Tichys Einblick
Es fährt ein Zug nach Nirgendwo

Hart aber Fair: So desolat wie die Bahn

Eine Sendung zur Deutschen Bahn. So konsequent wie die Bahn selbst. 75 Minuten Hart aber Fair – das war wie 75 Minuten Verspätung. Warten auf dem Bahnsteig und nervtötende Anschlussprobleme könnten nicht unterhaltsamer sein. Fünf Leute fahren nirgendwo hin. Und Sie sind live dabei! Von Michael Plog.

Screenprint: ARD/hart aber fair

Für alle, die wenig Zeit haben, hier vorab die wichtigste Frage: Was hat die Sendung gebracht? Und die Antwort gleich hinterher: nichts. Sie könnten hier also aufhören zu lesen und weiterklicken. Viel Spaß bei den wirklich wichtigen Inhalten auf Tichys Einblick.

Wir stellen dann mal den Zug der Sendung unter dem Titel: „Zu spät, zu schlecht, zu teuer: Warum ist die Bahn so kaputt?“ zusammen: Als Lokomotive der Sendung nehmen wir einen Vorstand der Bahn, zuständig für Infrastruktur. Und was macht der Vorstand: lamentiert darüber, dass die Infrastruktur so schlecht sei. Da hat man keine Fragen mehr. Wir wissen schon jetzt, dass dieser Zug niemals ankommen wird.

Berthold Huber heißt der Mann. Der Vorstand für Infrastruktur der Deutschen Bahn hat die seltene Gabe, jede Menge heiße Luft so zu verpacken, dass sie inhaltsschwer und wichtig klingt. Tatsache ist allerdings: die heiße Luft ist auch nach dem Durchlauf durch den Semantik-Turbo noch völlig unverändert: heiße Luft. Beispiel: Huber berichtet aus der Praxis. Er stellt wortgewaltig ein vermeintlich großartiges Konzept vor, das er abarbeitet. Es läuft auf folgende Punkte hinaus:
1. Ziele definieren
2. Infrastruktur bewerten
3. Gucken, ob beides zusammenpasst.

Das war es. Selbst der letzte gutmütige ÖRR-Zuschauer muss sich in diesem Moment fragen: Was um Himmels Willen macht dieser Mann auf einem Vorstandsposten? Und wie erst müssen die Leute ticken, die jemandem wie Huber allen Ernstes einen Vorstandsposten gegeben haben? Vorstand – das ist immerhin ganz oben.

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Zur Einordnung: Richard Lutz, Vorstandschef der Deutschen Bahn, bezieht pro Jahr rund eine Million Euro (gerade erst um satte zehn Prozent angehoben). Was also mag ein Phrasendrescher wie Huber bekommen? Die Hälfte wäre noch zwanzigmal zuviel. Und die Frage ist bei beiden, Lutz wie Huber: Wofür, wieso – und mit welcher Rechtfertigung?

Die Deutsche Bahn steht im internationalen Vergleich da wie unsere Sportmannschaften: Keine Chance, keine Medaillen, stetiger Abstieg. Sie ist derart unpünktlich, dass die Schweizer Bahn zusätzliche Anschlusszüge einsetzen muss, damit der eigene Fahrplan nicht komplett zusammenbricht. Die Deutsche Bahn ist teuer. Sie wird, um es kurz zu sagen, missbewirtschaftet. Und das auch noch für immer horrendere Vorstandshonorare.

Aber weiter im (Deutschland-)Takt: Erster Waggon ist Staatssekretär Michael Theurer aus dem Verkehrsministerium. Dieser Waggon ist unbeladen, im Wortsinne. Dann die Autorin einer Dokumentation, die vor der Talkrunde ausgestrahlt wurde: Zusammen mit Wettermann Sven Plöger (warum berichten Wetterfrösche zur Bahn?) hat Fatma Mittler-Solak einen Film über das harte Leben als Fahrgast auf deutschen Bahnschienen gedreht. Das Stück war einigermaßen erhellend. Und zur Sendung steuert die Autorin mit ihren Redebeiträgen durchaus etwas Kontakt zur Wirklichkeit bei. Aber die wahren „Fachleute“ können ihre Einwürfe nicht wirklich aufs Gleis setzen.

Dritter Waggon: Prof. Christian Böttger, Bahn- und Verkehrsexperte. Man spürt: Er weiß mehr, als er sagt. Aber er traut sich offenbar nicht. Ist er etwa schon zu tief im System? Seine Kritik kratzt meist nur an der Oberfläche. Als es etwa darum geht, dass in Offenburg ein kompletter, 655 Millionen Euro teurer Tunnel gebaut wurde, nur weil Wolfgang Schäuble (CDU) aus persönlichen Befindlichkeiten etwas an dem Projekt lag, da blitzt Böttgers Insiderwissen durch. Aber das Thema wird leider nicht weiter vertieft.

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Und dann ist da noch der letzte Waggon: Sarah Bosetti. Die Satirikerin hängt wie ein Blinddarm an diesem Zug, um es einmal in ihren eigenen Worten zu sagen: sie ist nicht wirklich essentiell für das Überleben dieser Sendung. So abscheulich, wie sie sich vor nicht allzu langer Zeit gegenüber Impfskeptikern äußerte, fragt man sich: Was hat sie zu dem Thema beizutragen, außer: sehr wenig bis nichts? Sie hat eine BahnCard 100, ok. Und demnächst eine neue Sendung. Das wird es wohl sein, warum sie an diesem Abend mit am HAF-Tresen sitzt. Ansonsten schwebt über ihr und ihren Redebeiträgen an diesem Abend nur ein großes Fragezeichen.

Was aber ist nun das Problem der Deutschen Bahn? Die Sendung stochert vergeblich im Nebel. Könnte es vielleicht daran liegen, dass die Deutsche Bahn das meiste Geld ausgerechnet mit dem Gütertransport auf der Straße verdient? Dieser Aspekt wird in der Sendung nicht einmal angerissen. Dabei hat DB Schenker, also die Lastwagensparte des Konzerns, im Jahr 2022 mit 1,8 Milliarden Euro den höchsten operativen Gewinn in seiner Geschichte geschrieben. Während die Schienengüterverkehrs-Tochter DB Cargo tiefrote Zahlen schrieb: 665 Millionen Euro (bereinigtes EBIT) im Minus, wie der Konzern bilanziert.

Könnte es also sein, dass da bei der Bahn ganz strukturell etwas ganz massiv im ganz Argen liegt? Eine Bahngesellschaft, die auf die Straße setzt und die Schiene vernachlässigt? Keine Antworten dazu in dieser Sendung.

Sie wollen zum Ende dieses Textes kommen, stimmt’s? Das verstehen wir. Aber Sie müssen noch warten und auf der Strecke halten: der Anschluss-Absatz verzögert sich.

Bitte warten Sie.

Nein, alles nur Spaß, wir haben eine gute Nachricht: Hier ist er schon! Der finale Absatz. Es muss schließlich auch mal was funktionieren, wenn es um die Bahn geht.

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