Tichys Einblick
Hart aber Fair: „Die verrohte Republik“

Sind AfDler an den Angriffen auf sie selbst schuld?

Die Sendung endet mit der Forderung nach einem Verbotsverfahren - weniger wegen des Verbots, sondern mehr wegen der gesellschaftlichen Folgen, die so ein Verfahren hat, die gesellschaftliche Prangerwirkung. Aber sonst sind alle sehr bedrückt über die Verrohung unseres Diskurses.

Screenprint ARD / Hart aber Fair

Bei Hart aber Fair an diesem Montag beschäftigt man sich mit Gewalt gegen Politiker und den immer raueren Ton im politischen Deutschland. „Die verrohte Republik: Wie gefährdet ist die Demokratie?“ lautet der Titel. Die Sendung beginnt mit einem Interview mit dem aktuellen Hauptzeugen dieser Gewalt: Matthias Ecke, SPD-Europakandidat, der vor wenigen Tagen beim Aufhängen seiner Wahlplakate angegriffen und verletzt wurde. Ein Hämatom unter seinem Auge zeugt noch von dem Schlag, den er abbekam. Wie es ihm seither ergangen sei, will Klamroth wissen, dafür ist er extra in seinen Wahlkreis gereist.

Sie sprechen darüber, dass ein Angriff auf einen Politiker auch ein Angriff auf die Demokratie ist, wie man sie verhindern kann und dann stellt Lois Klamroth die vielsagende Frage: Auch Politiker der AfD werden oft angegriffen – sind die an diesen tätigen Angriffen selbst schuld? Eines muss man Ecke zugute halten, was mehr über die Rauheit des politischen Diskurses aussagt, als die gesamte folgende Sendung, er lehnt das ab und erklärt, dass Gewalt immer falsch ist, ohne ein Aber hinten ran zuhängen.

Verfassungsschutz
Wie der Staat eine legale Partei bekämpft
Dieses Interview setzt den Ton für die folgende Sendung. Eine Sendung, die von Widersprüchen durchzogen ist und von moralischen Dilemmas. Eine Sendung, die tatsächlich nicht nur über die AfD redet, sondern auch mit ihr. Beatrix von Storch ist geladen und gekommen. Neben sie hat man Katrin Göring-Eckardt von den Grünen gesetzt, daneben Sebastian Fiedler von der SPD. Gegenüber von Beatrix von Storch sitzt der unter anderem als Jurist vorgestellte Ulf Buermeyer. Neben ihm sitzt Doro Bär, daneben der Zeit-Journalist Martin Machowecz.

Doch am Anfang sind da nur drei Leute im Studio, wenn man das immer eifrig klatschende Publikum nicht mitrechnet. Von Storch und Buermeyer sitzen sich gegenüber, während Klamroth zwischen den Tischen der beiden hin und her läuft und dabei seinen Kindheitstraum auslebt, einmal als Anwalt der Krone ein Verhör durchzuführen. Buermeyer wie auch natürlich von Storch werden dabei zum Verfassungsschutz-Urteil befragt. Beide stellen dabei heraus, dass mit diesem Urteil nichts bewiesen ist, es besteht lediglich ein dringender Verdacht, Buermeyer vergleicht es mit einem Haftbefehl.

Von Storch kündigt an, dass ihre Partei sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren würde. Den Verfassungsschutz bezeichnet sie als poltische Behörde. Buermeyer stimmt ihr bei letzterem zwar nicht zu, gesteht aber ein, dass man diesen Vorwurf erheben könnte, da der Verfassungsschutz im Innenministerium angesiedelt ist. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass diese vielleicht doch eine sachliche Sendung mit sachlichen Diskussionen werden könnte und ist überrascht davon, wie neutral der Jurist erst einmal wirkt und dass Klamroth von Storch tatsächlich meist ausreden lässt.

Urteil des OVG Münster:
AfD darf als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden
Doch damit würde man sich irren – sowohl zum weiteren Verlauf der Sendung als auch beim Juristen Buermeyer, der nebenbei bemerkt auch Mitglied der SPD war – womit in dieser Sendung einschließlich Ecke drei aktuelle oder ehemalige SPDler vertreten sind. Buermeyer musste sich wohl noch etwas warm laufen oder brauchte den Mut der Gruppe, den er bekam, als sich nach diesem Duell die Stühle mit den weiteren Gästen füllten. Jedenfalls endete die Sendung mit der Forderung nach einem Verbotsverfahren – weniger wegen des Verbots, sondern mehr wegen der gesellschaftlichen Folgen, die so ein Verfahren in der Bevölkerung hat. Mit seiner Strafrechtsanalogie vom Haftbefehl könnte man sagen: Man klagt einen Verdächtigen an, nicht damit er ins Gefängnis kommt, sondern für die gesellschaftliche Prangerwirkung. Aber wir sind ja alle sehr bedrückt über die Verrohung unseres Diskurses.

Buermeyer bleibt natürlich nicht der einzige, der die AfD als demokratiefeindlich bezeichnet und deshalb einen Verbotsantrag fordert. Sebastian Fiedler ist seit dem Verfassungsschutz-Urteil für ein verschärftes und geeignetes Vorgehen gegen die Partei. Als Beispiel für Demokratiefeindlichkeit nennt er, dass Beatrix von Storch das Urteil als „Unrechtsurteil“ bezeichnet und behauptet, der Verfassungsschutz sei politisch gesteuert.

Wenn Herr Fiedler wüsste, wie Juraprofessoren über die deutschen Gerichte sprechen, würde er wohl die Universitäten schließen lassen. Ich muss da an meinen Verfassungsrechtsprofessor denken – der übrigens das Grundgesetz gendern will, also wohl eher kein AfDler ist, der einmal zu uns sagte: „Man kann das Bundesverfassungsgericht kritisieren und als Wissenschaftler müssen wir das auch, ganz besonders hier, die Entscheidung ist nämlich Schwachsinn.“ Zum anderen ist auch die Empörung über den Vorwurf gegen den Verfassungsschutz und seine mangelnde Neutralität interessant, wo doch eingangs noch zugesagt wurde, dass man den Vorwurf durchaus erheben kann.

TE-Interview
Die AfD ist keine verfassungswidrige oder gar zu verbietende Partei, so Staatsrechtler Rupert Scholz
Aber das ist nur einer der vielen Widersprüche der Sendung, die man gar nicht alle aufzählen und analysieren kann. Sich solch unstimmiger Argumente immer wieder zu bedienen, wenn es um die AfD geht, weil man über die ja alles sagen darf, solange es gegen sie ist, mag bequem sein. Es raubt jedoch Glaubhaftigkeit – beim Wähler, der einen AfD-Sieg verhindern könnte. Man schießt sich vielmehr selbst ins Knie. Und doch fragt Louis Klamroth Beatrix von Storch, als es um Beleidigungen und herbe Sprache in der Diskussion geht: „Wollen Sie sich bei den beiden für die Nazisprüche entschuldigen?“ Gemeint mit den beiden sind Göring-Eckardt und Fiedler, die von Storch in unterschiedlichen Kontexten aus unterschiedlichen Gründen schon mal als Nazi, beziehungsweise im Fall von Göring-Eckardt als „Klimanazi“ bezeichnet hat.

Hätte ich mir vor der Sendung eine Bingokarte mit Sprüchen oder Phrasen geschrieben, die ich in dieser Sendung zu diesem Thema erwartet hätte, wäre mir da viel eingefallen. Irgendwelche Sätze mit dem „Kampf gegen Rechts“ und alternativ „gegen Hass und Hetze“ stünden da. Ich wäre vielleicht noch darauf gekommen, dass man nicht sonderlich souverän damit umgeht, dass AfDler ja selbst häufig Opfer von Gewalt werden, auch wenn ich nicht unbedingt auf die Idee gekommen wäre, dass man die Schuld dafür ihnen selbst geben will. Dass man aber von einem Politiker der AfD fordert, sich dafür zu entschuldigen, dass sie andere als Nazis bezeichnet – wow, das stand ganz sicher nicht auf meiner Bingokarte.

Beatrix von Storch antwortet darauf, man müsse Verständnis für die Situation der AfD-Abgeordneten haben, da sie ja selbst den ganzen Tag als Nazis beschimpft würden. Darauf ruft ihr Sebastian Fiedler wiederholt: „Das ist Unsinn!“ dazwischen. Gütig wie er ist, gibt Klamroth von Storch „noch eine Chance“, sich bei den beiden zu entschuldigen, immerhin will sie doch auch nicht als Nazi bezeichnet werden. Von Storch zitiert stattdessen Äußerungen anderer öffentlichen Figuren über die AfD – Strack-Zimmermann, die die AfD als „Haufen Scheiße, auf dem die Fliegen sitzen“ bezeichnete etwa oder dernPräsidenten von Eintracht Frankfurt, der davon gesprochen hat, man müsste „ihnen ins Gesicht“ kotzen.

Britische Presse aufgeschreckt
AfD-Verbot in Deutschland „brutaler Angriff auf die Demokratie“
Klamroth lässt also kommentarlos von ihr ab und geht stattdessen zu Doro Bär über. Die hat wenig Verständnis für die AfD, immerhin hätte sie ja den politischen Diskurs selbst so vergiftet, dass man nicht mehr normal miteinander spräche. Zum Beispiel schade die Partei dem Diskurs, weil alle anderen in Diskussionen zu sehr damit beschäftigt wären, sich von ihr abzugrenzen und nicht mehr über inhaltliches sprechen können, das Publikum klatscht eifrig, auch wenn man nicht ganz verstehen kann, wie es der AfD zuzurechnen ist, dass andere sich zu viel Zeit auf Diskussionen dafür nehmen, sich von ihr abzugrenzen.

Vor allem aber steht die Sendung vor einem Problem: Alle drehen sich im Kreis. Irgendwann hat eine Seite, man ist sich nicht einig wer, mal angefangen, in einem raueren Ton mit der anderen Seite zu sprechen. Jedenfalls seit die Protestwelle 2015 so populär geworden ist, hat keiner mehr Skrupel, die AfD aufs äußerste zu beleidigen, zu bedrohen, Gewaltfantasien zu äußern. Gegen die Bösen ist alles gerechtfertigt. Als Reaktion darauf hat dann die AfD angefangen, die Beleidigung als Nazi zurück zu geben. Weil sie das aber gemacht hat, ist es jetzt noch gerechtfertigter, sie als Nazi zu bezeichnen. So wird keine Seite jemals aufhören, die andere als Nazi zu bezeichnen. Aber warum auch? Sonst müsste man tatsächliche, in sich stimmige Argumente vorbringen und sachliche Diskussionen führen. Und die sind fast noch schlimmer als Nazi.

Anzeige

Richtigstellung:

In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass Herr Buermeyer Mitglied der SPD ist. Über einen Anwalt hat uns Herr Buermeyer mitteilen lassen, dass er kein SPD-Mitglied mehr ist. Wir halten an der ursprünglichen Darstellung nicht fest und stellen dies hiermit richtig.

Zudem hieß es in der früheren Version des Artikels, dass Herr Buermeyer in der Sendung ein Verbot der AfD forderte. Ausdrücklich hat er lediglich einen Verbotsantrag gefordert. Auch insoweit halten wir an der ursprünglichen Darstellung nicht fest und haben diese richtiggestellt.

Die Redaktion

Die mobile Version verlassen