Man beißt nicht die Hand, die einen füttert, lautet das Motto bei Caren Miosga am gestrigen Sonntagabend: Sie hat Robert Habeck eingeladen, um ihn zu fragen, ob die Ampel Deutschland überfordert. Dabei meint Miosga vor allem mittelständische Unternehmen, die sich mit teuren Energiepreisen, Vorschriften, Regulationen, Bürokratie, ungeklärten Fragen und Kohlenstoffdioxid-Abgaben herumschlagen müssen.
Es hätte sicherlich viele Mittelständler gegeben, die sich an diesem Abend gerne mit Habeck an einen Tisch gesetzt hätten, um ihre Sorgen und Probleme mitzuteilen. Stattdessen sitzt der Vorstandsvorsitzende des Stahlkonzerns Salzgitter AG, Gunnar Groebler, in Miosgas Studio. Diesem Unternehmen hat Habeck erst vor Kurzem eine Subvention in Höhe von rund einer Milliarde Euro überreicht. Groebler „steht Herrn Habeck zur Seite und ihm kann die grüne Transformation nicht schnell genug gehen“, wie es Miosga treffend ausdrückt. Beispielsweise nennt er die Milliarde, welche die Steuerzahler für die „grüne Transformation“ seines Unternehmens zahlen, nicht „Subvention“: Dieser Begriff ist seiner Meinung nach falsch. Es sei eine „Investition in den Staat“. Außerdem habe sein Unternehmen weitere eineinhalb Milliarden Euro selbst in den „grünen Umbau“ investiert. Entsprechend halte er das Geld vom Staat für „gerechtfertigt“.
Habeck versucht, sich mit allerlei Argumenten herauszureden: Er behauptet, dass Deutschland seine Chips und Halbleiter momentan noch vom Weltmarktführer der Chip- und Halbleiterproduktion importiere: Dieser Weltmarktführer sei Thailand. Zum Glück passt Löhr auf und erinnert den Wirtschaftsminister daran, dass er wohl nicht Thailand, sondern Taiwan meint. Beschämtes Lachen. Und sie fragt Habeck, ob es nicht auch ohne „Bestechungsgelder“ möglich wäre, Unternehmen nach Deutschland zu locken und in Deutschland zu halten.
Nach Habecks Einschätzungen spielt die Welt allerdings nicht mehr „nach den Regeln der freien Marktwirtschaft“. Groebler nickt brav. Was die beiden vergessen: Es ist nicht „die Welt“, die seit zwei Jahren immer mehr Vorschriften erfindet, die den Wirtschaftsstandort Deutschland unattraktiv machen, sondern die Ampelregierung. Aber in der grünen Ideologie zählt eben nur „Klimaschutz“ und „Dekarbonisierung“. So auch für Groebler, der behauptet, dass es richtig sei, in große Unternehmen zu investieren, weil die einen „Ausstrahleffekt“ haben würden: Sein Stahlkonzern schaffe zum Beispiel ein „Ökosystem“ aus rund 700 Unternehmen für die Industrie des „grünen Stahls“.
Habeck wird an diesem Abend an Vieles erinnert: Miosga erinnert ihn im Einzelgespräch an seine Idee für ein neues „Sondervermögen”, das Habeck vergangene Woche präsentiert habe – ohne Absprache mit Finanzminister Christian Lindner (FDP). Mit diesem acht Milliarden schweren „Sondervermögen”, also Sonderschulden, möchte Habeck Unternehmen entlasten, also subventionieren, weil die ökonomische Lage „so eng“ sei. Miosga wundert sich, dass Habeck sich nicht zunächst mit Lindner in einen Raum setzt, um über solche Ideen zu sprechen, statt es direkt öffentlich zu machen. Habeck erwidert, er rede häufig mit Lindner und sehe ihn häufiger als seine Familienmitglieder. Dann versteckt er sich in einem weiteren Schlupfloch: Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus seien ein gutes Zeichen für den „Schutz des Grundgesetzes“.
Miosga holt ihn jedoch schnell wieder aus diesem Schlupfloch heraus und erinnert ihn an die Unzufriedenheit der Bürger: Immerhin finde die AfD seit dem Beginn von Habecks Amtszeit beinahe doppelt so viel Zuspruch. Das liegt laut Habeck aber nicht an ihm, sondern am „Außen“: Durch den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine seien viele Probleme in Deutschland entstanden, die vor allem mit den teuren Energiepreisen zusammenhängen, meint Habeck. Somit „ist der Wohlstand geschmälert worden“. Außerdem gebe es ebenfalls rechtspopulistische Bewegungen in anderen europäischen Ländern, die nicht von der Ampel regiert würden: „Wir leben in extrem fordernden Zeiten, die auch viele Menschen überfordern können“, sagt Habeck. Aber die Ampel versuche „Lösungen“ zu finden.
Miosga erinnert Habeck ebenfalls an den 4. Januar: An diesem Tag haben einige Bauern Habeck daran gehindert, eine Fähre zu verlassen. Dabei war er doch mal „Bauernflüsterer“, wundert sich Miosga. Habeck wundert sich auch: Als er damals noch Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein war, habe es auch Proteste gegeben, aber er sei mit den Bauern „klargekommen“. Dieser Protest im Januar war aber „anders als sonst“: Es sei nicht möglich gewesen, Argumente auszutauschen, meint Habeck. Komisch: In dem Text über Habeck auf Miosgas Website hieß es doch: „Er stellt sich wütenden Bauern.“ Am 4. Januar hat er sich den Bauern nicht gestellt, sondern hat sich auf der Fähre vor den Bauern versteckt. Bei Caren Miosga stellt er sich auch keinen „enttäuschten Unternehmern“, wie es die ARD in dem Vorstellungstext über ihn behauptet, sondern spricht mit einem Verbündeten, den er mit einer Milliarde Euro gefüttert hat. Da braucht er sich nicht zu sorgen, dass dieser Unternehmer ihm die Hand abbeißt.