Tichys Einblick
Die Majestätsbeleidigung war nichts dagegen

Gericht verurteilt Facebook-Nutzer wegen regierungskritischem Post zu 900 Euro Strafe

Ein Mann hat ein Plakat mit Politikern im "Pate-Stil" auf Facebook geteilt. Das Bundeskriminalamt wird aktiv. Das Amtsgericht sieht die "Grenzen der Meinungsfreiheit" überschritten - und verurteilt ihn zu 900 Euro. Der Staatsanwaltschaft war das noch zu wenig.

IMAGO

Im Jahr 2012 veröffentlichte Gertrud Höhler ein Buch über die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Es hieß: Die Patin. Die Publizistin warnte damals vor dem Umbau Deutschlands durch Merkel. Dass der Paten-Begriff hier weniger auf einen Taufpaten, denn auf Mario Puzos berühmten Roman und dessen Verfilmung bezogen war, musste nicht lange verhandelt werden; Höhler insinuierte die Hand an den Marionettennetzen, und jeder wusste, wie es gemeint war.

Ein Plakat greift eine ähnliche Idee auf, wenn auch deutlich weniger subtil. Wir finden dieselbe, strippenziehende Hand von Roman und Film, darunter hingegen den Titel „Die Lügner“. Dahinter posieren in der Suggestion eines Mafia-Clans Olaf Scholz, Christian Lindner, Nancy Faeser, Annalena Baerbock, Cem Özdemir, Karl Lauterbach, Annalena Baerbock, Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen.

Dort, wo bei einem Filmplakat üblicherweise Produzenten, Schauspieler und Regisseur Erwähnung finden, stehen die wenig schmeichlerischen Zuschreibungen: Verachtend, Respektlos, Habgierig, Ehrenlos, Verlogen, Korrupt, Anstandslos, Senil und noch viele mehr. Über den Köpfen prangt der Satz „Ihr Plan: Ein Land zu destabilisieren, das Volk zu spalten und in den Untergang zu zerren“.

Die Collage steht damit im Kontext anderer „Schmähplakate“ der Vergangenheit, die juristische Nachspiele hatten. Etwa zwei grünenkritische Plakate in Bayern. Über die Kunstfertigkeit und Subtilität dieser Anti-Werbeträger mag man gewiss streiten. Wer allerdings nicht blind durchs Internet streift, der findet nicht nur ähnliche, sondern zugleich plattere und diffamierendere Memes – auf allen Seiten des politischen Spektrums.

Man hat den Eindruck, dass das Fell der Politik in den letzten beiden Jahrzehnten rapide dünner geworden ist. Nicht anders kann man sich erklären, dass für diese „Majestätsbeleidigung“ gegen die herrschenden Elite die Staatsanwaltschaft aktiv wurde. Der „Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des Bundeskriminalamtes“ war ein Facebook-Post mit dieser Grafik aufgefallen. Klingt wie aus einem überzeichneten Film, wo man am Ende wegen Banalitäten verklagt wird.

In genau so einem glaubt man sich zu befinden, wenn man liest: der Mann, der das Bild gepostet hat, wurde auf 900 Euro Strafe verklagt. Wegen Beleidigung von Personen öffentlichen Lebens. Im Land der Nazischlampen und Köterrassen ist es plötzlich infam, wenn man die Ampel, die EU-Kommissionspräsidentin oder den Bundespräsidenten in einem Meme abbildet. Nicht nur eine neue Sensibilität, wie sie besonders die sich als Opfer gerierenden Grünen für sich entdeckt haben, sondern auch ein Messen mit zweierlei Maß werden hier fassbar.

Höhepunkt des Geschehens: Der 69- Jahre alte „Täter“, der den fremden Beitrag im März 2023 geteilt hatte – also nicht einmal Urheber der Collage ist – wurde vom Amtsgericht Biberach bezichtigt, die „Grenzen der freien Meinungsäußerung“ überschritten zu haben. Die Grenzen der Meinungsfreiheit sind in Baden-Württemberg offenbar so eng, dass sie gerade noch das Atmen gestatten. Im grünen Ländle sollten die Karikaturisten jedenfalls bald umsatteln, sollte dies zum Präzedenzfall werden.

Man blickt gerne mokierend auf das Mittelalter und die Frühe Neuzeit zurück. Auf manchem Druck aus Zeiten der Reformationsstreitigkeiten ist man deutlich Deftigeres gewohnt, ob nun gegen den Papst, Luther oder die deutschen Bischöfe und Fürsten (einzig den Kaiser zu karikieren bemüßigte man sich nicht, stand er schließlich für die Erhabenheit des Reiches). Vieles, über das sich die Puritaner der Gegenwart mokieren, hätten die Drucker und Stecher zwischen 1500 und 1800 gelacht. Majestätsbeleidigung, wie man sie heute kennt, ist ja eher eine Sache der Moderne, denn einen pfiffigen Drucker, der irgendwo in Augsburg seine Schmähschrift unter die Leute bringt, kann man eben nicht so schnell fassen. Die Spanische Inquisition hat eine beträchtliche Zahl ihrer Opfer als bloßes Blättchen auf dem leeren Scheiterhaufen „in effigie“ verbrannt.

Anders sieht es im Alptraum aus, den Weber wie Tolkien prognostiziert hatten, nämlich jene bürokratische Maschinerie, in der jeder Fingerabdruck im Internet nachverfolgt werden kann; allein die Einrichtung einer „Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet des Bundeskriminalamtes“ spricht für sich. Das kafkaeske Gericht hat dem armen Tropf, der sich für seinen Internet-Post rechtfertigen musste, dann auch hoch angerechnet, dass er sich mit Klarnamen im Netz zu erkennen gab! Das Internet der Anonymität ist tot, und die Behörden bejubeln es. Der SWR schreibt:

„Positiv auf das Strafmaß ausgewirkt hat sich laut Gericht die Einsicht des Angeklagten sowie die Tatsache, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist und mit offener Identität gepostet hat.“

Auch das ist eine Form der Erziehung: gebt euch allerorten zu erkennen und seht euren Fehler der Majestätsbeleidigung ein, dann werden es nur 900 statt 1.200 Euro Strafe. Das war übrigens das eigentliche Strafmaß, dass die Staatsanwaltschaft sehen wollte. Das Gericht beanstandete, dass der Angeklagte seine schmähliche Tat bisher jedoch nicht gelöscht hätte.

Der Wink mit dem Zaunpfahl: noch einmal so ein Vorfall, und das Todescamp der Toleranz steht auf dem Programm. Das halten sie für eine South-Park-Fantasie? Nachdem im Vereinigten Königreich eine Britin zu „Diversity-Kursen“ verurteilt wurde, ist mit allem zu rechnen. Seien Sie also gewarnt: Teilen Sie diesen Beitrag auf gar keinen Fall und unter keinen Umständen im öffentlichen Raum.

— Luparus Ω (@Jagdfrevler) August 13, 2024

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