Gleich zu Beginn der Sendung wird brav der Rahmen abgesteckt. Dafür hat sich Moderator Louis Klamroth, wieder gekleidet wie ein Pennäler, den die Mutti zum Müllraustragen geschickt hat, die passenden Gäste geholt.
Wen scheren schon Fakten
Collien Ulmen-Fernandes stellt fest, dass sie früher keine rassistischen Anfeindungen erleiden musste. Aber: „Das hat sich mit dem Erstarken der AfD drastisch verschlimmert.“ Vor der Partei habe sie „riesige Angst“. Sie atmet tief durch. Und verbreitet Fake News. Niemand widerspricht oder rückt ihre falsch wiedergegebenen Aussagen zurecht. So sagt die Schauspielerin, die AfD wolle „die Inklusion behinderter Kinder abschaffen“. Das allerdings hat ein Björn Höcke, auf den sie zielt, nie gesagt. Eher das genaue Gegenteil. Er plädierte vielmehr dafür, sich besser und intensiver um behinderte Kinder zu kümmern, statt sie stumpf ins bestehende Bildungssystem zu pressen.
Denn das neue Sendescript sieht nicht nur vor, dass Politik auf Bürger trifft – danach sah es in der ersten Sendung im neuen Jahr aus – nein, es treffen immer mehr Gäste aufeinander. Acht sind es mittlerweile. Sie werden munter gewechselt, springen an den Labertresen und ins Publikum. Nur einer steht einsam auf weiter Flur: Der Mann der AfD. Diesmal ist es Leif-Erik Holm, der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion. Er schlägt sich wacker, die Übermacht der „demokratischen Gutmenschen“ ist groß. Doch er wird zeitweise in einen Strudel hinabgetrieben, bei dem auch eine rhetorisch starke Alice Weidel Mühe hätte. Vor allem die Grünen-Politikerin Lamya Kaddor setzt Holm immer wieder zu. Sie fällt ihm ins Wort, pöbelt herum, spielt mit Whataboutism und GlaubIchDirNicht. Bis er fast mürbe ist.
Parteien verbieten ist das Hochamt der Demokratie
Immer wieder will Klamroth auf die Frage hinaus, ob man die AfD denn nun verbieten könne, solle, dürfe, wie auch immer, menno! Collie Ulmen-Fernandes ist leider unentschieden, so ein Mist. Sie fällt damit für weitere Fragen aus. Und Landrat Schomann hat eine erfrischende Meinung, die leider wieder nicht ins Sendekonzept passt: „Ich halte gar nichts davon. Auch 53 Prozent der Deutschen halten nichts davon.“ Schomann spricht noch ein anderes Thema an: Es gebe eine „große Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik der Bundesregierung. Der Frust ist groß.“ Klamroth würgt ihn ab. Das Thema muss leider draußenbleiben.
Noch einen weiteren lichten Moment gibt es in der Sendung, und wieder ist es der Landrat, der die Lampe hält: „Wenn man Helmut Schmidt heute reden hören würde, dann würde man sagen, der ist rechtsradikal“, bedauert er. Aber nix da. Wieder schwenkt Klamroth schnell weiter. Das Thema soll ganz offensichtlich nicht vertieft werden. Stattdessen ein Einspieler, Thema: Die AfD und ihre Einstufung als „gesichert rechtsextrem“.
Sehr schön auch der Moment, als Lamya Kaddor den AfD-Mann Holm erneut vergeblich zu stellen versucht. Gerade noch hat sie – fernab jeglicher Manieren oder eines Fünkchens Diskussionskultur – mit dem Satz „Egal was sie hier vorbringen, ich glaub Ihnen kein Wort“ den geistigen Offenbarungseid geleistet, da behauptet sie plötzlich, das Wort „Remigration“ sei doch ein Kampfbegriff, den Identitäre wie der in jüngster Zeit viel diskutierte Österreicher Martin Sellner oder eben die AfD eingeführt hätten. Holm kontert ganz sachlich mit einem Faktum: „In Rostock wird gerade ein Sachbearbeiter für Remigration gesucht.“ Bäm! Das zugehörige Ressort in der Verwaltung heißt übrigens seit sechs Jahren exakt so.