Hans-Georg Maaßen steht dem ungarischen Staatsfernsehen Rede und Antwort. Und wie schon zuvor auf Veranstaltungen der Werte Union nimmt er dabei kein Blatt vor den Mund. Aber darf man das, ausgerechnet im Land von Viktor Orbán Tacheles reden? Oder riskiert man mit solchen Auftritten heute schon, morgen oder übermorgen zum Prüffall zu werden, selbst dann, wenn man über Jahre hinweg Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war?
Hans-Georg Maaßen zur Frage, warum Abschiebungen von ausreisepflichtigen abgelehnten Asylbewerbern in Deutschland nicht funktionieren:
Das hat eine ganze Reihe von Gründen, angefangen damit, dass die Herkunftsstaaten oftmals nicht bereits sind, diese Leute zurückzunehmen. (Sie) sind nicht bereit, teilweise aus schier ökonomischen Gründen. Ein Asylsuchender in Deutschland, der Geld in die Heimat überweist, ist aus zwei Gründen gut. Zum einen gibt es Devisen und zum anderen (ist) eine Person, die möglicherweise arbeitslos ist, den einheimischen Arbeitmarkt belastet oder straffällig wird, ist letztendlich ein Schaden für das Heimatland. Deswegen sind sie selten bereit, diese Leute ohne weiteres aufzunehmen.
Zum anderen haben wir sehr, sehr komplizierte Abschiebungsschutzbestimmungen. Jemand, der in Deutschland deutsche Kinder hat, mit einer Deutschen verheiratet ist, jemand, der im Herkunftsland möglicherweise unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht, dem möglicherweise die Todesstrafe drohen könnte, der ist vor Abschiebung geschützt. Das frustriert in hohem Umfang dann die Behörden, die für die Abschiebung zuständig sind.
Hinzu kommt aber auch, dass es so genannte NGOs gibt, die bewusst auch Abschiebungen verhindern, indem sie den Abzuschiebenden unterstützen oder ihn verstecken und dergleichen. Insgesamt muss man sagen, ist die Abschiebungspolitik in Deutschland leider ein Desaster, aber leider nicht nur in Deutschland, auch in anderen westeuropäischen Staaten.
Es gibt sehr viele Menschen, die an der Verhinderung der Abschiebung von Asylsuchenden verdienen. Das muss man offen aussprechen. Jeder Asylsuchende kostet den Staat viel Geld, aber das Geld geht auch in die Taschen von bestimmten Personen, die mit diesen Leuten Geld verdienen.
Das ungarische Fernsehen fragt Maaßen weiter, ob die Integration einer so großen Zahl von Asylbewerbern überhaupt möglich sei.
Die Integration ist möglich, wenn man die rechtlichen Rahmenbedingungen schafft und auch die Leute dazu bringt, sich integrieren zu lassen oder sich zu integrieren. Integration kann man nicht nur anordnen, sondern Integration muss man auch fordern. Das ist die Erwartungshaltung, die man an jeden Ausländer haben muss, der zu uns kommt.
Und meine Sorge ist, dass es eine Integration gibt, aber keine Integration in die deutsche Gesellschaft, sondern in die arabische Gesellschaft, in die salafistische Gesellschaft oder die türkische Gesellschaft in Deutschland, dass wir also Parallelgesellschaften haben. Und das muss aus meiner Sicht mit aller Kraft verhindert werden.
(Das gesellschaftliche Klima) hat sich in den letzten Jahren aus meiner Sicht eher zum Schlechteren verändert. Und das habe ich auch als Präsident des Bundesverfassungsschutzes mit Sorge gesehen. Vor dem Hintergrund, dass wir wahrgenommen haben, dass viele Menschen in Deutschland, die eigentlich zur bürgerlichen Mitte zählten oder zählen, die CDU oder SPD gewählt haben, sich von den Parteien abgewendet haben und dann eine neue Partei, die AfD, Alternative für Deutschland, eine rechte Partei unterstützten oder wählten.
Das ist eine Abkehr im Grunde genommen von den bisherigen Parteien und eine Hinwendung zu einer ganz neuen Kraft. Etwas, was wir in anderen westeuropäischen Ländern auch schon gesehen haben. Angefangen in den Niederlanden oder auch in Italien oder auch in Frankreich. Aber das führt auch zu einem Aufbrechen des bisherigen Parteiensystems, zu einer Erosion kann man sagen auch des Vertrauens in das Funktionieren des bisherigen Parteiensystems. Und eine Abkehr von Menschen von dieser Demokratie. Und das hat und erfüllt mich heute noch mit Sorge, dass diese Entwicklung nicht gestoppt ist, sondern noch weiter geht.
Zur Angst, seine Meinung frei zu äußern, wenn man nicht in die rechte Ecke gestellt werden will:
Ich habe nicht die Sorge, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Aber ich sehe natürlich auch mit Sorge, dass viele Menschen, zum Beispiel mir gegenüber sagen: Herr Maaßen, das was sie tun und sagen, finde ich wunderbar und ich unterstütze sie … Dass ich, wenn ich in ein Restaurant gehe, von wildfremden Menschen angesprochen werde und beglückwünscht werde zu meiner Haltung, aber dass diese Leute sich nicht trauen, das auszusprechen.
Das finde ich schade und ich muss an meine Familienbiografie denken: Ich hatte vor einiger Zeit noch eine Tonbandaufnahme gehört, die ich 1980 mit meinem Onkel gemacht hatte über die Zeit von 1933-45. Mein Großvater war von den Nazis misshandelt worden. Mein Onkel war verfolgt worden. Und all dass, was er damals geschildert hatte, führte jetzt zu der Erinnerung: Totalitarismus und Meinungsdiktatur kann auch heute möglich sein. Ich sage nicht, dass das in Deutschland der Fall ist, aber das muss verhindert werden.
Und deswegen muss man den Mut auch haben, die Sachen auszusprechen, die von anderen vielleicht nicht gemocht werden. Es liegt vielleicht auch an den Führungspersonen. Ich selbst habe mir gesagt: Wenn ich nicht meine Meinung frei äußere, wie kann ich es von meinen Mitarbeitern erwarten? Und ich habe auch die Erwartung an Führungspersonen in der Wirtschaft, in der Verwaltung, überhaupt im Staat, dass die soviel Rückgrat haben, ihre Position zu äußern.
(Es gilt das gesprochene Wort)