Tichys Einblick
Keine Brandmauer bei Brunnenreparatur

Hart aber Fair: AfD-Wähler trifft „Verantwortung“

Louis Klamroth ließ seine AfD-Kritiker so unsympathisch und inhaltsleer aussehen, dass es eine Sendung für die AfD wurde. Elisa David sieht das misstrauisch und hofft, der Verfassungsschutz auch.

Screenprint: ARD / hart aber fair

Sehr geehrter Verfassungsschutz, ich habe eine Anzeige zu machen. Ich würde sowas normalerweise niemals tun – Sie wissen schon, andere verpetzen –, doch ich erachte es in diesem Ausnahmefall als meine patriotische Pflicht, mein Vaterland vor einem Demokratiefeind und Hetzer zu schützen, auf den Sie ganz dringend mal ein Auge werfen sollten.

Es geht um einen Mann, der sehr gute Verbindungen in die journalistische, politische und aktivistische Szene des politischen Berlins hat und somit für Verfassungsfeinde eine sehr gute Quelle darstellen dürfte. Außerdem hat er selbst eine nicht unbeträchtliche Reichweite vorzuweisen, mit der er Leute in ganz Deutschland für seine perfiden Pläne mobilisieren kann.

Sein Name ist Louis Klamroth und er moderiert die Sendung hart aber fair am Montag um 21 Uhr. Und diesen Montag, in seiner Sendung „Nach dem Attentat, vor den Wahlen: Welche Folgen hat der Angriff auf Solingen?“ instrumentalisierte er seine Reichweite und das Attentat von Solingen, um die AfD zu bewerben.

Er hat das sehr gekonnt getan. Natürlich war die Sendung nicht als Werbung gekennzeichnet. Er hat auch nicht zur Wahl der AfD aufgerufen. Doch er hat ihr so geschickt in die Karten gespielt, dass man nur von gemeiner Absicht sprechen kann.

Geplanter Schwerpunkt zerschossen
Solingen zerstört die Erzählung vom „Kampf gegen Rechts“
Nur drei Tage nach dem Anschlag in Solingen und sechs Tage vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen sitzen bei Klamroth im Studio Bundestagsvizepräsidentin und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt, der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler, der ehemalige CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, die Historikerin und Autorin Katja Hoyer, der Bürgermeister von Gartz und Mitglied der Partei des Fortschritts Luca Piwodda und die Aktivistin und Initiatorin des Bündnisses „Dorfliebe für alle“ in Thüringen Lina Herzog.

Katrin Göring-Eckardt kommt damit durch, dass sie angesichts der drei Prozent für ihre Partei und den 30 Prozent, die die AfD laut Umfragen in Thüringen gerade holt, ganz zufällig und passenderweise wieder über ein Verbotsverfahren der AfD nachdenkt. Sie kommt auch damit durch, immer andere Gäste anzuzicken, besonders die jüngeren und unerfahrenen in der Runde.

Sie kommt damit durch, dass sie bei der Frage nach Abschiebungen im Kontext mit Attentaten wie Solingen plötzlich damit um die Ecke kommt, über Jesidinnen zu sprechen. Dabei sind die einzigen, die Jesiden abschieben, die Behörden, für die es gemütlicher ist, Leute abzuschieben, die sich an Regeln halten und tatsächlich in ihrer gemeldeten Wohnung anzutreffen sind. Anders als etwa der Täter von Solingen, der sich seiner Abschiebung einfach entzogen hat.

Sie kommt auch damit durch, dass sie die ganze Zeit davon spricht, dass es für komplexe Probleme auch komplexe Lösungen braucht, als ob alles, worauf der durchschnittliche Pöbel als Forderung kommt, sofort unterkomplex und damit falsch ist.

Wut statt Trauer
Die Verwandlung der Bürger in wehrlose Opfer
Sebastian Fiedler kommt damit durch, dass er ein absolutes Messerverbot fordert, weil das seiner Meinung nach ein „Signal an die Jugendlichen“ wäre. Er kommt damit durch, die Kritiker eines solchen pauschalen Verbots als „Millionen von apfelschälenden Menschen“ lächerlich zu machen, die Sorge um ihr Taschenmesser haben.

Er kommt damit durch, den massiven Grundrechtseingriff der Vorratsdatenspeicherung zu fordern. Er kommt auch damit durch, dass er die Wähler der AfD für nicht so unschuldig befindet, sie vielmehr „eine Verantwortung“ träfe: „Man kann nicht einfach nur sagen, alle stehen auf dem Wahlzettel und deswegen sind die alle gleich.“ Sie wissen sehr wohl, dass die Partei vom Verfassungsschutz beobachtet wird und entscheiden sich bewusst dafür. Ja, an diesem Montag kommen sie alle mit ihren interessanten Sichtweisen und Forderungen durch.

Wer sollte sie auch aufhalten? Bosbach? Der hat zwar ab und zu seine Momente, aber auch nur, weil ihm die Vorlagen auf dem Silbertablett serviert werden. Am Ende kommt er dann doch nur damit um die Ecke, dass die Bürger ja deshalb ihr Vertrauen in die Politik verloren hätten, weil die Ampel so viel streitet. Und dass Faeser mal endlich die IP-Datenspeicherung durchbringen sollte.

Solingen und die Reaktionen
Serie der Terrortaten: Nach dem Ignorieren kommt das Relativieren
Es gibt nur einen Gast, der kommt nicht so ohne Weiteres durch. Der 24-jährige Bürgermeister Luca Piwodda hat nämlich verkündet, dass es bei ihm keine Brandmauer gibt. Er will Parteipolitik vor den Stadtmauern lassen. Ein AfD-Mitglied repariert aktuell mit eigenen Mitteln einen Brunnen in der Stadt und er lässt ihn daher gewähren.

Das kann Klamroth nicht auf sich beruhen lassen. Er fordert eine Stellungnahme von Piwodda und fragt reihum die Gäste, was sie davon halten, bis Göring-Eckardt endlich sagt, was er hören will, nämlich dass man die Brandmauer vor allem in der Landes- und Bundespolitik nicht fallen lassen darf.

Nicht zugegen, aber trotzdem Thema des Tages: die AfD. Ein junger Bürgermeister muss sich rechtfertigen, weil er einen AfDler einen Brunnen bauen lässt, statt ihn aus dem Dorf zu treiben. Wenn Menschen ermordet werden, geht es darum, was die AfD davon hält. Wenn es um Demokratie geht, geht es um die AfD.

Klamroth hat eine Sendung, die man komplett auch ohne die AfD hätte machen können – jedenfalls würde man doch denken, dass Politiker sich auch eigene Gedanken zur inneren Sicherheit machen können –, zu einer AfD-Sendung gedreht. Er hat es dabei geschafft, seine größten anwesenden AfD-Kritiker unsympathisch und inhaltsleer aussehen zu lassen. Also ich bin da sehr misstrauisch und ich hoffe, der Verfassungsschutz ist es auch.

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