Tichys Einblick
Der Glaubwürdigkeitsverlust von Medien

Wenn Journalisten anfangen, ihre eigenen Lügen zu glauben

Zeitungen verlieren Auflage, ARD und ZDF Zuschauer. Doch Geld und Aufmerksamkeit sind nur zwei Währungen in der Medienwelt. Die dritte ist Glaubwürdigkeit. Da stehen die Etablierten kurz vorm Bankrott.

Symbolbild

picture alliance / pressefoto_korb | Micha Korb

Politiker und Journalisten können lügen. Sie müssen nur einen Fehler vermeiden. Sie dürfen ihre eigenen Lügen nicht selbst glauben. Sonst wird es gefährlich für sie. So wie für die Funktionäre der SED. Die DDR fing Ende der 1970er Jahre an, freitags größere Summen in den Westen zu überweisen und wieder zurück zu transferieren. In der BRD und der DDR gab es unterschiedliche Wechselkurse für D-Mark und Ostmark. Durch diesen Buchungstrick behielt die DDR die gleiche Summe Geld – aber in ihrer Bilanz tauchten plötzlich Gewinne auf. Das Neue Deutschland verkündete diese bereitwillig. Das Problem war nur: Ende der 80er Jahre glaubten die Funktionäre der SED und des Neuen Deutschlands, ihr Land würde diese Gewinne tatsächlich machen.

Eine Anekdote aus dem Kalten Krieg. Heute unvorstellbar? Nein. Alles andere als das. Sie spielt sich vor Lesern, Zuhörern und Zuschauern täglich ab. Am deutlichsten, als es um den amtierenden Präsidenten der USA ging. Um Joe Biden. Seit Jahren kursieren auf Twitter Videos, die zeigen, dass der mächtigste Mann der Welt mächtig viel damit zu tun hat, seine Sinne zusammenzuhalten – und immer öfter an dieser Aufgabe scheitert.

Gab es in den Medien eine Debatte darüber, ob der Herr über die Atomwaffen der USA noch Herr seiner selbst ist? Kaum. Und wenn, dann bestand sie im Wesentlichen daraus, diejenigen zu diffamieren, die auf Bidens Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht haben: Rechtsextreme, Hass und Hetze, Verbreiter von Fake News. Kurzum: das Handelsübliche. Die Linken in Politik und Journalismus – in den USA wie in Deutschland – taten das mit einer derartigen Verve, dass sie in die gleichen Fehler verfielen wie die SED-Funktionäre. Sie logen nicht mehr nur – sie glaubten sich ihre Lügen selbst.

Sich selbst zu belügen ist wie ein Rausch. So schön wie verstörend, so lange er anhält. Bitter beim Erwachen. Umso bitterer, je länger und intensiver der Rausch war. Ganz bitter für die Linken, als sie Ende Juni die TV-Debatte zwischen Donald Trump und Joe Biden verfolgten und merkten: Holy s..t! Biden ist tatsächlich nicht mehr Herr seiner selbst. Gut 100 Tage vor der Wahl mussten sie ihn austauschen. Weil sie anderen und sich selbst gut 1.000 Tage vorgemacht hatten, das sei alles nicht wahr.

Eigentlich sind die Medien dazu da, Lügen von Politikern aufzudecken. Zu deren Schutz. Aber in erster Linie zum Schutz der Allgemeinheit. Das ist eine wichtige Funktion. So wichtig, dass Journalisten die Funktion der „Vierten Macht“ zugeschrieben wurde. Für die Demokratie so wichtig wie Regierung, Parlament und Gerichte. Doch so nennt kaum einer noch die deutschen Zeitungen oder ARD, ZDF und die Rundfunkanstalten. Zumindest nicht ohne ironische Brechung.

Zu oft kommen deren Journalisten ihrer Aufgabe, Lügen aufzudecken, nicht mehr nach. Wie etwa im Fall Joe Bidens. Statt über die Problematik zu reden, die ein amerikanischer Präsident verursacht, der nicht mehr Herr seiner Sinne ist, sprachen sie über die Hetze, die hinter dieser Behauptung stehe.

Und sie problematisierten die Plattform, die Debatten über Biden zuließ: Twitter alias X. Ebenso wie X das Verbreiten des entsprechenden Beweismaterials ermöglichte. X sei ein Ort von Hass und Hetze, hieß und heißt es bei den Linken, vor allem bei den Grünen und bis weit hinein in die CDU. Es ist die EU, die unter Ursula von der Leyen (CDU) Twitter verbieten oder mit Strafen überziehen will, weil die EU wie große Teile der deutschen Politik keine Medien mehr will, die Lügen aufdecken. Sondern nur noch Medien, die Lügen verbreiten – ohne zu hinterfragen.

Es braucht keine Beispiele aus den USA, die das veranschaulichen. Das beste Beispiel läuft gerade in diesem Moment: die RKI-Protokolle, die aus den Verschwörungstheorien zu Corona Wahrheiten machen. Zuerst berichtete die ARD gar nicht über diese Protokolle, dann über diejenigen, die diesen Protokollen widersprachen. Das ist so, als ob der SWR melden würde, das Hochwasser an der Ahr werde nicht so schlimm, weil die Landesregierung das sagt – um am nächsten Tag dann über die Toten zu sprechen, die in dem Hochwasser gestorben sind, das angeblich nicht so schlimm werde. Zur Fairness gegenüber dem Rest der ARD: Genau das hat der SWR getan.

Zwei Jahre lang haben ARD, ZDF und befreundete Zeitungen jede Stimme unterdrückt oder diffamiert, die Maßnahmen der Pandemiepolitik hinterfragten. Das Wort „Covidiot“ war Ausdruck der auf Arroganz basierenden Verwandtschaft von Hauptstadtpolitikern und Hauptstadtjournalisten. Kinder einsperren und in die Psychose treiben, ohne jede Auswirkung auf das Virus. Maskenpflicht sogar im Freien. Ausgangssperren. (Partielle) Impfpflicht. Der ganze Wahnsinn war möglich, weil sich Journalisten nicht nur ihrer Aufgabe verweigerten, Politik zu hinterfragen. Sondern weil sie sich gleich als Komplizen jedem in den Weg gestellt haben, der versucht hat zu hinterfragen.

In einem kurzen Zeitfenster, so etwa Anfang 2023, räumten die entsprechenden Medien kleinlaut Fehler ein und nahmen sich deren Aufarbeitung vor. Es war das gleiche Versprechen, das Politiker am Wahlabend geben. Ihm folgt nicht der Versuch, tatsächlich etwas aufzuarbeiten, sondern der Versuch, still und leise Gras über die Niederlage wachsen zu lassen. Wäre der seinerzeit bekundete Aufklärungswille ernst gemeint gewesen, würden sich besagte Journalisten heute dem Thema RKI nicht derart verweigern.

Die Wahrheit irgendwann nicht mehr sehen zu wollen, ist Teil der eigenen Lüge, die man angefangen hat zu glauben. Im Politbüro saßen nicht nur dumme Menschen. Die ahnten in einem Teil ihres Gehirns durchaus, dass die Bilanzen so nicht stimmten. Doch sie schoben diesen Gedanken in den hintersten Teil ihres Gehirns. Denn zu akzeptieren, dass die Bilanzen geschönt sind, heißt, aus dem Rausch aufzuwachen. Heißt, sich mit der schnöden Realität auseinanderzusetzen. Heißt, dem eigenen Niedergang entgegenzusehen. Dann lieber den Rausch verlängern.

Geld ist in Politik wie in Medien eine Währung. Aber es gibt noch andere Währungen. Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit sind genauso wichtig. Doch genau die verlieren etablierte Medien derzeit. Über den Auflagenschwund der Zeitungen haben wir erst diese Woche berichtet.

Über die Entwicklung der Einschaltquoten informieren wir permanent. Etwa, dass ARD und ZDF keine Million Zuschauer unter 50 Jahren mehr vor dem Schirm vereinen, wenn nicht gerade Fußball oder anderer Sport läuft. Der Verlust an Aufmerksamkeit lässt sich leicht dokumentieren, Zahlen sei Dank.

Mit dem Verlust an Glaubwürdigkeit ist es schwieriger. Da gibt es die einen Studien, die ihn belegen, und die anderen, die ihn dementieren. Vor allem die Studien, die ARD, ZDF oder Verleger selbst in Auftrag geben, wollen diesen Vertrauensverlust als Lüge überführen. Okay. Genauso gut könnten sie Ostmark in D-Mark und wieder zurücktauschen. Doch der Vertrauensverlust ist greifbar – und selbstgemacht.

Der Vertrauensverlust wächst mit jeder Nachricht, die ARD, ZDF und Zeitungen unterdrücken, weil sie nicht in ihre politische Ausrichtung passt. Zum Beispiel der Auflagenschwund. Der ist dokumentiert. Die Seite der Werbegemeinschaft IVW ist für jeden Bürger mit Internetanschluss einsehbar. Aber wer hat in seiner Zeitung von den sinkenden Zahlen gelesen? Wer in ARD und ZDF davon gehört?

Berlin ist kleiner, als man denkt. Redakteure von TE kommen ins Gespräch mit Kollegen von der Süddeutschen Zeitung. Journalisten von Cicero mit denen der ARD. Die Kollegen von SZ und ARD wundern sich, warum sie Vertrauen verlieren und die neuen, auch alternativ genannten, Medien dieses Vertrauen gewinnen. Obwohl sie doch selbst so viel berichten über die vermeintliche Unseriösität eben dieser neuen Medien.

Die Antwort ist einfach. Leser, Zuhörer und Zuschauer überprüfen langfristig Nachrichten auf ihre Plausibilität. Sie sehen es, wenn die ARD in Dokumentationen behauptet, TE sei unseriös. Dann aber bekommen sie mit, dass eben diese ARD über Messermorde und Vergewaltigungen nicht berichtet, weil die nur von lokaler Bedeutung seien – aber grölende und besoffene Jugendliche auf Sylt zum Schwerpunkt macht. Wenn Zeitungen ihren eigenen Auflagenverlust totschweigen. Wenn über Bidens Verfall kein Wort zu hören ist, bis der Verfall nicht mehr zu verschweigen ist. Wenn die Zuschauer über die Vorwürfe gegen das RKI mehr wissen wollen als nur die Dementis des RKI – und dafür nicht bei der Tagesschau, sondern bei TE suchen müssen, wenn sie auch was finden wollen. Wenn die ARD Interviewpartner als Bürger vorstellt und das ach so böse Twitter die dann immer wieder als Politiker der Linken, SPD oder Grünen überführt. Wenn der regierungsnahe „Top-Wirtschaftsexperte“ in der ARD stets von Neuem groß verkündet, die Wirtschaft werde bald wachsen – und später sehr klein die Nachricht läuft, dass sie weiter stagniert oder gar schrumpft.

Die Öffentlich-Rechtlichen verfügen über einen Etat von über 9 Milliarden Euro – TE nicht mal über einen Bruchteil davon. Doch Geld ist nicht die einzige Währung in der Medienlandschaft. Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit sind auch wichtig. Durch teure Fußballspiele kann das ZDF Millionen Zuschauer vor die Pausenausgaben der Heute-Nachrichten locken. Doch wer die EM im Public Viewing verfolgt hat, weiß, wie politisch neutrale Zuschauer mittlerweile ächzen, wenn sie Dunja Hayali vorgesetzt bekommen. Wer nicht glauben will, wie unerwünscht die Politaktivistin mit Nachrichten-Hintergrund dem Zuschauer mittlerweile ist, muss sich nur die katastrophalen Einschaltquoten ihrer Solo-Versuche anschauen.

Dass Innenministerin Nancy Faeser (SPD) alternative Medien verbietet und mit fragwürdiger Strafverfolgung überzieht, ist keine politische Verbohrtheit. Es ist Kalkül. Viele Medien gibt es nicht mehr, die bereit sind, Lügen klipp und klar Lügen zu nennen. Schafft die Politik diese aus dem Weg – so wie es einst die SED getan hat –, gibt es keinen mehr, der Bilanzschwindeleien aufdeckt. Dann kann der Rausch ewig weitergehen. Denken sie zumindest. Suchtberater sagen etwas anderes. Die Geschichte auch. Und Journalisten sollten es ebenfalls tun, solange sie nicht anfangen wollen, ihre eigenen Lügen zu glauben.

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