Tichys Einblick
Hart aber Fair

Jetzt zuschlagen: Bei nur zwei Impfungen gibts ein paar Grundrechte gratis dazu

Bei Hart aber Fair gehts ums Impfen und die Frage, wie man Menschen davon überzeugen kann, sich den "heilsamen Pieks" reinpfeifen zu lassen. Werbegag Nr. 1: Lass mal paar Grundrechte verschenken.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Passend zum Impfgipfel hat man sich hart aber fair das Thema „Lichtblick Impfen: Was man jetzt wissen muss!“ gegeben. Blöd nur, dass beim Impfgipfel außer ein paar „konstruktiver“ Gespräche genau gar nichts rausgekommen ist. Man machte trotzdem das beste draus – mit der richtigen Mixtur für gezielte Zuschauerentrüstung für das Gute. Hart aber Fair verwandelt sich an diesem Abend in eine Werbeagentur.

Plasberg persönlich recherchierte aus dem Umfeld seiner Redaktion eine Liste von „Impf-Dränglern“: Eine Studentin, die nur ein paar Mal in einem Impfzentrum gejobbt hat, eine Schwangere, die ihren Bruder als Betreuer auf die Impfliste setzte, obwohl der hundert Kilometer entfernt wohnt, und ein Schauspieler hat einen Vertrag für ein Grundschulprojekt, die Schule ist allerdings zu, eine Verwaltungsangestellte eines Krankenhauses im Homeoffice – sie alle wurden geimpft.

Licht der Erkenntnis
#allesdichtmachen ist wie ein Blitz, der die politische Landschaft erhellt
Der Psychologe Stephan Grünewald sagt, Deutschland wär‘ nicht nur das Land des TÜVs, sondern auch das Land der Tüftler, es müssten kreative Lösungen her. Sobald Widerspruch kommt, räumt er aber auch schnell ein, dass die Ausgangssperre ja ganz sinnvoll sei. Er warnt davor, die Impfreihenfolge aufzuheben, durch die Priorisierung sei auch eine Begehrlichkeit entstanden, endlich an den „heilsamen Stoff“ ranzukommen.

Dann geht es weiter, die Politik kontrolliere Hausarztpraxen, ob diese die Impfreihenfolge einhalten – „Impfspitzel“ murmelt Plasberg. Und dann geht es natürlich darum, wie man die Leute zum Impfen bewegen könne. Die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci findet, man solle auf Solidarität setzen – impfen sei gut für die Allgemeinheit. Das ist vielleicht sogar das vernünftigste, aber natürlich für die Werbetrommler ein bisschen zu abstrakt. Da muss sie noch üben, Creative Director Plasberg fragt im Team nach anderen Ansätzen für die Lead-Story.

Dann ist die Studioleitern der ARD in Tel-Aviv, Susanne Glass zugeschaltet, sie erzählt Geschichten, wie sie dank der Impfung wieder in Restaurants gehen und ihre Freunde umarmen können. Immerhin FDP-Politiker Johannes Vogel schlussfolgert daraus, Israel als Vorbild zu nehmen: er will den „Impf-Turbo“ einlegen. Das ist doch ein guter Ansatz! Heute Impfung, morgen Party.

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Psychologe Stephan Grünewald entwickelt den Gedanken weiter: „Da gibt es in Teilen der Bevölkerung so einen Unverwundbarkeitsgedanken“. Die überzeuge man nur durch Bilder wie die aus Israel. „Aha, der Impfstoff gibt mir den Freifahrtschein in die Gastronomie, in die Reisemöglichkeit.“

„Überzeugen“ klingt schön. Wenn man hart sein will, gäbe es da noch so eine Sache, die ein bisschen stört: Die Sache mit den Grundrechten. Aber wie die Schauspielerin Tina Maria Aigner es in ihrem Video für „allesdichtmachen“ treffend beschrieb, heißen Grundrechte Grundrechte, weil sie einen Grund benötigen. Und der Grund für die Grundrechte jetzt ist: Man überzeugt damit Menschen davon, sich impfen zu lassen. Oder anders gesagt: Wer sich nicht impfen lassen will, kann auch keine Grundrechte „zurückbekommen“.

Das ist wohlgemerkt kein Impfzwang durch die Hintertür, das hat die Bundesregierung schließlich von Anfang an ausgeschlossen. Man darf auch nicht von Sonderrechten sprechen, denn Grundrechte gelten ja schließlich für jeden und sind keine Privilegien – auch wenn sie jetzt erstmal nur manche unter bestimmten Bedingungen „zurückbekommen“, aber das macht ja nichts.

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