: Er hätte Fahrräder zusammen geschraubt und auf dem Flohmarkt für „richtig viel mehr Geld verkauft.“ Juso Kühnert kann sich auch hier nicht richtig mitfreuen. Eigentlich ist diese Sendung eine Gröner-Show mit Einspielern aus der „Story im Ersten: Ungleichland“, die den erfolgreichen Unternehmer porträtiert hatte. Die Talk-Runde wird zum Werbe-Jingle; bei Öffentlich-Rechtlich ist halt alles erlaubt, was Quotengeld bringt. Dann platzt es aber doch noch aus Kühnert heraus: Der Herr Gröner würde für seine unternehmerische Leistung eine Sonderbehandlung verlangen, das würde sich „wie ein roter Faden durch den Film“ ziehen. „Und wenn ich das alles zusammen nehme“, so Kühnert weiter, „dann kommt am Ende der Anspruch raus, als Leistungsträger in der Gesellschaft besonders bestimmen zu können, und dafür gibt es einen Begriff und das ist Oligarchie.“
Gröner antwortet zunächst in einem Satz: „Das ist peinlich, was Sie da sagen.“ Sein emotional vorgetragenes Plädoyer: „Wir, die Bürger, sind der Staat. Und wir müssen verantwortlich handeln.“ Er will ein Guter sein, trotz Geld, und ist ein Böser, so Kühnert, weil er welches hat. Und Kühnert vergißt, dass sein Vorgänger im Amt, Schröder, just an diesem Tag in der Reihe der Oligarchen steht, die Putin zujubeln, ihrem Master-Mind. Wird jeder Juso Oligarch, wenn die Zeit des jugendlichen Sturms vorbei ist und die vielen geschiedenen Ehefrauen auf Unterhalt klagen?
Michael Hartmann, Bettina Weiguny und auch Hermann Otto Solms waren Statisten in dieser Sendung, die von diesem Duell zwischen Gröner und Kühnert dominiert wurde. Plasberg macht aus seiner Sympathie für Gröner keinen Hehl, schadet in dem Falle aber nichts, Kühnert ist jung, bissig, er hat Kraft gegen zwei. Am Ende steht es unentschieden zwischen den beiden Streithähnen, die altersmäßig Vater und Sohn sein könnten. Und hier wird es einmal deutlich: Es braucht wahrscheinlich tatsächlich beide Seiten, um etwas Gescheites für alle zustande zu bekommen. Dann dauert es zwar länger, aber dieses komplizierte Gleichgewicht ist eines, das, bei aller Kritik, auch Kernelement einer weltweit beneideten deutschen Wirtschaftskraft geworden ist. Und dann ist ja auch alles gut, oder?