Dieser Text ist wütend. Das sollten Sie wissen, damit Sie sich zwischendrin nicht erschrecken. Und es ist gut möglich, dass Sie am Ende der Lektüre genauso wütend sind, wie ich es beim Schreiben war.
Die „Tagesschau“ versteht sich als Flaggschiff des deutschen Nachrichten-Journalismus. Das ist natürlich arroganter Quatsch, aber die Selbstwahrnehmung der ARD-Mitarbeiter wird durch eine bekanntlich völlig überzogene Entlohnung auf Kosten des Zwangsgebührenzahlers täglich gefördert.
Entsprechend wächst seit Jahren die Kritik an der Sendung und an der Redaktion. Die entwickelt, ebenfalls seit Jahren, eine beeindruckende Wagenburg-Mentalität: Auch noch so berechtigte Hinweise auf fragwürdige bis falsche Berichterstattung lassen die Redakteure unbeeindruckt an sich abperlen.
Vielleicht aus Rache an den undankbaren Zuschauern ist die „Tagesschau“ seit längerem dazu übergegangen, Deutschland grundsätzlich nur noch im denkbar schlechtesten Licht zu zeigen. Keine positive Meldung über das Land geht ohne mindestens zwei angekoppelte Negativ-Aspekte über den Sender. In der Regel bekommt man abends um 20.00 Uhr die negativen Punkte auch ganz ohne positives Beiwerk zum Abendbrot serviert.
Das driftet nicht selten ins Absurde – zum Beispiel am Donnerstag.
Da „berichtet“ die Sendung über eine Debatte im UN-Freundeskreis für Menschenrechtsverletzungen, der fälschlicherweise als „Menschenrechtsrat“ bezeichnet wird. Das von muslimischen Staaten dominierte Gremium fand es angebracht, einmal ordentlich auf Deutschland einzuprügeln – wegen der vielen schlimmen Menschenrechtsverletzungen bei uns.
„Zutiefst besorgt“ zeigt sich der Iran über die „uneingeschränkte Unterstützung“ Israels durch Deutschland. Teheran fordert Berlin auf, gegen die „zunehmend islamfeindlichen Angriffe im ganzen Land“ vorzugehen und fragt allen Ernstes, was die Bundesregierung tue, „um das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung“ zu respektieren – ein Recht, das im Iran niemand hat.
Auch Katar fordert Deutschland auf, das Versammlungsrecht zu respektieren – das es in Katar nicht gibt – und bemängelt, dass es ein paar Strafen für israelfeindliche Parolen bei Pro-Hamas-Demonstrationen gab. Saudi-Arabien mahnt, Deutschland müsse gegen rassistische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und überhaupt Intoleranz vorgehen – gegen Muslime, nicht gegen Juden. Und die Türkei, ausgerechnet, verlangt wegen angeblicher „islamfeindlicher Angriffe“ gleich eine umfassende Überprüfung der deutschen Polizei und der gesamten Justiz.
Es ist, mit Verlaub, grotesk.
Um das Ganze richtig einordnen zu können, hilft ein Blick auf die erlauchte Mitgliedschaft dieses UN-Clubs. Dem Rat gehören unter anderem die folgenden Länder an (in Klammern dahinter die aktuelle Einschätzung der – rechter Umtriebe gänzlich unverdächtigen – NGO „Amnesty International“):
Algerien
(wo gerade ein regierungskritischer Journalist zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde)
Bangladesch
(wo Regimekritiker regelmäßig verschwinden oder gefoltert werden)
Benin
(wo Albinos von der Polizei systematisch verfolgt werden)
Eritrea
(wo die Armee in der Provinz Tigray massenweise Zivilisten abschlachtet)
Katar
(wo Hunderttausende südasiatische Wanderarbeiter ausgebeutet und misshandelt und wo südostasiatische Hausangestellte wie Sklavinnen gehalten werden)
Malawi
(wo die Polizei regelmäßig friedliche Demonstrationen brutal auflöst)
Pakistan
(wo Regimekritiker regelmäßig verschwinden oder gefoltert werden)
Vereinigte Arabische Emirate
(wo Regimekritiker weit über ihre Haftzeit hinaus willkürlich im Gefängnis festgehalten werden)
Usbekistan
(wo Homosexualität streng bestraft wird)
Vietnam
(wo Regimekritiker regelmäßig verschwinden oder gefoltert werden).
Dazu gesellen sich diese Länder, die sich derzeit jeweils in Kriegen bzw. Bürgerkriegen befinden:
Somalia
Sudan.
Ukraine.
Nicht zu vergessen ein paar legendäre Leuchttürme der liberalen rechtsstaatlichen Demokratie:
China
Iran
Kuba.
Doch statt die irre Kritik von ein paar der blutrünstigsten Regime dieser Welt als das darzustellen, was sie ist – nämlich ein plumper Einschüchterungsversuch, auf dass Deutschland nicht zu israelfreundlich werde – wirft sich die „Tagesschau“ in den Staub.
Die Autoren Svitlana Magazova und Peter Sonnenberg, beide vom Südwestrundfunk SWR, begleiten zunächst Gerhard Trabert. Der war mal Kandidat der „Linken“ für das Amt des Bundespräsidenten. Er darf – ohne jede Einordnung – den Eindruck erwecken, als ginge es Armen und Obdachlosen nirgendwo so schlecht wie in Deutschland.
Dann kommt noch Luise Amtsberg zu Wort. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung ist im Hauptberuf Bundestagsabgeordnete der Grünen. Auch sie spricht mit besorgtem Blick die Worte „Kinderarmut“ und „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ in die Kamera. Da habe Deutschland „sehr klar noch Nachbesserungsbedarf“.
Insgesamt kann man aus dem „Tagesschau“-Machwerk nur den Schluss ziehen, dass der UN-„Menschenrechtsrat“ nicht nur recht hat, sondern dass wir sogar noch schlimmer sind, als das Gremium sagt.
Die Dreistigkeit ist atemberaubend, mit der da gewalttätige, autoritäre bis strikt totalitäre Staaten Deutschland kritisieren. Die völlige Kritiklosigkeit der „Tagesschau“ gegenüber diesem Umstand ist unfassbar. Man ist von der ARD – von den Öffentlich-Rechtlichen insgesamt – ja einiges gewohnt. Aber das ist echt der Gipfel.
Ich gucke mir die “Tagesschau“ ja sowieso immer nur an, damit Sie es nicht müssen, liebe Leser. Doch jetzt bitte ich um Vergebung dafür, dass ich den Fernseher (und das „Erste“) ein paar Tage lang nicht einschalten werde.
Auch so ein Autor muss irgendwann mal etwas für das eigene Seelenheil tun.