Bei der ARD gehen die Uhren langsamer. Im kuschligen Gebührennest ist es leicht, die wirtschaftliche Realität da draußen auszublenden: Die Gäste, die man sich in das Studio holt, stören diese Geborgenheit auch nicht. Titel der Sendung am Montagabend lautet: „Die neue Macht der Arbeitnehmer: Mehr Geld für weniger Arbeit?“
Doch der Titel ist kurzsichtig. Man muss kein Crashprophet sein, um zu sehen, dass die deutsche Wirtschaft ächzt und stöhnt. Die Vielzahl der kleinen Krisen droht zum Infarkt zu werden. Inflation, Abgabenlast und wirtschaftsfeindliche Politik schädigen die Volkswirtschaft. Fast täglich wird gemeldet, wo ein neues Werk schließen muss, welcher Konzern seine Investitionen in Deutschland stoppt. Linde ist ganz in die USA ausgewandert. BASF will in Deutschland vorerst nicht investieren. Die letzten Aluminiumhütten Deutschlands wollen nur noch Recycling machen – das ist nicht so energieintensiv. Das sind die großen Betriebe, die man hört, wenn sie fallen. Kleine Zulieferer verlagern die Produktion oder verkaufen die Betriebe an ausländische Investoren, ganz still und leise. Gut bezahlte Industriejobs werden durch Paketboten und Essenslieferanten ersetzt, glaubt man den Stellenanzeigen.
Der Minister ohne Opposition
Aber, „Deutschland hat eine so hohe Beschäftigung wie noch nie“, brüstet sich Arbeitsminister Hubertus Heil, der zwar IG Metall-Mitglied ist – in der SPD gehört das zum guten Ton – aber Werkskantinen nur vom Spaziergang mit der Geschäftsführung kennt. Das kann Hubertus Heil in der Diskussionsrunde sogar ungestört verkünden, weil es stimmt.
Blasse Figuren für eine blasse Diskussion
Aber diese Zahlen werden nicht besprochen bei Hart aber Fair, wer soll sie denn nennen? In der Runde ist keiner, der sich mit Wirtschaft auskennt. Also, Steffen Kampeter, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände könnte solche Zahlen kennen. Aber von Interessensvertretern kann man in Deutschland nicht erwarten, dass sie die Interessen ihrer Mitglieder auch vertreten. Mit Hubertus Heil ist er im Übrigen per Du, wie sich im Lauf der Sendung herausstellen wird, denn Heil verspricht sich mehrfach im Eifer des Scheingefechts.
Solche hohen Lohnforderungen wollen die Quasi-Beamten wegen der hohen Inflation. 6,8 Prozent beträgt sie, nachdem die Regierung sie von über 10 Prozent heruntergerechnet hat. Da sind solche Lohnforderungen auch nicht unangemessen. Auch die Forderung Malsys, nach besseren Arbeitsbedingungen für überlastete Erzieher ist verständlich. Aber diese Forderungen sind nicht Grundlage der Diskussion. Klamroth stellt immer wieder die Frage, gewollt salopp: „Haben die jungen Leute einfach keinen Bock?“
Es ist eine bemerkenswerte Diskussion in ihrer Irrelevanz. Das Angebot: „Willst Du weniger arbeiten bei dem gleichen Geld?“, wird wohl niemand ablehnen. Frank Thelen bringt es auf den Punkt: „Soll jeder so viel oder so wenig arbeiten wie er will, solange er es sich leisten kann“.
Solange er es sich leisten kann. Aber wie lange noch?
PS: Hart aber Fair hat traditionell fünf Gäste. Der fünfte Gast in der Runde war die ehemalige Journalistin Sara Weber. Sie hat tatsächlich einmal viel gearbeitet, für LinkedIn baute sie zwei Redaktionen auf. Doch dann kündigte sie und schrieb ein Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“. Ohne Klimabezug kann eben nichtmal über Arbeit gesprochen werden.