Tichys Einblick
Politiker drehen sich um sich selbst

Lauwarm bei Hart aber Fair: Von der Politik haben wir keine Lösungen zu erwarten

Lauwarm: So war die erste Diskussionsrunde nach der Sommerpause bei Plasberg. So lauwarm wie der Tee, den die Bundesbürger sich mit ihrer täglichen Gasration bald kochen können. Denn auch beim WDR gilt es Energie zu sparen.

Screenprint ARD / hart aber fair

Plasberg ist aus dem Urlaub zurück und das Thema ist: „Frieren im Winter, bangen um Jobs: Was kommt, wenn uns das Gas ausgeht?“. Diese Themen wurden trotz einiger interessanter Gäste nicht beantwortet. Auch wie man verhindern will, dass das Gas ausgeht, wurde nicht besprochen.

Da hätten die anwesenden Politiker, Saskia Esken und Jens Spahn, möglicherweise die Fehler der Politik adressieren müssen. Eine Politik, die ihre jeweiligen Parteien vorangetrieben haben. So mimt Spahn die Opposition, die findet, arme Haushalte müssten mehr entlastet werden. „Belasten geht schnell, beim Entlasten hält uns der Kanzler hin“, sagt Spahn. Esken verteidigt sich, man habe doch schon so viele Milliarden an Unterstützung ausgeschüttet und mehr sei ja schon in Planung für irgendwann. Es bleibt bei eher halbherzigen Beschuldigungen der Politik des jeweils anderen. Man merkt: Mit den vertauschten Rollen kommen die beiden nicht gut zurecht.

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Der Funken der Kontroverse will nicht so richtig zünden. Am Montag wurde die Gasumlage verkündet. 2,419 Cent je Kilowattstunde Gas. Klingt nach wenig, macht aber für eine vierköpfige Familie 484 € Mehrkosten aus. Netto, denn nach der Mehrwertsteuer, die der dreist grinsende Staat dann noch kassiert, sind es 576 €. Die verfünffachten Preise für Gas sind dabei noch gar nicht mitgerechnet. Das ist eine Katastrophe für alle: Doch als einzige Konsequenz kann Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, ankündigen, dass sie die Politik verklagen würde. Im nächsten Jahr. Und, dass sie es unverständlich findet, wenn in der jetzigen Situation die Frankfurter Banken ihre Bürotürme anstrahlen würden. Man müsse doch Strom sparen.

Ihre Einwände werden mit einem metaphorischen Achselzucken quittiert. Ja, ist schlecht, wenn Alte mit 1.000 € Rente 230 € Mehrkosten tragen müssen. Nur aufregen will sich keiner darüber: Dann müsste man vielleicht noch Lösungen entwickeln.
Spahn erwähnt in einem Halbsatz, dass die Bemühungen der Politik mehr Schein als Sein sind. Atomkraft wird durch Spahn in einem Halbsatz abgebügelt, und die Misere entblößt: Bisher wurde nur ein (1, one, une, yi) Kohlekraftwerk wieder neu ans Netz genommen. Aber auch das kann die Diskussion nicht anheizen.

Es gibt auch interessante Momente: So wird einer der Gäste als „der mächtigste Mann Deutschlands“ vorgestellt. Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur. Ein Bürokrat und Planer. Und auch der Mann, der entscheidet, wer Gas erhält und wer nicht. Er fürchtet den Gasmangel, äußert die Sorge deutlicher als jeder andere in der Runde. Wenn er von der „schrecklichen Entscheidung“ spricht, bestimmen zu müssen, wer wann noch Gas bekommt, merkt man dem Bürokraten das Unwohlsein deutlich an. Und doch scheint er zumindest vorsichtig optimistisch. Man wünscht sich, er würde mehr sprechen, Strategien der Bundesnetzagentur beleuchten und Probleme aufzeigen. Doch am Ende vermeidet er doch auch jeden Konflikt.

Steigende Energiepreise
Weil’s noch nicht reicht: Habecks Gasumlage
Der letzte in der Runde ist Christian Kullmann. Er ist Vorstandsvorsitzender des Chemie Konzerns Evonik und Vorsitzender des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). Er kann immerhin von Erfolgen erzählen: Eingespartes Gas, ein altes Kohlekraftwerk, das statt zwei brandneuer Gaskraftwerke weiterbetrieben wird. Und das nur bei Evonik. Damit ist er den regierungsverantwortungslosen Politikern Esken und Spahn weit voraus, die nur über die Politik anderer reden können. Die Gasumlage, die auch Evonik trifft und die chemischische Industrie 3 Milliarden Euro kosten wird, kann er schlucken, „Wie eine Flasche Lebertran auf ex“. Sein erklärtes Ziel: Dafür sorgen, dass die Industrie genug Gas hat. Auch wenn dann die Haushalte stärker sparen müssen. Denn ohne Industrie, ohne Steuern und hohe Löhne kein Sozialstaat oder Solidarität. Mit seinem beherzten Eintreten entlockt er sogar einem WDR-Livepublikum Applaus für die Marktwirtschaft. Und von Esken ein Stirnrunzeln und schwammiger Sozialdemokratensprech über gesellschaftliche Verantwortung.

Denn das ist, was von der Sendung bleibt:
Von der Politik haben wir keine Lösungen zu erwarten. Sie kommen von der privatwirtschaftlichen Seite oder den wenigen noch funktionierenden Behörden. Vielleicht frieren wir, vielleicht auch nicht, denn wie Saskia Esken uns raten kann, „19 Grad Celsius Raumtemperatur sind ja keine 15 Grad“ und „wenn man Arbeit macht, bei der man sich bewegt“ reicht das ja auch.

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