Tichys Einblick
Ursel aus dem Hut

Hart aber Fair: Falsche Versprechungen vom EU-Parlament

„EU-Postengeschacher: Kungelei statt Wählerwille?“ lautete der fehlleitende Titel bei Plasberg. Als hätte irgendjemand in Deutschland Frans Timmermans oder Manfred Weber gewählt. Warum war dann Katarina Barley auf den Plakaten?

Screenprint: ARD/hart aber fair

Es wurde nun also gewählt, ausgezählt und festgestellt: die EVP, so eine Art Europa-Unionisten, sind die stärkste Fraktion (24,23%), die Spezialdemokraten die Zweitstärksten (20,51%), daraus folgt, dass der Spitzenkandidat der EVP, ein gewisser Weber, der neue EU-Kommissionspräsident (EU-KP) werden soll. So haben es die Journos geschrieben, die Bürger geglaubt, nur leider, leider, steht das in keinem Paragraphen. Denn die Staatschefs der einzelnen EU-Länder haben schon zuhause ein Parlament, das ihnen in die jeweilige Regierungssuppe spucken kann, da brauchen sie nicht noch ein weiteres in Brüssel. Im Gegenteil, der Rat der Länderchefs hat fast einstimmig (mit Merkels Enthaltung) Ursula von der Leyen nominiert, und das EU-Parlament darf nun diese Personalie mit einfacher Mehrheit bestätigen.

Weber oder Timmermans – das war mithin „ein falsches Versprechen“ der Kampagneros zur EU-Wahl, die das zwar gerne so hätten, aber ohne rechtliche Grundlage. Dass mit Matthias Krupa ausgerechnet ein Redakteur der eigentlich völlig verstrahlten „Zeit“ die Angelegenheit so auf den Punkt bringt, hat uns denn doch überrascht.

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Bei Michael Roth (SPD) und Ska Keller (Grüne) gilt hingegen nach wie vor die Macht des Fantastischen, wegen Demokratie und so. Auch ein gewisser Daniel Caspary, seit 15 Jahren für die CDU im Brüsseler Loch für deutsche Wähler und Zuschauer völlig unsichtbar, will im ersten Moment „Fassungslosigkeit“ empfunden haben, als Macron unsere Ursula aus dem Kandidaten-Hut gezaubert hatte. Nicht, weil er vdL für unfähig hielte, mitnichten, sondern weil Macron, Orban und der Spanier Sanchez sich gegen Manfred Weber ausgesprochen hatten. Und weil die SPD Weber nicht genügend unterstützte, und nun Ursel die Gefolgschaft verweigert. Mal ganz ehrlich: Warum genau sollten die SPD-Abgeordneten eine Nicht-Abgeordnete unterstützen, die ihnen nicht vom Wähler, aber von Merkel vor die Nase gesetzt wird?

Jedenfalls ist die SPD beleidigt, schon, weil sie immer beleidigt ist, deshalb sagte Katarina Barley in einem Einspieler Nein zu Ursel. Michael Roth auch, und zwar, weil er sich „als Patriot“ Sorgen wegen der Untersuchungsausschüsse mache, vor denen die Chefin der Leyen-Truppe demnächst zu erscheinen hat. Auch die Grünen – im Namen von deren EU-Chef Bütikofer – lehnten von der Leyen bereits kategorisch ab, was Ska Keller nicht davon abhielt, Ursula zum Spaß noch ein paar Aufgaben zu stellen, um sich vielleicht doch noch überzeugen zu lassen. Klima, klar, „Flüchtlinge”, klar und in Zukunft sollen nur noch Spitzenkandidaten KP werden können. All das soll Ursula in einem Live-Stream öffentlich bekennen, was schon eine ziemliche Frechheit für eine nicht-einmal-10-%-Partei im EU-Parlament ist. Aus Italien, Griechenland, Estland, Malta, Polen, Rumänien, der Slowakei,, Slowenien, Ungarn und Zypern schaffte es kein grüner Abgeordneter ins EU-Parlament – in Worten: Null! Übrigens war Ska Keller Spitzenkandidatin der EU-Grünen und so höchstpersönlich wie vergeblich etwa in Griechenland auf Stimmenfang. So viel zum Thema Spitzenkandidaten. Aber deutlich wird auch: Die Grünen wollen nur was kriegen von der Leyen. EU ist, wenn gehandelt wird wie auf dem Flohmarkt. Ska Keller nennt also den Preis, den die Bürger dafür bezahlen sollen, was sie nicht gewählt haben. So geht EU. Wahlen sind wie eine Wundertüte, wobei das Preisetikett in der Tüte schlummert, und damit kommt die wahre Überraschung…

Wieder lag es an „Zeit“-Redakteur Krupa, die geplante Live-Stream Demütigung von Ursel aus dem Hut als „Folklore“ zu tadeln. Außerdem, so Krupa, hätte eine KPin nichts zu entscheiden, sie könne lediglich Vorschläge machen. „Sie, Frau Ska, tun hingegen so, als könne Frau von der Leyen Ihnen irgendetwas geben.“ „Dann müssen die EU-Chefs eben was auf den Tisch legen“, so die Grüne frech und unbelehrbar. Die EU-Chefs also. Wer genau ist das? Ska Keller selbst?

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Wir dürfen „nicht verzagt und mutlos“ sein, gab sich Michael kämpferisch, immerhin seien mehr Leute zur EU-Wahl gegangen (50% in EU-Land). „Wenn das Spitzenkandidatenmodell nicht durchkommt, dann frage ich uns alle gemeinsam …“ Was er uns alle gemeinsam fragte, ist uns leider entfallen. Als es dann darum ging, dass Weber kein Mensch kenne außerhalb von Niederkatzhofen, da brachte Michael Roth ausgerechnet Helmut Kohl als Gegenbeispiel eines Spitzenkandidaten, den hätte jeder in Europa gekannt. Leider war der nie Spitzenkandidat für den Kommissionspräsidenten. Roth ist übrigens einer der möglichen Neuen für den SPD-Parteivorsitz. Obwohl er der Ansicht ist, dass Europa und Deutschland schon so schön bunt seien, dass es für Spezialdemokraten und Unionistas hüben wie drüben nicht mehr läuft. Also bewirbt er sich eigentlich als Abwrackunternehmer.

Dass alle drei Parteiabgesandten von wahrer Demokratie in der EU wenig halten, zeigten sie dann, als das Thema Nepper und „Flüchtlings”-Schlepper zur Sprache kam. Carola die Heilige vom Mittelmeer wurde gepriesen, Michael schlug vor „Wir (also Deutschland) nehmen alle auf, wenn Ihr (Italien und die anderen Mediterranen) die Häfen öffnet“. CDU-Caspary schlug einen neuen Kommissar für Afrika vor und betonte, dass im EU-Parlament eine große Mehrheit für gerechte Verteilung der Migranten sei. Woran man wieder deutlich sieht, wie weit das EU-Parlament von den Bürgern in Europa entfernt ist. Und warum von der Leyen doch Chancen hat auf einen Job, für den sie weder gewählt noch. vorgesehen war: Sie muss nur die Migranten direkt vom Boot ins Sozialamt nach  Bottrop oder sonstwo geleiten; mit etwas Hilfe von McKinsey könnte das zu schaffen sein. Die paar Milliönchen extra für die Berater gehen dann garantiert ohne Untersuchungsausschuss durch, wozu haben wir denn Europa? Das ist eben der Preis, den man nicht gewählt hat, dafür mit  Mecky-Zuschlag.

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Hier muss, stellvertretend für die Volksverblödung, der Rentner-Kabarettist Thomas Freitag doch noch eingeführt werden, der angesichts der Schwarzafrikaner auf den Schlepperbooten ausrief: „Wir haben die zerbombt, dann müssen wir die auch aufnehmen“. Wann haben wir Nigeria zerbombt? Wir wollten Freitag eigentlich höflich übergehen, der sich bereits zu Beginn der Sendung blamierte, als der „begeisterte Europäer“ behauptete, wir hätten bei der EU-Wahl endlich die Möglichkeit gehabt, den KP direkt zu wählen, dann seien wir doch wieder betrogen worden.

Ein Vorschlag von Freitag hatte allerdings etwas für sich. Wenn ein Spitzenkandidat bei der nächsten EU-Wahl im Rahmen einer großen TV-Show gewählt würde, also so wie die Meistersänger beim Grand Prix de la Chanson. Allerdings ohne Singen. Man weiß nie, wann ein Kabarettist etwas ernst meint.


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