Tichys Einblick
Dirty Harry weist Dauerempörte zurecht

Harald Schmidt zu BSW und AfD: „Wahlen abschaffen und Ergebnis vorher festlegen“

Harald Schmidt übt sich in Blasphemie. Die Aufgeregtheit um AfD und BSW versteht er nicht. Den neurotischen, dauerhysterischen Journalisten solle man den Pass wegnehmen. Und wem die Wahlergebnisse nicht passen, soll sich ein anderes System suchen.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Sebastian Gabsch

Wenn die Aufgeregten eins nicht hören wollen, dann, dass man sich weniger aufregen soll. Die von der medialen Spitze bis in die letzte Faser des Konsumenten eingedrungene Hysterie angesichts des Siegeszugs gleich zweier Parteien, die den in verschiedenen Kolorationen vorhandenen Merkel-Stil der Bundesrepublik endgültig beenden wollen, ist so ein Fall.

Das „Geheimtreffen“ in Sylt und Gegröle in Potsdam (oder war es andersherum – egal, Hauptsache, die Erregungsmaschine läuft!) sind Vorboten des baldigen Untergangs der deutschen Demokratie. Da kommt es nicht gut, wenn jemand mit der Reichweite eines römischen Papstes einfach sagt: alle mal halblang. In einer eher mittelmäßigen Komödie hat Harald Schmidt mal einen Erzbischof gespielt, aber anders als bei Kardinal Marx hören die im daueraufgeregten Mediensinai verlorenen Schafe dem Hirten wirklich zu.

„Solange gewählt wird, haben wir eine Demokratie“, sagte Schmidt. Auch wenn die Ergebnisse von AfD und BSW stark ausfallen sollten. Das ist Blasphemie im Heidenland. Und dann sagt er es noch deutlicher: Die Aufregung über die Erfolge von AfD und BSW in Ostdeutschland könne er nicht nachvollziehen. Und wenn solche Ergebnisse unerwünscht seien, dann müsse man eben andere Politik machen. Auf seine Blasphemie tanzt Schmidt und lacht: Jehova, Jehova!

Überhaupt braucht man das mit den Wählern nicht so ernst zu nehmen. Die wüssten im Zweifelsfall selbst nicht so ganz, warum sie wen wählten. Inhärenter Rechtsextremismus? Reichsbürger? Höcke-Diktator-Phantasien? „Es bleibt mir doch völlig frei gestellt, warum ich wen wähle. Es gibt seriöse Untersuchungen: 25 Prozent der Wählerinnen und Wähler wählen etwas anderes, als sie glauben. Weil sie das Wahlsystem nicht richtig kapieren. Oder weil sie glauben, Guido Westerwelle wäre bei der Linkspartei. (…) Es ist doch mein gutes Recht zu sagen, ich wähle den, weil: Der hat so schöne Schnürsenkel.“

Vulgo: Journalisten behandeln ihre eigenen Neurosen mit Schreibtherapie, während Bodo aus Thüringen (okay, falscher Vorname, aber es geht ums Prinzip) den Björn eigentlich nur wählt, weil es bei ihm leckere Rostbratwurst am Wochenende gab.

Aber Schmidt geht noch einen Schritt weiter. Denn: Wenn man etwas gegen Wahlergebnisse hat, wäre es da nicht besser, die Demokratie ganz abzuschaffen? Das ist die Quintessenz zwischen den Zeilen, die Harald Schmidt bietet, wenn er sagt: „Das sind Ergebnisse von freien Wahlen, von freien, gleichen und geheimen Wahlen. Wenn ich das nicht will: Wahlen abschaffen oder Ergebnis vorher festlegen.“ Aus Brecht mach Schmidt: Das Volk hat das Vertrauen der Journalisten verspielt.

Denn es ist diese Klasse, die Schmidt eigentlich im Visier hat, wenn er hinzufügt, dass es „noch andere Modelle“ gebe. Die Diktatur der Intelligenzia ist der eigentliche Wunsch derjenigen, die sich als große Demokratieverteidiger aufspielen. Schmidt entlarvt das Gehabe in zwei Sätzen.

Die TV-Legende hat es mittlerweile zu ihrem Markenzeichen gemacht, die gesellschaftliche und politische Situation en passant zu kommentieren, statt in irgendeinem ÖRR-Format auf dem Bildschirm der Belanglosigkeit das wegdösende Alterspublikum im Schlaf zu behelligen (was man bei Sarah Bosetti und Jan Böhmermann dann als Top-Quote verkauft). Es ist bemerkenswert, dass solche Schnipsel die Republik aufwühlen. Das Post-Medien-Phänomen Schmidt zieht auch deswegen, weil es von der Publikumsbeleidigung zur Elitenbeleidigung zurückgefunden hat.

„Ich würde jedem Journalisten den Pass abnehmen, der sagt, die Welt ist aus den Fugen.“ Auch hier spinnt Schmidt einen weiteren, im Grunde altlinken Faden weiter, der früher gegen das „Establishment“ gerichtet war. Es erinnert an ein legendäre Antwort Theodor Adornos. Ein Spiegel-Journalist hatte sein Interview mit den Worten „Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung …“ einleiten wollen, worauf Adorno unterbrach: „Mir nicht.“

Nichts Neues unter der Sonne. Ein unaufgeregter Grundkatholizismus, der an das Buch der Sprüche erinnert, dass letztendlich alles Windhauch ist. Oder eben heiße Luft. Gestern CDU, heute eben AfD. Die Welt dreht sich weiter. Vielleicht würde dem Land etwas weniger Hysterie und Dauererregtheit guttun. Mit solchen Forderungen kann man die Leute erst richtig zur Weißglut bringen. Nicht nur bei AfD und BSW.

Anzeige
Die mobile Version verlassen