Tichys Einblick
Schneller umfallen als sein Schatten

Bei Hart aber Fair: FDP-Chef in NRW kann sich allgemeine Corona-Impfpflicht „gut vorstellen“

Plasberg träumt so sehr von der Impfpflicht, dass er sie all seinen Gästen aus der Nase ziehen möchte. Mit Erfolg: Die eine meint, Österreich sei uns "im Guten" voraus – und dann sieht der Zuschauer eine gegenderte evangelische Impf-Predigt.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

Die Lage auf den Intensivstationen ist mal wieder angespannt – für Frank Plasberg Grund genug, eine weitere Corona-Ausgabe von „Hart aber Fair“ vom Stapel zu lassen. „Ein Blick dahin, wo es wehtut“, nennt es der Moderator. „Drohender Klinik-Kollaps: Wie lange hält das Personal noch durch?“ ist die Frage, unter der die Diskussion an diesem Montagabend laufen soll.

Dementsprechend geht es los – als erster Gast erhält der Darmstädter Corona-Arzt Cihan Çelik das Wort. Mit einem Bericht wird der Alltag auf seiner Covid-Station geschildert – mit all seinen Dramen, Facetten und Problemen. Eindrucksvoll zeigen die Bilder, wie ernst es zweifelsohne für die Intensivmediziner ist. „Jetzt kommen wir nicht mehr so hinterher“, sagt Çelik in der Reportage, während er am Schreibtisch sitzt. „Mehr Covid können wir nur versorgen, wenn andere Patienten abbestellt werden.“ Ihn frustriert die „absolute Vermeidbarkeit“ der Situation, wie er sagt: „Wir haben genug Impfstoff, wir haben sehr viele junge Patienten“, führt er aus. Dass über den Sommer trotz Fortbestehens der Pandemie 6.000 Intensivbetten abgebaut wurden und damit derzeit jede Krankheitswelle zur Überlastung führen muss – Nachdenken und Ursachenforschung sind Fehlanzeige, wenn gegen eine Minderheit mobilisiert werden soll. Auch das Versagen der Impfung als Voraussetzung für die jetzige Pandemie der Geimpften – kein Thema in der Runde der Scheuklappenträger.

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Dann folgt das politische Scharmützel, es wird von Kristina Dunz eröffnet. Sie gehört mit dem CSU-Generalsekretär Markus Blume, dem stellvertetenden NRW-Ministerpräsidenten Joachim Stamp (FDP) und der neuen EKD-Ratsvorsitzenden Annette Kurschus zu den weiteren Gästen der Runde. Die Hauptstadtjournalistin vom Redaktionsnetzwerk Deutschland teilt erstmal ordentlich gegen die Herren der Politik aus. Sie sieht in den letzten Monaten ein „politisches Komplettversagen“. „Alles, was Sie jetzt an Zeit verschwendet haben, das kommt noch oben drauf“, keilt Dunz gegen Stamp. Der Bund-Länder-Gipfel hätte ihrer Meinung nach schon deutlich früher stattfinden müssen.

Ihr ist der Weg zurück in den Lockdown nicht schnell und nicht hart genug. Alles Lockere sei ein „psychologisch falsches Signal“. Und dass es keinen generellen Lockdown mehr geben solle, sei auch falsch – leider könne man nicht, wie in Österreich, „so richtig reinhauen“. Sowohl GroKo als auch Ampel hätten versagt, schimpft Dunz. Das ist selbst Plasberg zu einfach und holzschnittartig. Doch Plasberg greift ihre Österreich-Ausführungen anschließend auf, fragt, warum Merkel denn nicht den Giga-Lockdown durchgedrückt habe. Bereits vor einer Woche fragte er Ähnliches – hier ist wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Österreich sei uns „im Guten“ voraus, meint der Moderator mit kaum verhohlener Sympathie für den Lockdown.

Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus hat an diesem Abend ihren ersten Talkshow-Auftritt als Oberin des deutschen Protestantismus. Zunächst spricht sie – wie man es von EKD-Chefs und Chefinnen kennt – andächtig, betroffen, mit viel Gestik und noch mehr Gender-Sprache. Doch die seichte Predigt wird schnell zu einer Brandrede. „Für mich ist die Impfung eine christliche Pflicht, wenn ich weiß, dass ich für andere eine potenzielle Gefährdung bin.“ „Es ist deine Pflicht, dich impfen zu lassen!“, ruft Kurschus in die Kamera. Für sie sei Schluss mit Respekt vor anderen Meinungen und Entscheidungen. „Hier muss jetzt gesagt werden – impf dich!“ In einem Moment, der fast wie Selbstreflexion wirkt, stellt die Protestantin später fest: „Wir merken doch, wie gereizt die Menschen sind.“ Nur, um dann zu erklären: Der angebliche Schutz der Vulnerablen sei jetzt wichtiger als das Zusammenführen der Gesellschaft. Das, findet selbst Plasberg, ist eine „Hammer-Aussage“. „Menschlich und tief von Herzen“, charakterisiert hingegen RND-Journalistin Dunz.

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CSU-Generalsekretär Markus Blume fällt in dieser Sendung vergleichsweise selten auf. Selbstverständlich agitiert er ganz im Sinne des Corona-Fürsten Markus von Bayern für eine Impfpflicht. Diese, so orakelt er, sei wichtig, um die 5. Welle zu verhindern. Wie man so eine Impfpflicht überhaupt durchsetzen würde, kann er nicht erklären – er ist aber zuversichtlich, dass es trotz Grundrechten funktionieren würde. Den Ball greift Plasberg dankend auf und wendet sich an Joachim Stamp. Einst hatte er eine Art „Freedom Day“ gefordert – jetzt muss er vor Plasberg Kreide fressen. Ob dieser sich eine Impfpflicht vorstellen könnte, fragt der Moderator.

Der FDP-Mann versucht, sich in Satzfluten und Sprachwirrwar zu verstecken, aber Plasberg lässt nicht locker. Stamp druckst derart herum, dass selbst die Zuschauer im Studio sich ein Lachen nicht verkneifen können. Langsam zieht Plasberg es dem Nordrhein-Westfalen doch aus der Nase – er habe keine Vorstellung, wie man ohne allgemeine Impfpflicht aus der Pandemie herauskommen könnte. Schließlich räumt Stammel-Stamp klar ein, dass er für eine allgemeine Impfpflicht ist: „Ich persönlich kann mir das gut vorstellen.“ Ein weiterer FDPler ist gefunden, der seine Partei aus Feigheit weg von der Freiheit führt – das Umfallen der Magenta-Demokraten ist live zu beobachten.

Was bleibt vom Talk? Impfen ist moralisch und bald auch gesetzlich Pflicht, Lockdown muss am besten schon gestern und hart kommen – der Corona-Konsens ist nach der letzten Sendung schnell wieder hergestellt. Die Einheit der Nation soll per Zwangsimpfung hergestellt werden. Es ist ein neuer Tiefpunkt einer Debattenkultur, für die Nachdenken oder Abwägen Fremdwörter geworden und die Brutalisierung der Sprache und der Hetze die neue Norm sind.

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