Schätzen Sie einmal, wie viele Frauen im Jahr von Männern getötet werden, nur, weil sie Frauen sind. Schätzen Sie einmal, wie viele Frauen im Jahr Opfer häuslicher Gewalt sind. Die Antworten lauten 360 und 180.000. 360 Frauen sind 2023 aufgrund ihres Geschlechts getötet worden. Das ist im Schnitt eine Frau pro Tag. Auch heute wird in Deutschland, statistisch gesehen, eine Frau wegen ihres Frauseins umgebracht. 180.000 Frauen wurden im letzten Jahr Opfer häuslicher Gewalt. Und das sind nur die Fälle, die auch zur Anzeige gebracht wurden, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
Insofern ist klar: Wir haben es – wer wollte es leugnen – mit einem im wahrsten Sinne des Wortes handfesten Problem zu tun. Und so war man sich in der gestrigen Runde von Anfang an einig: Es besteht Handlungsbedarf. Differenzen gab es nur in homöopathischen Dosen und sowieso nicht in Bezug auf das Ziel – einem besseren Schutz betroffener Frauen –, sondern höchstens in Bezug auf die Mittel. Ricarda Lang (Grüne) machte Werbung für den Kabinettsentwurf zum „Gewalthilfegesetz“ und Dorothea Bär (CSU) für den nationalen Aktionsplan ihrer Bundestagsfraktion.
Da wurde viel Wichtiges gesagt: Frauenhäuser sollen besser finanziert werden, die Täter müssen härter und vor allem wirksamer bestraft werden und das Schamverhältnis muss endlich umgekehrt werden. Nicht die Frau als Opfer soll sich dafür schämen, was ihr angetan wurde, sondern der Täter soll sich dafür schämen, was er ihr angetan hat.
Bär brachte auch Fußfesseln für verurteilte Männer ins Spiel, die verhindern sollen, dass sie sich den betroffenen Frauen nach ihrer Verurteilung nähern können. Die Rechtswissenschaftlerin und Ethikratmitglied Frauke Rostalski (sie ist in dem Gremium eine erfrischend kritische Stimme) wiederum führte aus, dass es sich beim Schutz von Frauen nicht um ein Problem der Rechtslage, sondern der Rechtsdurchsetzung und -anwendung handele.
Hätten Sie beispielsweise gewusst, dass 99 Prozent der verurteilten Vergewaltiger mit Bewährungsstrafen davonkommen? Ich für meinen Teil habe es vor der Sendung nicht gewusst und kann es auch jetzt eigentlich kaum glauben. Vor diesem Hintergrund wie Rostalski auf verpflichtende Fort- und Weiterbildung der Richter zu pochen und konsequentere Bestrafung zu fordern, ist mehr als nachvollziehbar. Wie gesagt: Die äußerst harmonische Runde kam scheinbar völlig unkontrovers daher. Wer ist schon gegen Frauenrechte und ihren Schutz? Es mag zwar verschiedene Vorstellungen geben, aber explizit dagegen würde sich natürlich niemand aussprechen.
Was zur Hölle ist sexistisches Spielzeug?
Und dennoch gingen die Ausführungen in mancherlei Hinsicht zu weit. Fikri Anıl Altıntaş, Botschafter der UN-Kampagne #HeForShe plädierte für Gewaltprävention, die bei Jungen schon im Kindes- und Kleinkindalter beginnen soll. Solche Forderungen klingen meist recht harmlos, sind es bei genauerem Hinsehen und -hören aber meist nicht. Denn wie genau soll denn diese Aufklärung bei Kindern aussehen? Und wann wird aus Aufklärung ideologische Indoktrination? Was sich Altıntaş darunter vorstellt, erklärte er dann auf Nachfrage von Louis Klamroth:
So richtig es ist, härtere Strafen gleichzeitig auch mit Präventionsprogrammen zu verknüpfen, so verfehlt und sinnbefreit waren phasenweise diese Ausführungen. Und auch die Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes machte erst einen wichtigen Punkt, um ihn dann gleich wieder einzureißen. Sie wies auf die zunehmende Gewalt gegen Frauen im Internet und auf ernsthafte Gefahren wie Deepfakes hin, vermischte aber klare Straftatbestände mit rechtlich substanzlosen Begriffen wie „Hass und Hetze“, gegen die ihrer Meinung nach die Plattformbetreiber endlich etwas unternehmen sollen.
Die zwei Elefanten im Raum
Viel interessanter und viel entscheidender als das alles aber sind die Themen und Aspekte des Frauenschutzes, die in der Sendung mit keiner einzigen Silbe erwähnt wurden: Wie kann es in Deutschland im Jahre 2024 noch eine Sendung geben, die über Gewalt gegen Frauen spricht und das Wort Migration dabei noch nicht einmal erwähnt? Wie ist das neun Jahre nach der Kölner Silvesternacht, in der hunderte Frauen von vornehmlich nordafrikanischen und arabischen Männern sexuell belästigt wurden, überhaupt möglich? Es ist schon Wahnsinn: Wir erleben seit einem knappen Jahrzehnt die hunderttausend- und millionenfache Migration von meist recht jungen Männern, die aus Ländern stammen, in denen das Wort „Patriarchat“ tatsächlich nach wie vor eine Vokabel ist, die sich zur Beschreibung der Gesellschaftsordnung eignet, in denen Frauen entrechtet, unterdrückt und misshandelt werden, und wundern uns dann über einen Anstieg von Hass und Gewalt gegen Frauen.
Und der zweite Elefant im Raum ist natürlich das „Selbstbestimmungsgesetz“, durch das seit diesem Jahr biologische Männer völlig legal in Schutzräume von Frauen eindringen können, ohne dass man sich als Frau dagegen verwehren könnte. Was ist eigentlich damit? Auch darüber wurde kein einziges Wort verloren. Noch nicht einmal Dorothea Bär, deren Bundestagsfraktion aus ganz ähnlichen Gründen gegen das Gesetz gestimmt hatte, brachte das Thema auf. Wer kann das ernst nehmen? Und wer soll eine Diskussion ernst nehmen, die es fertigbringt, gleich zwei Elefanten im Raum aus politischer Opportunität nicht sehen zu wollen (oder bewusst die Augen zu verschließen)? Mir jedenfalls gelingt es nicht.