Bei Plasberg kamen an diesem Montagabend Roger Köppel (Schweizer Publizist und SVPler), Serdar Somuncu (vor sich hin randalierender Kabarettist), Ingo Zamperoni (nüchterner ARD-Korrespondent), Dirk Schümer (kritischer Europa-Korrespondent WeLT) und Norbert Röttgen (CDU-Außenpolitiker, besorgt) im WDR-Studio Köln zusammen, um zu diskutieren, wie schlimm man Donald Trump zu finden habe, ob nur völlig beknackte und vermutlich abgehängte (das ist die neue Umschreibung für zurückgebliebene) Amerikaner den Vorwärtsgekämmten wählen, ob Schweizer immer sehr viel Angst haben, wieviel Populismus und wieviel Donald Trump dieser Planet noch ertragen kann, bevor er in 2017 endgültig auseinander bricht.
Wieder einmal wurde wie Tags zuvor bei Anne Will beklagt, dass die Verhältnismäßigkeit Frau zu Mann nicht 1 zu 4 war, sondern dieses Mal der fünfte Platz der Sendung auch noch an einen Mann vergeben wurde. Nicht eine einzige Frau! Mit einer idealeren Vorlage kann doch keine Sendung über Donald Trump beginnen, oder? Das ist doch eine stille Hommage, mal ehrlich. Aber freuen Sie sich nicht zu früh. Wenn auch nur halbwegs das eintrifft, was Großvaters Gute Nacht Geschichten beinhalten, sehen ganz besonders Teilnehmer dieser Runde heute ganz schön anders aus der Wäsche.
„Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ macht aus Frank Plasberg gleich bei Minute 1 zu einem besorgten Bürger. Was, wenn Donald Trump der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Nach dem morgigen/heutigen (Diens)Tag ist ihm bei der letzten Vorwahl trotzdem die Kandidatur nicht mehr zu nehmen. „Das Un-denk-bare – ist – passiert.“ Die dramatisch akzentuierten Pausen zwischen den Wörtern untermauern, wie ernst die Lage ist.
Ob das gegebenenfalls mit soooo großem Beschweren verhindert werden kann, so laut, dass es über das große weite Meer den Weg an die Ohren, das Herz und den Verstand der tumben Amerikaner findet, das werden wir in den nächsten 60 Minuten erfahren. Ob die Amerikaner dann auf uns Großmoralmacht Germany hören werden, das sei mal dahingestellt. Aber versuchen sollten wir doch alles, was geht. Zur Not mit einem eingespielten Filmchen, das aus Donald Trump als nächstem Präsidenten der Vereinigten Staaten den Zünder der Atombomben macht. Jack D. Ripper und Dr. Seltsam in Personalunion. Eine dermaßen populistische Stimmungsmache gegen einen noch nicht mal gewählten Kandidaten habe ich tatsächlich noch nicht gesehen. Da wurden gestern nochmal neue Maßstäbe gesetzt in lustvoll nuklearer Hirnlosigkeit und man fragt sich, wie das beim ÖRR in Zukunft noch zu toppen sein könnte. Was denn daran falsch sei, fragte Plasberg den leicht aufgebrachten Köppel. Schließlich würde Trump doch als zukünftiger Präsident auch die Befugnis über den Einsatz dieser Waffen erlangen. Ach so ist das. Es sind immer die anderen, die Ängste schüren. Bitte schreiben Sie sich das hinter die Ohren.
„Darf ein Politiker alles sagen, was manche im Stillen denken?“
Nicht, wenn es nach den Deutschen geht. Da sprechen viele Politiker nicht mal laut aus, was sie in Wirklichkeit denken. Aber mit der ersten Frage in die Runde ist der Talk eröffnet: „Wer hat noch vor einem halben Jahr gedacht, dass ein Präsidentschaftskandidat Trump heißen wird? – Wer hat’s gedacht?“ Da hebt der erste tapfer die Hand, Dirk Schümer von der WeLT. Ein Spalter vor dem Herrn, man, man. Da kann Roger Köppel auch nicht zurückstecken, meldet sich mit wackelndem Arm, um eine fifty-fifty Variante anzuzeigen. Damals bei Jauch, bei der von Sea- Watch-Höppner initiierten spontanen Schweigeminute für die im Mittelmeer ums Leben gekommenen Flüchtlinge, war Köppel übrigens als erster auf den Beinen, während Heribert Prantl noch eine gefühlte Minute lang überlegen musste, bevor er sich dann als letzter eingereiht hat. Kein Wunder, dass die ihre Tunnel fertig haben, während wir uns für unsere Großbau-wird-zehnmal-so-teuer-und-dauert-zehnmal-so-lange-Projekte mittlerweile in der Welt auslachen lassen müssen.
Das erste Mal, dass ich den Namen Trump gelesen habe: An einem der vielen großen Gebäude News Yorks prangte in (für mich damals) grotesk großen Lettern TRUMP. Natürlich hörte oder las ich in den Jahren dazwischen einiges über Donald Trump. Seine Rückschläge, Scheidungen, Hochzeiten, Scheidungen, Abfindungen, Hochzeiten etc. entdeckte ihn bei einigen seiner zahlreichen Cameo-Auftritte in US-Kino- oder Fernsehproduktionen. Nicht gerade Ronald Reagan, aber man erkennt bereits da die Ambitionen, über seine Kreise hinaus in Erscheinung zu treten. Und irgendwo ist dieser Größenwahn Amerika: so liebt man es, im auftrumpfen, im schnellen leben, im Übersteigerten – und nicht im geduckten Mittelmaß der Graugesichter, wie sie auch die Talkshows und die politische Bühne hierzulande beleben. Und man mag es aus den gleichen Gründen auch hassen.
Das sogenannte Aha-Erlebnis aber war seine Aussage über die Entwürfe von Libeskind für das neue World Trade Center in 2005. Er nannte die Entwürfe zum Freedom Tower „Schrott“. Stattdessen wollte er die Zwillingstürme neu errichten: „Größer, stabiler, besser.“ Und in diesem Satz steckte für mich sehr viel Amerika. Nein, diese Aussage war Amerika. Dass Trump sich zehn Jahre später „Make America Great Again“ als Slogan wählte, wirkt für mich in diesem Zusammenhang als eine konstante Fortsetzung dieser Linie: Größer, stabiler, besser.
Früher mal hatte ich ein Faible für Ivanka, seine Tochter aus der Ehe mit Ivana. Sie war eben ganz genau so, wie man sich als Teenager vor Gossip-Girl-Zeiten ein schönes, reiches Mädchen in New York vorgestellt hat. In der hiesigen Klatschpresse findet Ivanka eher weniger statt. Ausgeblendet wird, dass Ivanka Trump vor ihrer Heirat mit Jared Kushner zum Judentum konvertiert ist. Donald Trumps Schwiegersohn stammt aus einer nicht weniger einflussreichen New Yorker Immobilienmagnaten-Familie.
Jared Kushner war es dann auch, der Donald Trump zum Zugang zur Jüdischen Community verhalf und ihn bei der Vorbereitung seiner Rede auf dem American Israel Public Affairs Committee (AIPAC) unterstützt hat (wo er neben Clinton, Kasich und Cruz auftrat). Trump wählte Israel als das Thema für seine erste ernsthafte politische Ansprache. Natürlich wird dem auch eine gewisse Bedeutung beigemessen. Hier ein Teil des Inhalts:
„In einer Rede bei der jährlichen Konferenz der pro-israelischen Lobbyorganisation Aipac in Washington hatte Trump die Rücknahme des ‚desaströsen‘ Atomabkommens mit Iran zuvor zu seiner ‚Priorität Nummer eins‘ erklärt. In der Rede erklärte Trump zudem, er werde im Falle eines Wahlsiegs Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkennen und die amerikanische Botschaft von Tel Aviv in die ‚ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes‘ verlegen.
Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern im Rahmen der ’schwachen und inkompetenten‘ Vereinten Nationen lehnte er ab. ‚Die Konfliktparteien selbst müssen eine Lösung aushandeln‘, sagte er. Die Vereinigten Staaten könnten eine Vermittlerrolle spielen, aber niemand dürfe Israel aufzwingen, was es zu tun habe. ‚Die Vereinten Nationen sind kein Freund der Demokratie. Sie sind kein Freund der Freiheit. Sie sind nicht einmal ein Freund der Vereinigten Staaten‘, sagte er. ‚Und mit Sicherheit sind sie kein Freund Israels.’“
Hier ein ebenfalls interessanter Auszug:
„Trump said he would ensure no ‚daylight‘ exists between the US and Israel– a common term in Washington to describe a policy gap. His use of the word, and the speech taken as a whole, suggested Trump may be taking a step toward formal speechmaking and away from his more blustering, colorful and unscripted rhetoric.“
Aber das spielt bei Plasberg keine Rolle: Trumps Eintreten gegen den Antisemitismus, der in der Obama-Zeit gewachsen ist, sein Eintreten für Israel. Nur wenige, stille Worte davon in Deutschland, es würde das Bild stören, obwohl die Sicherheit Israels gerade von Angela Merkel zur Staatsräson erhoben wurde. Aber viel Präzision in der Recherche findet nicht mehr statt. Er ist und muss das wilde Tier bleiben, als das ihn deutsche Medien brauchen, um sich umso besser zu fühlen und den einheimischen Kleinpolitikern das Gefühl der moralischen Überlegenheit zu vermitteln, wenn es schon sonst an allem mangelt.
Hin und wieder störte Dirk Schlümer den Schlummer der (Selbst)Gerechten und wendete ein, dass „nichts so heiß gegessen, wie es gekocht werde.“ Die ganzen Provokationen und Beleidigungen, die man wohl zu zählen aufgegeben hat „Das macht er ganz gezielt, um sich als Produkt zu verkaufen.“ Privat würde Trump nicht über einen Menschen schlecht sprechen – in der Öffentlichkeit nutze er dies als Mittel zum Zweck der höheren Aufmerksamkeit.
Vermieden wurde zu erwähnen, wie einige der letzten Aufeinandertreffen von Trump Unterstützern mit „Protestierenden“ verliefen oder wie man sie hier übersetzen würde: „Aktivisten“. Immer öfter kommt es dabei zu handfesten Auseinandersetzungen und Angriffen, mit Pfefferspray wie in Anaheim in Kalifornien, werden mit Eiern beworfen, verfolgt und attackiert wie in San José.
Was allerdings vorgeführt wird, ist Trumps Bitte, sich diejenigen zu schnappen, die Tomaten werfen. Das wird in der Sendung immer wieder als Aufruf zur Gewalt interpretiert. Aha. Wer Tomaten wirft, ist der Gute, dem niemand in den Arm fallen darf? Weil die Tomatenwerfer auf der guten Seite stehen? Weil Tomaten rot sind? Weil Terror von Links in Deutschland staatlich subventioniert und politisch gefördert wird?
Besorgte Politiker
Dass Donald Trump der nächste Präsident der USA wird, ist für viele Menschen zur Schreckensvorstellung gemacht worden. „Ich habe Angst vor Trump“, sagt Norbert Röttgen, ein besorgter Politiker mit Panikknopf. „Das wird der schmutzigste Wahlkampf aller Zeiten“, stellt er in Aussicht.
Da haben wir ja Erfahrung in Deutschland mit schmutzigen Wahlkämpfen. Wir befördern das ja auch mit Staatsmitteln.
Die eigentliche Frage ist nicht, dass Trump gegen Minderheiten polemisiert und einfache Lösungen anbietet, sondern ob das die Gründe für seinen Erfolg sind. Worin diese bestehen, darüber herrscht bei den Gästen von „Hart aber fair“ keine Einigkeit. Ist es die Tatsache, dass der Milliardär lange Zeit von anderen US-Politikern unterschätzt wurde, wie Journalist Ingo Zamperoni vermutet? Oder ist es einfach nur der Ausdruck der tiefen Unzufriedenheit in der US-Bevölkerung mit der derzeitigen Politik, wie Roger Köppel glaubt? Er sagt, im Gegensatz zu vielen Politikern des Establishments wirke Trump authentisch, vermittle den Eindruck, die Sorgen und Nöte der Amerikaner ernst zu nehmen, Trumps Anhänger als Idioten hinzustellen, wäre irreführend: „Man darf die Menschen in den USA nicht unterschätzen.“
Der Erfolg Trumps sei in erster Linie den vergangenen Jahren Präsident Obamas geschuldet, betont Kabarettist Serdar Somuncu: „Obama war nicht der Superstar, für den man ihn zu Beginn seiner Amtszeit gehalten hat.“ Der habe oft zögerlich agiert und bei Konflikten die nötige Entschlossenheit vermissen lassen: „Für Amerika ist es besser, wenn eindeutige Positionen vertreten werden.“ Und das nicht nur für die Amerikaner: Eine Außenpolitik Trumps der klaren Positionen sei womöglich für andere Länder berechenbarer. Da hat er nicht ganz Unrecht. Es sollte der einzige lichte Moment Somuncus in der Sendung bleiben.
Angriffe auf Flüchtlingsheime – Mitschuld der Politik?
Aber warum sonst gewinnen populistische Positionen auf der ganzen Welt an Zulauf? Roger Köppel: Die etablierten Parteien „tabuisieren die Themen, die die Leute bewegen“. Mit seiner auf Deutschland gemünzten These, die Politik trage die Mitschuld daran, wenn Flüchtlingsheime brennen, macht er sich für den Rest der Sendung zum Outcast, zum deutschen TV-Trump. Denn jetzt sind sich Somuncus und Roettgen plötzlich einig: Es ist Köppel, der Flüchtlingsheime zum brennen bringt und Menschenleben gefährdet, dieser Vorwurf wird doch tatsächlich formuliert – und vom Publikum beklatscht. Das ist die neue Linie, die exekutiert werden soll.
Wer auch nur die deutsche Politik kritisiert, ihr Ausblenden der Folgen ihrer Immigationsförderung, ist ein Täter. Man greift sich an den Kopf – und während man noch damit beschäftigt ist, rastet Somuncu gleich noch mal aus: „Türken seien für die Deutschen Ersatzjuden“, wird er im Einspieler sagen. Hier bewährt sich die Methode hart aber fair von Schnipselmann & Ansager, wie sich Plasberg, der Ansager, und sein Kompagnon, der Filmemacher selbst nennen: Somuncus Verharmlosung des Holocaust ist schwer erträglich. Während Juden vor Deutschland und den Gaskammern flüchten mussten, soweit sie dazu noch fähig waren, strömen Millionen von Türken ins Land, und wie man an ihm selbst sieht: bis an die Spitze der Gesellschaft, und das in kürzester Zeit. Sie als Juden zu bezeichnen ist ungeheuerlich.
Das ist kein Spott – das ist, wenn man gutwillig ist, die reine Dummheit. Dagegen erhebt sich kein Widerspruch: Denn Somuncu steht ja auf Seite der Bundeskanzlerin, und Köppel auf der Seite Gaulands. So einfach ist das deutsche Fernsehen gestrickt. Und so muss sich Köppel gegen eine Suada von Vorwürfen verteidigen: Er werfe die Brandfackel, die komplette Schweiz sei ein Irrenhaus von Nationalisten, die schon Verkehrssünder des Landes verweisen (ist das Rassismus gegen Schweizer?). Mit solchen Sprüchen wird Politik gemacht.
An Köppel wird gezeigt, was passiert, wenn jemand aus dem Konsens der staatlich verordnete Refugee-Welcome-Jubelei ausbricht und etwa fordert, dass ausländische Straftäter wie die von der Kölner Silvestervergewaltigungsnacht ausgewiesen und abgeschoben werden sollen: wer das fordert, was eigentlich selbstverständlich sein sollte, wird von Somuncu niedergeschrien. Die Sendung wird zum Durcheinandergeschrei, in dem sich der Lauteste durchsetzt, auch, wenn er den größten Blödsinn und die ungeheuerlichsten Dummheiten verzapft. Und das ist immer der Kabarettist mit seiner bühnengestählten Stimme.
Da mag Dirk Schümer immer wieder darauf hinweisen, dass mit solchen Methoden der Diskurs, die demokratische Debatten unterdrückt werden: Die Ungeheuerlichkeit, die Verleugnung der Wirklichkeit und das Niederbrüllen des Anderen ist die Methode, die sich in Deutschland durchzusetzen beginnt.
Plasberg, sonst durchaus bemüht, ist überfordert. Geschrei siegt, die Sendung verstümmelt sich selbst im Durcheinander der sich überschlagenden Rechthaber.