Tichys Einblick
Bernd Schreyer empört

Grünen-Politiker will Tagesthemen anzeigen – wegen zu kritischer Berichterstattung

Die Grünen finden, dass die Tagesthemen viel zu kritisch über ihre Partei berichten würden. Im Internet breitet sich ein Shitstorm aus. Was kommt als nächstes? SPD verklagt Vorwärts?

IMAGO / FutureImage

Die Tagesthemen vom dritten August widmen sich dem „Klima-Sofortprogramm“ der Grünen. Baerbock und Habeck stehen im Wald und kündigen großes an: Klimaschutzministerium mit Vetorecht zum Beispiel, welches „Pariskompatibilität“ durchsetzen soll, also Konformität zum Pariser Klimabkommen. Doch die Tagesthemen blicken kritisch auf das, was die Grünen groß ankündigen: Holger Ohmstedt vom Norddeutschen Rundfunk liefert „Meinung“ – in Form eines Kommentars, der selten scharf mit der Partei ins Gericht geht. Er ist gefunden, der kritische Kommentar zu den Grünen. „Dieses Klima-Sofortprogramm enthält zu wenig neues, um nachhaltig von den Hochstapeleien der grünen Kanzlerkandidatin abzulenken. Mit ihren Zehn Punkten werden die grünen Wahlkämpfer niemanden zurückgewinnen, der von der unzuverlässigen Parteichefin in den vergangenen Wochen enttäuscht wurde.“ Die Grünen, so Ohmstedt, blieben die Antwort schuldig, wie man den Industriestandort Deutschland erhalten könne – es reiche nicht, politische Wünsche über die technische Machbarkeit zu stellen. Das legt der NDR-Journalist sogar mit Beispielen nachdrücklich dar. „Der Debatte um die Klimarettung fehlt es nicht an Sofortprogrammen und Geschwindigkeit – sondern an Ehrlichkeit. Und was bitte soll ein neues Klimaschutzverbotsministerium?“, fragt Ohmstedt. Aus gutem Grund liege ein Vetorecht im Kanzleramt – und der Weg dahin sei für die grüne Kanzlerkandidatin noch ziemlich lang.

Im Sog des Superlativs
Die Grünen treten gegen die Deutschen und die Realität an
Wenn Sie jetzt von diesem dezidiert kritischen Kommentar zu Baerbock, den Grünen und ihren Plänen überrascht sind, geht es Ihnen so wie vielen Grünen. Die können ihren Augen und Ohren nicht trauen – das sei nicht das, was man „von den Tagesthemen gewohnt sei“, schreibt ein empörter Parteisoldat auf Twitter. Noch geschockter war wohl Bernd Schreyer. Der Münchner Politiker gründete die Grünen in seiner Stadt mit, sitzt für sie im dortigen Stadtrat. In seinen 69 Jahren hat er bestimmt schon viel erlebt – Kritik an den Grünen in der ARD gehört anscheinend nicht dazu. Das merkt man auch an seiner Reaktion auf den Kommentar, den die Tagesthemen auf Twitter teilten. Dort schreibt Schreyer erbost: „Ich habe diesen Tweed (sic) wegen Verleumdung angezeigt“. Ob die Anzeige eine Affekthandlung nach dem traumatischen Erlebnis war, ausgerechnet in der ARD kritisiert zu werden? Gestern Abend löschte Schreyer seinen Tweet – doch Screenshots belegen einmal mehr das schwierige Verhältnis, dass viele bei den Grünen zu kritischer Presse haben. Notfalls mit polizeilichen Mitteln die Berichterstattung zensieren – und das ausgerechnet gegen den ÖRR, dessen „Unabhängigkeit“ doch gerade von vielen Grünen immer verbissen verteidigt wird, wenn er ihnen das Wort redet.
Screenshot Twitter

Bereits vor Monaten, als die Plagiatsvorwürfe gegen Baerbock es in die Tagesschau schafften, wüteten Grüne in den sozialen Medien gegen den eigentlichen Freundsender, der sich in ihren Augen wohl der Majestätsbeleidigung schuldig gemacht hatte – und plötzlich wollten Politiker dem Rundfunk erklären, wie er zu Berichten habe. Das ist Verhalten, was sie bei anderen wohl „Trumpismus“ oder schlimmeres schimpfen würden.

Anzeige
Die mobile Version verlassen