Tichys Einblick
Es darf kein Migrationsproblem geben

Hart aber Fair: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen

Politisches Gleichgewicht ist dem WDR wichtig. Deswegen wurden in der neuesten Ausgabe von Hart aber Fair gleich zwei Grünen-Politiker eingeladen und nur einer als solcher deklariert. Die CDU entdeckt ungesteuerte Migration als Problem wieder.

Tareq Alaows ist Geschäftsführer von „Pro Asyl“. Man kann ihn als Asyl-Aktivisten bezeichnen. Als solcher war er in einer Ausgabe von „Hart aber Fair“ zum Thema Migration ein sinnvoller Gast. Was der Zuschauer der Sendung aber nicht erfuhr: Tareq Alaows ist auch Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Und er ist nicht nur Parteimitglied: Er ist Mitglied in der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht. Zur Bundestagswahl 2020 wollte er für die Grünen kandidieren und wurde sogar in Dinslaken als Kandidat aufgestellt. Doch er zog die Kandidatur zurück. Er sagt, er habe sich wegen Rassismus und Drohungen zu diesem Schritt entschieden. Medien spekulierten aber, dass sein (beschleunigtes) Einbürgerungsverfahren nicht rechtzeitig zur Wahl abgeschlossen gewesen wäre.

Von all dem erfährt der Zuschauer nichts. Seine Rolle als Grünen-Politiker wird nicht erwähnt, auf der Website von Hart aber Fair wurde ein Eintrag nachträglich vorgenommen. Dort steht nun: „Er ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und dort aktiv in der Bundesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht.“

Doppelte Repräsentation der Grünen

Tareq Alaows ist also politisch klar positioniert. Kein Problem, wenn das klar ist. Doch in der Sendung sitzt er als vorgeblich politisch neutraler Gast neben Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag. Zwei von fünf Gästen Politiker aus derselben Partei: so geht Ausgewogenheit.

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Politisch gegenüber sitzt nur ein anderer Bundespolitiker: Jens Spahn für die CDU. Eine Lokalpolitikerin der Freien Wähler, Tanja Schweiger, rundet die politischen Gäste ab. Sie ist Landrat im Landkreis Regensburg. Die Sendung scheint kontrovers zu beginnen. Der fünfte Gast der Runde, die WDR-Korrespondentin Isabel Schayani wird mit diesem Zitat vorgestellt: „Trotz all dem Leid, das Flüchtende erleben, hat ein Land das Recht zu entscheiden, wen es aufnimmt – und wen nicht.“ Ein Zitat, das nur irreführend genannt werden kann, vertritt doch Schayani während der Sendung die gegenteilige Position.

Die Diskussion an sich ist ein Bildnis der Situation in der Bundesrepublik in allen Lebensbereichen.
Schweiger berichtet von der dramatischen Situation, in der sich Kommunen befinden. Sie kommen mit der Menge an Flüchtlingen nicht zurecht. So wurden 2015/16 rund 2.000 Flüchtlinge aufgenommen – im vergangenen Jahr waren es 5.000. Um sie unterzubringen, wurde ein Donau-Kreuzfahrtschiff gechartert. Dieses habe den Vorteil, dass Sanitäranlagen, Küche usw. schon an Bord sind – man wolle den Bürgern nach den Corona-Jahren nicht schon wieder den Schul- und Vereinssport unmöglich machen.

Reale Probleme, die reale Lösungen brauchen. Die Bundesregierung habe drei Arbeitskreise eingesetzt und wolle in der Ministerpräsidentenkonferenz an Ostern Entscheidungen treffen, verkündet Haßelmann.

Arbeitskreise, um bis Ostern Lösungen zu erarbeiten

Organisierte Verantwortungslosigkeit, das ist es, was Haßelmann in der Runde verkörpert. Obwohl sie mehrmals gefragt wird, kann sie keine Lösungsansätze präsentieren. Es sind 1,2 Millionen nach Deutschland gekommen im vergangenen Jahr: Eine Million von ihnen Ukrainer. Wo sollen sie leben, wo Deutsch lernen? In welche Schulen sollen die Kinder gehen? Konkrete Fragen, auf die Haßelmann nicht antworten kann. Sie will den Kommunen mehr Geld geben, aber diese brauchen kein Geld, sondern Lösungen.

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Überhaupt ärgern sich Haßelmann und Schayani über den Ton der Diskussion: Man solle doch nicht immer diejenigen Kommunen in den Fokus rücken, in denen es nicht mehr geht. Bielefeld sei super vorbereitet gewesen zum Beispiel, so Haßelmann. Schayani will mit sieben Kommunen gesprochen haben, sie alle haben keine Probleme mit der Unterbringung von Flüchtlingen. Man solle doch die „freiwilligen Helden“ in den Vordergrund rücken. Die Strategie der Grünen, wenn ihnen eine Diskussion zu entgleiten droht: den Ton der Kritik problematisieren, damit man den Inhalt nicht ertragen muss.

Was in der Sendung nicht angesprochen wird: 1,2 Millionen, das ist eine Stadt so groß wie München (1,4 Millionen Einwohner) oder Köln (1 Million Einwohner). Das sind Hunderttausende Wohnungen, Dutzende Krankenhäuser, zahllose Schulen und die Verwaltung, die benötigt werden, um sich um diese Zuwanderer zu kümmern. Ganz abgesehen von den vielen Millionen Steuerzahlern, die die Sozialhilfe finanzieren.

Die CDU will harte Grenzen

Die CDU und Jens Spahn haben plötzlich den Wert von Grenzen entdeckt. Nun, wo die hässlichen Bilder von an der Grenze abgewiesenen Migranten andere treffen, fordert Spahn ein hartes Grenzregime. Weil Abschiebungen kaum möglich sind, so seine Logik, sollen Menschen ohne Bleibeperspektive an der Grenze abgewiesen werden. Asyl müsse im ersten sicheren Staat beantragt werden – wer Pakistan oder die Türkei durchreist, kann dann in Deutschland kein Asyl beantragen. Flüchtlinge, die versuchen, über das Mittelmeer nach Europa zu kommen, sollen zurück nach Libyen oder Tunesien gebracht werden. So soll das Sterben im Mittelmeer beendet werden, denn diese Leute einreisen zu lassen, ist Anreiz für andere, ihr Leben zu riskieren.

Plötzlich sind das akzeptable Positionen für die CDU: Jens Spahn, die politische Pionierpflanze der Bundestagsfraktion, prüft sie. Merz eignet sich für diese Aufgabe nicht, sein Rückgrat ist zu krumm.

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Man muss die Ruhe, in der Spahn diese Punkte immer wieder vorträgt, bewundern: Obwohl Haßelmann, Alaows und Schayani ihn immer wieder unterbrechen und laut werden. Beleidigungen fallen keine, auch wenn Haßelmann aufgebracht einen Moment vergisst, dass man sich vor der Kamera siezt, um Distanz zu simulieren. Spahn hebt kaum die Stimme, wiederholt ruhig seine Argumente. Schweiger weist schon am Anfang der Sendung Alaows zurecht, als dieser versucht, ihrem Landratsamt Versagen in der Flüchtlingsbetreuung vorzuwerfen: Sein Verein solle ihr endlich konkrete Fälle nennen, damit sie diese untersuchen kann. Sie habe diese schon mehrmals angefragt.

Ein Anfang neuer Wehrhaftigkeit liberaler und konservativer Politiker? Vielleicht. Das letzte Wort nimmt sich trotzdem Alaows, ein Versagen oder Absicht Klamroths, ihm dieses zu überlassen. Alaows wirft Spahn vor, er wolle das Recht auf Asyl abschaffen. Seine letzten Worte vor den Tagesthemen: „Wir sprechen über Grenzen, als hätten wir Grenzenrechte, nicht Menschenrechte.“

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