Ach, es wär‘ doch so schön, wär’s ein gesamtgesellschaftliches Problem. Wir sind bei Hart aber fair, bei Plasberg, bei einem Moderator der irgendwann unvermittelt auch in Verdacht gerät, ein bisschen gedieterwedelt zu haben, als die eingeladene Familienministerin Katarina Barley berichtet, sie hätte sich mal mit Plasbergs Maskenbildnerinnen unterhalten.
Dieter Wedel hat Dreck am Stecken. Aber es ist der Dreck namens Mann. So ungefähr muss man sich das vorstellen, was Plasberg im altrosa Hemd moderieren muss, als Barley aus der Maske plaudert, wo besagte Bildnerin wütend erklärt hatte: Vor ihrem Ruhestand möchte sie diesem Typen endlich mal erzählen, was für ein A**** er sei, woraufhin die zweite Maskenbildnerin abwehrt, sie solle das mal schön sein lassen, schließlich müsse sie hier noch eine Weile aushalten. (Hatte Frau Barley die Erlaubnis der Maskenbildnerinnen? Hart aber fair?)
Nun fragt man sich, wer bei Plasberg regelmäßig in die Maske muss außer Plasberg selbst. Der Kameramann ja wohl weniger. Es gibt hier nur Frank P., der Rest arbeitet hinter den Kulissen. Was lernen wir daraus? Auch der sympathische Moderator im Kostüm des netten Mannes von Nebenan ist potentiell verdächtig – es kann jeden Mann erwischen. In Amerika verlassen Männer schon das Büro, wenn sie nur noch mit einer Frau alleine dort sind, wird später ein Zuschauer in der Zuschauerrunde per Facebook erzählt. Das kennt man, das ist die Parallelgeschichte zum Fahrstuhl, in den der US-Mann nicht mehr einsteigen würde, wenn eine Frau sich dort alleine aufhält.
Worum geht es noch? Es geht darum, bloß nicht mehr zu finden: Hey, diese Barley ist zwar ein bisschen in die Jahre gekommen, aber immer noch eine ganz süße Schnecke mit ihren großen Kulleraugen. Aber bitte, wer würde so etwas heute noch sagen oder gar aufschreiben jenseits der Generation Brüderle?
Eingeladen, um über Wedel und den Mann im Allgemeinen Gericht zu halten, wurden bei Hart aber fair neben der SPD-Politikerin der „Zeit Magazin“-Chefredakteur Christoph Amend, Strafrechtsprofessorin Monika Frommel, Thomas Kleist, Intendant des Saarländischen Rundfunks, Lisa Ortgies, Moderatorin der WDR-Sendung „Frau tv“ und später kam noch Emilia Smechowski dazu, Autorin des SZ-Magazins.
Letztere hatte im Selbstversuch männlichen Sexismus nicht in beruflichen Hierarchien, sondern im Alltag überprüft, aber irgendwie keinen entdeckt, der die Zuschauer davon hätte überzeugen können, dass wir ein ernsthaftes Problem hätten. Schlimmer: Als sie im Hotel beim Frühstück einen Herrn zur Rede stellt, der sie falsch oder seltsam oder zu lange anschaut bzw. anstiert, erfährt sie von ihm, dass seine Frau gerade verstorben sei und sie ihn an die Verstorbene erinnert hätte. Besser kann man die Hysterie dieser Tage kaum umschreiben.
Für den Spiegel, wo sonst meistens Arno Frank die Talkshow-Nachlesen macht, darf zu dieser Sendung eine Frau schreiben, über die der Spiegel im Nachspann vorsichtshalber erwähnt, sie sei Mitglied bei Pro Quote Medien.
Wahrscheinlich ist das tatsächlich die große Verknotung: Diese Weinsteins, Wedels und Co sind Bosse, die sich mutmaßlich an Abhängigen vergangen haben. An Menschen, die ihr Geld verdienen müssen, deren Karrieren gefährdet erscheinen, wenn sie sich wehren. Aus dieser hierarchischen Warte unisono gesellschaftliche Betrachtung abzuleiten, ist schwierig, ist aber der Tenor der Debatte rund um #metoo. Nur wird dabei aber schnell vergessen, dass mindestens ebenso viele Männer in solchen Hierarchien die unteren Ebenen bekleiden. Hart aber fair?
Hierarchien sind Pyramiden, keineswegs sind oben die Männer und unten die Frauen. Lassen wir doch mal jenseits von Hart aber fair einen solchen Mann zu Wort kommen, um die Sache mal einzuordnen, wo sie hingehört:
#metoo «Meine Arbeit wurde regelmäßig vom Chef vor versammelter Mannschaft mies gemacht, die oft hoch gelobten „flachen Hierarchien“ ebenso wie ein vertrauliches Duzen gaben dem Chef Raum, in Meetings nach Belieben von der sachlichen auf die persönliche Ebene zu wechseln. Ein freundliches „Guten Morgen“ zur Stimmungsmache für den Tag einfach mal nicht erwidert, Mails tagelang nicht mehr beantwortet, das Nerv-Instrumentarium unendlich. Über Jahre wurde der Fortbestand der Arbeit regelmäßig in Frage gestellt, vor Kollegen machte der Chef in meiner Abwesenheit meine Arbeit schlecht, wurde dabei beleidigend und persönlich. Die Folgen reichten von massiven körperlichen Beschwerden bis hin zu psychischen Auswirkungen.»
Hier berichtet ein Mann über etwas, was er seinen täglichen Terror von oben im Großraumbüro nennen könnte. Terror, den er lange meinte, als Mann aushalten zu müssen. Spontan würden wir es wohl heute Mobbing nennen, denn sexuelle Belästigung fand hier nicht statt. Was wir aber daraus lernen können, längst leiden nicht nur Frauen bis hin zur Selbstzerstörung unter Machtstrukturen. Das Ende der Freude und Fröhlichkeit, das Ende der Lust an der Arbeit. Aber am meisten: Das Ende der Würde. So betrachtet ist sexuelle Belästigung von oben nach unten ebenfalls eine Form von Mobbing.
Was nun bei Plasberg in Gestalt der beiden eingeladenen Journalistinnen Einzug hielt, war die Frage, wie aus dem betrieblichen männlichen Machtterror ein gesamtgesellschaftlicher zu machen wäre im Sinne der #metoo-Debatte. Thomas Kleist, Intendant des Saarländischen Rundfunks hatte leider einen sehr schwachen Auftritt und wurde aus erklärbaren Gründen von Plasberg wie ein rohes Ei angefasst. Der – das darf man sagen – schon ältere Herr ist Nachfolger jener Verantwortlichen beim WDR, die im Fall Wedel eine vor über zwanzig Jahren dem Rundfunk angezeigte schwere Körperverletzung und versuchte Vergewaltigung an zwei jungen Darstellerinnen unter den Tisch gekehrt hatten.
Nun hat Kleist eine Task Force eingerichtet. Und noch ein paar andere innerbetriebliche Diskussionsrunden angestoßen. Das Ganze wirkt bei Kleist aber doch nur pflichtschuldig. Wenig überzeugend. Möglicherweise tut man ihm aber bereits Unrecht, wenn man über dem alten weißen Mann in höchster Position automatisch ein Schwert mehr aufhängt. #metoo wirkt also schon. Aber hier an der hierarchischen Position scheint es doch noch angebrachter als am einfachen Mann auf der Straße.
Oder anders: Kleist trifft es leider doppelt: als Mann und als Chef. Der Mann auf der Straße erlebt die Debatte anders: Alte Familienmodelle brechen auseinander, mehr Frauen als Männer geben das Initial zur Scheidung. In den USA werden schon 70 Prozent der Scheidungen von Frauen eingereicht. Welt im Wandel. Und Männer scheinen damit größere Probleme zu haben. Übrigens: von Frauen erzogene Männer. Was machen diese Mütter falsch?
Jenseits der Hierarchien, dessen Willkür Frauen wie Männer gleichermaßen trifft, nur unter anderen Vorzeichen, geht es in der #metoo Debatte um gesellschaftliche Veränderungen, die eingefordert werden. Der Mann als Schwein. Er soll sich verändern in der täglichen Begegnung mit Frauen. Ein Feintuning im Umgang der beiden Geschlechter miteinander soll nun vorgenommen werden. Feintuning, weil wir lange nicht mehr mit dem Rollenverständnis der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts leben müssen. Viel hat sich verändert. Frauen steht heute ein viel größeres Instrumentarium zur Verfügung, sich gegen übergriffige Männer zu wehren. Antidiskriminierungsgesetze werden in größeren Betrieben in die Tat umgesetzt, die Gesellschaft ist insgesamt aufmerksamer geworden, man schaut hin, man spricht miteinander.
Nein, es gibt keine Schweigekartelle mehr wie noch vor Jahrzehnten. Hier hätte die #metoo-Debatte noch weitaus hilfreicher sein können, hätte sie die Unterscheidung zwischen hierarchischer und geschlechtsspezifischer Übergriffigkeit sauberer herausgearbeitet. Was allerdings bei Plasberg mit keinem Wort zur Sprache kommt, aber elementar wichtig gewesen wäre zu besprechen, ist eine massenhaft zugewanderte männlich-muslime Übergriffigkeit. Da kommen Männer ins Land aus archaischen, patriarchal geführten Stammesgesellschaften, die tatsächlich meinen, einen guten Grund zu haben, ihre Frauen unter Schleiern vor dem Mann von nebenan zu verstecken. Die aber auch nach Deutschland kommen mit einem Bild der Frau in Europa, genährt – auch das darf man nicht verschweigen – nicht nur von einer Freizügigkeit aus der Werbung und Hollywood-Blockbustern, sondern auch aus Millionen von Hardcore-Pornofilmen, jederzeit verfügbar auf den allgegenwärtigen Handys. Aus diesen beiden Extremen formt sich ein Frauenbild, das von den Forderungen der #metoo-Debatte ungefähr so weit entfernt ist, wie die Erde vom Mond. Mitten in Deutschland. Und immer öfter.
Nun geht es hier nicht darum, den schwarzen Peter an den Zuwanderer weiterzureichen. Jeder hat die Aufgabe, für sich selbst immer wieder zu überprüfen, ob er so behandelt werden will, wie er selbst andere behandelt. Und das ganz besonders auch, wenn man Führungspositionen bekleidet. Ministerin Barley macht eine Vorschlag: Jeder Mann solle sich einmal fragen, ob er möchte, dass seine Freundin oder Schwester so angesprochen wird, wie er selbst Frauen anspricht. Ein netter Vorschlag. Ja, am Ende gibt es dann auch noch solche praktischen Tipps für Männer. Demnächst dann sicher auch ins Arabische übersetzt. Papier ist ja bekanntlich geduldig, ganz gleich ob von links nach rechts oder andersherum beschrieben.