Die Ampel-Koalition ist seit letzter Woche Geschichte. Wie geht es nun weiter in Deutschland? Diese Frage diskutierten Louis Klamroth und seine Gäste gestern bei Hart aber fair. Die zentralen Punkte der Debatte waren dabei: Warum ist die Koalition gescheitert und wer trägt dafür die Verantwortung? Wann stellt Olaf Scholz die Vertrauensfrage und wann finden Neuwahlen statt? Welche Rolle spielt die Bundeswahlleiterin dabei? Und was in diesen Tagen natürlich nicht fehlen durfte: Welche Rolle wird die Schuldenbremse für den Bundestagswahlkampf spielen?
Das Ampel-Aus und seine Profiteure
Als Olaf Scholz am vergangenen Mittwoch vor die Mikrofone trat, um als Kanzler Stellung zum Bruch der Regierungskoalition zu nehmen, war die Sache eigentlich schon klar: Mit seiner ultimativen Forderung an seinen Finanzminister, eine finanzielle Notlage auszurufen, um neue Schulden aufnehmen und der Ukraine weitere Milliarden zur Verfügung stellen zu können, hat Scholz den Bruch der Koalition provoziert. Dass er ihn auch geplant hat, beweist seine vom Teleprompter abgelesene Rede, die er statt für mehr als angebrachte Selbstkritik für parteipolitisches Kleinklein und eine unwürdige persönliche Abrechnung mit Christian Lindner nutzte.
Seitdem verbreiten er und seine Partei eine Erzählung, in der Lindner, die Rolle des Sündenbocks zugeschoben wird: Er habe lieber deutschen Rentnern die Rente kürzen wollen, als neue Schulden für die Ukraine aufzunehmen. Dass dieser Spin verfängt, zeigte noch am selben Abend die denkwürdige Reaktion der SPD-Bundestagsfraktion als Scholz nach seiner Rede bei der Fraktionssitzung erschien: Der noch amtierende Kanzler wurde dort von geradezu hellauf begeisterten Abgeordneten empfangen.
Ob sich die Entlassung Lindners und damit der Koalitionsbruch für die SPD bei Neuwahlen bezahlt macht, darf allerdings stark bezweifelt werden. Sicherlich: In links-grünen Kreisen wurde die Lindner-Schmährede abgefeiert, schließlich waren dem politmedialen Elfenbeinturm die „neoliberalen“ Kapitalisten der FDP von Beginn an ein Dorn im Auge. Aber abgesehen von den eigenen Unterstützern und dem linksliberalen Mainstream?
Meint man in der SPD tatsächlich, dass außerhalb dieses erlesenen Kreises Scholz‘ Attacke gegen Lindner – eines Kanzlers und Staatsmannes unwürdig – ihm irgendwelche Sympathiepunkte eingebracht hätte? Das Gegenteil dürfte richtig sein. Und entscheidend ist zudem ohnehin ein anderer Punkt: Die völlige Unpopularität der Ampel.
Als Louis Klamroth Wolfgang Kubicki damit konfrontierte, dass 40 Prozent der Bevölkerung der FDP die Schuld am Ampelende geben, lieferte er ihm damit in Wahrheit eine Steilvorlage. Denn diese Art von Schuld, die darin besteht, für das Ende der unbeliebtesten Regierung in der Geschichte der BRD gesorgt zu haben, kann für die FDP natürlich nur von Vorteil sein. Ebenso wie es bei einer Gangsterbande, die eine Bank überfällt und dabei Geiseln nimmt, einem der Geiselnehmer vor Gericht angerechnet würde, wenn er während des Überfalls Gewissensbisse bekäme und die Aktion scheitern ließe, kann die FDP berechtigterweise darauf hoffen, am Wahltag von der vermeintlich eigens herbeigeführten Beendigung dieses allgemein verhassten Projekts namens „Fortschrittskoalition“ zu profitieren (womit die Ampelregierung keinesfalls mit einer Gangsterbande gleichgesetzt werden soll).
Das Ende der Ampel wirkt für die FDP wie eine Befreiung aus einer erdrückenden Zwangsjacke. Das belegen auch die über tausend seit Mittwochabend bei der Partei eingegangenen Mitgliedsanträge. Unabhängig wie man selbst nach drei Jahren Ampelregierung die Glaubwürdigkeit der Partei beurteilen mag, muss man erkennen, dass ihm und der FDP die Rolle des Sündenbocks im eigenen politischen Lager mehr nutzt als schadet, weil sie geschafft hat, was die Partei aus eigenem Antrieb vielleicht nicht hinbekommen hätte: sich klar und deutlich von den einstigen Koalitionspartnern abzugrenzen und so bei Neuwahlen womöglich noch einmal mit einem dunkelblauen Auge davonzukommen.
Das Geschacher um Vertrauensfrage und Neuwahlen
Apropos Neuwahlen: Auch das parteipolitische Geschacher, das Scholz mit der Causa der Vertrauensfrage veranstaltet, ist alles andere als ruhmreich. Dass es ihm – der sich bei Caren Miosga allen Ernstes Chancen auf einen Wahlsieg ausrechnete – offensichtlich darum geht, die Vertrauensfrage und damit mögliche Neuwahlen hinauszuzögern, um Vorbereitungszeit für die eigene Wahlkampagne zu gewinnen, ist durchschaubar und zeigt einmal mehr, dass er weder Größe noch Format für das Amt des Bundeskanzlers besitzt.
Sein Genosse und SPD- Generalsekretär Matthias Miersch ließ diesbezüglich in der Sendung mehrmals durchblicken, dass sich die Fraktionsspitzen von SPD und CDU/CSU in Hintergrundgesprächen über die Zeitpunkte von Vertrauensfrage und Neuwahlen verständigt hätten und dass Scholz wohl in seiner Regierungserklärung am Mittwoch beide Termine ankündigen wird. Nun denn, dann heißt es wohl abwarten und geduldig sein.
Der Einzige, der den Staat delegitmiert, sind Sie und ihre Partei, Herr Miersch!
Geduldig sein, das könnte in nächster Zukunft überhaupt noch wichtig werden. Schließlich hat unsere Bundeswahlleiterin unlängst vor zu schnell anberaumten Neuwahlen gewarnt (sic!) nachdem von einem Sprecher zuvor noch erklärt wurde, dass man auch in kurzfristigen Neuwahlen keine große Herausforderung sehe. Neben anderen Dingen wurde unter anderem der vermeintliche Mangel an Druckerpapier als Argument für einen späteren Termin ins Feld geführt. Die Wahlleiterin geriet daraufhin in die Kritik, weil die dazu befragte Papierindustrie zumindest dieses Argument als Falschaussage entlarvte.
Dorothee Bär (CSU), die nicht mehr getan hatte, als diese simple Wahrheit auszusprechen, musste sich daraufhin von Matthias Miersch vorwerfen lassen, dass sie mutwillig das Ansehen demokratischer Institutionen beschädige, sich mithin der Delegitimierung des Staates schuldig mache und damit Extremisten in die Karten spielen würde.
Das ist schon ein starkes Stück, Herr Miersch! Und dazu schlicht falsch. Denn die Wahlleiterin wird nicht in einem demokratischen Verfahren gewählt, sondern vom Innenminister – in diesem Fall also von Nancy Faeser (SPD) – ernannt. Kritik an ihrer Person kann demokratische Institutionen nicht delegitimieren.
Weil Sie, Herr Miersch, in Bezug auf die Legitimation demokratischer Institutionen in freien Gesellschaften offenbar erheblichen Nachholbedarf haben, helfe ich Ihnen gerne auf die Sprünge: Die Legitimation demokratischer Institutionen speist sich, und anders geht es in Demokratien ja überhaupt nicht, aus der Zustimmung der Bevölkerung und ihrer zweckmäßigen Funktionalität. Wenn eine Regierung sich als dysfunktional erweist, indem sie gegen die Wünsche einer Mehrheit der Bevölkerung regiert, wird sie zurecht abgewählt. Und wenn die Bundeswahlleiterin öffentlich aus zum Teil nachweislich widerlegten Gründen erklärt, sie könne ihrem Job, nämliche Wahlen vorzubereiten und durchzuführen, nicht nachkommen, wird sie zurecht kritisiert. Durch ihr Verhalten hat sie sich selbst delegitimiert. Die öffentliche Kritik aber ist höchstens Symptom und nicht Ursache dieser Delegitimierung. Abgesehen davon sollte Ihre Partei beim Thema Delegitimierung des Staates lieber etwas Demut walten lassen, Herr Miersch. Denn kaum eine Partei hat in den letzten Jahren mehr für den Vertrauensverlust in staatliche und demokratische Institutionen getan als die SPD.
Erinnert sei an dieser Stelle etwa an Olaf Scholz‘ Verwicklung in Wirecard- und Cum-Ex-Skandal oder an seine Corona-Politik, die plötzlich keine verfassungsrechtlichen roten Linien mehr kannte. Oder an Karl Lauterbachs glücklicherweise gescheitertes Impfpflicht-Projekt. Oder an Nancy Faeser ebenso autoritären Versuch, par ordre du mufti unliebsame Medien zu verbieten. Nicht zu reden von verfassungswidrigen haushaltspolitischen Tricks der Ampelregierung.
Miersch verplappert sich bei der Schuldenbremse
Womit wir beim Thema des Tages und vermutlich des kommenden Wahlkampfes angelangt wären: Der Auseinandersetzung über den Bundeshaushalt und die Schuldenbremse. Auch die gestrige Hart aber Fair-Runde kam natürlich ohne dieses Thema nicht aus. Schließlich ist ja auch die Ampel letztlich am Streit über die Schuldenbremse zerbrochen.
Miersch stellte sich dabei auf den Standpunkt, dass Scholz‘ Forderung aus den Koalitionsverhandlungen mit Lindner von der im Grundgesetz festgelegten Schuldenbremse gedeckt sei. Zumindest dann, wenn man wegen des Krieges in der Ukraine und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten eine fiskalische Notsituation ausgerufen hätte. Ob man in Karlsruhe dieser Auffassung gefolgt wäre, darf zumindest ernsthaft bezweifelt werden, spielt aber auch keine Rolle.
Von Robin Alexander auf den Widerspruch zwischen dieser Forderung und der Erzählung, das Scholz‘ Forderung sich im Rahmen der Schuldenbremse bewegt habe, angesprochen, wirkte Miersch regelrecht ertappt und verlor zum ersten Mal in der Sendung seinen roten Faden.
Komisch auch, dass die Debatte um die Schuldenbremse just dann an Fahrt gewinnt, wenn dem Staat das Geld für all seine Wohltaten auszugehen droht. Man könnte fast meinen, dass dort irgendein Zusammenhang besteht. Margaret Thatcher hat das Dilemma einmal auf den Punkt gebracht: „Das Problem vom Sozialismus ist, dass Dir irgendwann das Geld anderer Menschen ausgeht“. An diesem Punkt steht auch der traurige Rest der Ampel-Regierung heute. Und weil ihnen das Geld anderer Menschen ausgegangen ist, suchen Miersch und Co nun händeringend nach Geld, das überhaupt nicht existiert. Nicht zuletzt deshalb wird die nächste Bundestagswahl – wann auch immer sie nun auch stattfinden wird – eine richtungsentscheidende Wahl über die fiskalische Zukunft der Bundesrepublik. Liebe Leser, Sie haben es in der Hand!