Sexistische Werbung – gibt es die überhaupt noch? Wer dem Fridays-for-Future-Alter entwachsen ist, der erinnert sich tatsächlich noch an Werbungen von der Litfasssäule bis zur Plakatwand und vom Stern bis in den Spiegel, die für Produkte warb, indem sie die Attraktivität ebenso wie die Nacktheit einer oder mehrerer Frauen zu Hilfe nahm. Es war die Zeit, als in Musiksendungen im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen tanzende Go-Go-Girls knapp bekleidet Musik begleiteten und im Privatfernsehen die Hüllen hinter Früchten fielen, weil das mehr Zuschauer einer bestimmten Klientel anzog.
Heute hat man hingegen eher das Gefühl, das der Mann der Depp in der Werbung geworden ist und Frau dort in Nacktheit nicht mehr stattfindet. Letzteres darf als positive Entwicklung verstanden werden, so diese Nacktheit sexistisch ist und nicht Kunst, wie in diesem Afri-Cola-Spot, der heute in Werbeagenturen als das Nonplusultra des Werbefilmgenres gilt. Ersteres, also der Mann als der Dauerdepp im Werbefernsehen bleibt ein zunehmendes Ärgernis ohne intervenierende Lobby.
Davon allerdings vollkommen unbeeindruckt berichtete das öffentlich-rechtliche TV-Format Frontal 21 von sexistischer Werbung, der man die Mühe ansah, überhaupt passende Negativbeispiele zu entdecken. Da musste schon eine Tankstelle irgendwo im Nirgendwo herhalten, die mit einer Nackten für Öl ohne Einwegdose warb oder ein vorbeifahrender LKW, der Pfannen mit einer nackten Schönen an die Frau bringen wollte. Denn eines ist ja klar, Pfannen werden weiterhin mehrheitlich von Frauen gekauft, es macht also schon werbetechnisch eigentlich keinen Sinn, Küchenprodukte mit entblößten Frauen zu verkaufen. Dieser Sachverhalt ist dann im doppelten Sinne interessant, wenn es nach aktueller Lesart schon sexistisch wäre, Küchenprodukte bei Frauen zu bewerben, weil diese Pfannen nun einmal häufiger kaufen als Männer.
Zwei Jahre lang hätte die Frauenrechtsorganisation Pinkstinks für das Familienministerium, und für 400.000 Euro bezahlt vom Steuerzahler, nun nach sexistischer Werbung gefahndet, berichtet Frontal 21 – jeder und jede konnte über Smartphone mitsammeln. Angeblich soll es 5.000 Zusendungen gegeben haben, davon die Mehrzahl sexistisch, so eine Mitarbeiterin der NGO. Und dann wird auch schon klar, wo es den Sexismus von gestern heute noch gibt: Die großen Kampagnen sind immer weniger sexistisch, also geht auch die Verbreitung zurück. Sexismus nehme da wieder zu, wo Hinz und Kunz via Photoshop für sich selbst Werbung produziert, also im Handwerk und im Handel.
Und die Macher des Films fahren hin zu den Machern sexistischer Werbung hinter die sieben Berge. Fast lustig hier der Versuch, einem erfolgreichen Unternehmer mit Migrationshintergrund zu erklären, warum seine florierende LKW-Waschanlage nicht mit LKWs einschäumenden Bikinischönheiten beworben werden darf. Aber diese Werbung käme doch bei seinen Truckern so gut an. Leider, gibt der Unternehmer noch bedauernd zu Protokoll, seien die Damen nicht live beim Waschen dabei.
Frage: Sind das eigentlich Zwangs-Bikiniträgerinnen und Zwangswäscherin? Nein, so weit geht die investigative Tätigkeit von Frontal 21 dann doch nicht. Der Unternehmer wurde vom Werberat gerügt, er bleib aber zunächst dabei, dass seine Werbung nicht sexistisch sei. Möglicherweise dann also demnächst im Wiederholungsfalle der Zwangskurs für Unternehmer, was eigentlich Sexismus heute bedeutet?
Eines darf festgestellt werden: Fast die gesamten vorgeführten Negativbeispiele von tatsächlich sexistischer Werbung sehen die allermeisten Zuschauer zum ersten Mal, zu gering einfach die Verbreitung. Sexistische Werbung – jedenfalls was Frauen angeht – ist in Deutschland auf Plakatwänden und Litfasssäulen ein Auslaufmodell.
Eine Wirtschaftsjuristin kommt zu Wort und fordert härte Strafen, das Gesetz gegen den unlautern Wettbewerb soll verschärft werden: „Der Begriff menschenverachtende Werbung müsste ausdrücklich aufgenommen werden in den Gesetzeswortlaut des UWG.“
Es geht also um die Abschaffung der ganz offensichtlich erfolgreichen (massiver Rückgang sexistischer Werbung) freiwilligen Selbstkontrolle hin zu schärferen Gesetzen gegen Sexismus. Der Werberat wird befragt und antwortet den beiden männlichen Reportern mutig bzw. fast schon keck: „Sexy ist nicht sexistisch.“ Auch das klingt schon unfreiwillig wie aus der Klamottenkiste der Sexismusdebatte der 1970er Jahre.
Die Juristin sieht hier eine ungerechtfertigte Deutungshoheit des Werberates, also der Werbewirtschaft, über menschenverachtende Werbung. Solchen Fragen dürften nicht allein in den Händen der Werbewirtschaft bleiben, es sollten Gerichte eingeschaltet werden dürfen.
2016 schon einmal wollte Heiko Maas als damaliger Justizminister sexistische Werbung per Gesetzesinitiative belangen und bekam dafür von Christian Lindner (FDP) eine passende Antwort:
„Die Verhüllung von Frauen zur Bändigung von Männern zu fordern, das kannte man von radikalen islamischen Religionsführern, aber nicht vom deutschen Justizminister.“
Frontal 21 Kommentar zum Kommentar von Lindner: „Ohne Ahnung, dafür populistisch“.
Das Familienministerium ließ seine Revolutions- und Ideologiewächter ausschwärmen für 400.000 Euro. Warum also nicht gleich als Dauereinrichtung und mit entsprechenden Antisexismus-Uniformen ausgestattet?
Besonders lustig der persönlich beleidigte Kommentar einer der hochbezahlten Studienmacherinnen bei Pinkstink:
„Das sind 400.000 Euro, die uns gegeben wurden für zwei Jahre, um diese Studie zu machen, und jetzt interessiert sie niemanden.“
Es hätte keine Rückmeldung aus der Politik gegeben. Worum wird hier gejammert? Um Folgeaufträge, die dann also auch ausbleiben? Die fehlende Rückfrage wäre „nicht fair, den Steuerzahler*innen gegenüber“, sagt die Pinkstinkslady noch mit schief gelegtem Kopf gegenüber den Frontal-21-Herren.
Interviewt wird dann auch noch Familienministerin Giffey selbst als Auftraggeberin. Viel zu sagen hat sie allerdings nicht zum Thema. Aber was auffällt: Sie ist umgeben fast ausschließlich von Frauen während des Gesprächs. So muss es früher in der Redaktion von Emma ausgesehen haben. Damals, als es noch sexistische Werbung an jeder Litfasssäule gab und viele Frauen in Teheran noch gerne und selbstbewusst im Minirock herumliefen.