Warum in Bestform? Weil der 58-Jährige, der mit etwas gutem Willen auch für 49 durchgehen könnte, sichtbar emotional beteiligt erschien. Und was bei Moderatoren wie Kerner und Beckmann schon mal zu einem Desaster führen kann, wurde hier zum Glücksfall.
Drohten die Gespräche in erwartbares Wahlwerbegeplänkel oder nur in die üblichen Welcome-Lippenbekenntnisse zu entgleiten, hieb der Moderator, der übrigens auch sein eigener Produzent ist, also das Heft noch ein bisschen fester in den Händen hält, energisch dazwischen und brachte den überaus fragilen Köln-Karren wieder auf Spur.
Das Heft fest in der Hand
Schnell war klar, Frank Plasberg wollte von der ersten Minute an verhindern, dass die Übergriffe auf hunderte Frauen in Köln – mittlerweile sind über 500 Anzeigen gegen Unbekannt eingegangen, von denen die Mehrzahl Sexualstrafdelikte sind – von der spezifischen Täterklientel abgekoppelt werden würden.
Und das konnte Renate Künast von den Grünen ebenso wenig gefallen wie diesem unangenehm pastoralem Talkshow-Nomaden Heribert Prantl aus der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Unangenehm deshalb, weil man zunächst davon ausgehen konnte, dass die üblichen kreuzgängigen Verdächtigen, diese Hubers und Käßmanns einmal nicht mit moralinsaurem Geschwätz die Dynamik einer sich im Idealfalle aus These und Antithese entwickelnden Talkrunde mit ihren Uraltsynthesen torpedieren würden.
Also dank Prantl doch Kirchentag bei Plasberg? Teils teils. Zwar nervten die drei oder vier Kanzelpredikten des Süddeutschen unendlich – den Sound hat er maximal drauf, da haben wohl in der Jugend etliche Messdiener-Sessions ihren Nachhall hinterlassen – aber die Sendung war mit 75 Minuten lang genug, auch diese kreuzgängigen Ausfälle zu verschmerzen.
Noch mehr, weil Kristina Schröder (CDU), die ehemalige Familienministerin, die zuvor auch schon mal Berichterstatterin für Integration der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war, die Emotionalität Plassbergs spiegelte, noch glaubwürdiger, menschelnder und involvierter erschien. Folgerichtig versuchten im Laufe der Sendung Renate Künast und die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) mit Lautstärke zu punkten, zu übertönen, als versierte ältere Damen sahen sie wohl ihre alten Felle an die viel jüngere Politikerin davon schwimmen.
Den älteren Damen schwammen ihre alten Felle davon
Fairerweise muss man sagen, das sich das Geplärre der Damen aber eher gegen Rainer Wendt richtete, den Vorsitzenden der deutschen Polizeigewerkschaft, der nicht nur die mit Abstand kürzeste Redezeit hatte, immer war eine da, die dazwischen plärrte oder Prantl hatte wieder eine seiner religiös-aufgeladenen Moralin-Ausfälle – egal, Wendt nahm die Rolle des Bösewichts mit erstaunlicher Gelassenheit an, ahnte er wohl als einziger, dass man in dieser Runde zu diesem Thema nicht überzeugen kann, sondern allenfalls wie Kristina Schröder den Authentizitätspokal nach Hause schleppen kann. Aber dafür braucht es dieses schon besprochene emotionale Outing, über welches der Polizist Wendt nicht verfügt. Also: gute Selbsteinschätzung und dickes Fell – auch keine so schlechten Talkshow-Waffen.
Nun ist die Sendung dankenswerterweise in der Mediathek nachzuschauen, deshalb verzichten wir hier auf eine ausufernde Inhaltsangabe und konzentrieren uns auf den Aspekt, der die Sendung weitestgehend bestimmte: Nämlich die ebenso einfache wie offenbar für einige Diskutanten verstörende Fragestellung, ob es sich bei den Straftätern von Köln nun um nordafrikanisch-arabisch aussehende Männer, also um Kerle aus dem Kulturkreis des Islam handeln dürfe oder nicht. Tatsächlich stritt man sich darum, ob nun die kulturelle Prägung dieser Muslime, Asylsuchenden, Flüchtlinge, Geduldeten mit vergewaltigt hatte oder ob, was dort passiert ist – das war die Linie der Grünen – vielmehr ein emanzipatorisches Ding sei. Also der Kölner Teufel in jedem Manne stecke: jeder Mann ein potentieller Vergewaltiger, wie es der Parteifreund von Künast, der stellvertretende Landesvorsitzende der Grünen in Hamburg, Michael Gwosdz, gerade erst via Facebook formuliert hatte, fast so, als wolle er den getwitterten Totalausfall Jakob Augsteins, „Ein paar grapschende Ausländer und schon reisst bei uns Firnis der Zivilisation“ noch einmal übertreffen.
Augstein unsichtbar und unüberhörbar mit am Tisch
Aber diese groteske Verhöhnung der Opfer von Köln, die Augstein auch in seiner aktuellen Kolumne noch einmal toppen will, wenn er von einem zweiten Missbrauch der Frauen faselt, aber damit nicht etwa seine eigenen Twitter-Sauereien meint, sondern im Gegenteil, anstatt Demut zu zeigen und sich zu entschuldigen, einfach nur weiter hetzt gegen Männer aus Deutschland und wohl noch viel mehr gegen seinen inneren Schweinehund.
Augstein saß also quasi als kleiner böser Geist bei Künast auf dem Schoß, wurde aber von Plasberg regelmäßig verbal abgewatscht, als er Künast wieder soufflierte, es wäre doch ein Sexismusproblem des weißen Mannes, eine Art Penisneid, what ever. Aber der Versuch darf dank Plasberg, Schröder und Wendt zumindest für diese Sendung als gescheitert angesehen werden. Nein, Männer, die im europäischen, die im deutschen Kulturkreis sozialisiert wurden, sind zu so einer verabredeten Massensauerei nicht in der Lage.
Hier geht es auch nicht, wie Frau Schröder erklärte, um irgendwelche sozialen Gefälle wie noch in der Integrationsdiskussion der 1970er Jahre. Nein, diese modernen Flüchtlinge ohne Arbeitsverträge erfahren ja mit ihrer Ankunft in Deutschland zunächst einmal eine exorbitante Erhöhung ihres Sozialstatus: sie sind angekommen in einem Land, das ihnen die Tür zu den Honigtöpfen auf eine Weise aufgemacht hat, wie es Millionen ihrer Landsleute in Zukunft sicher verwehrt bleiben wird. Sie sind prädestiniert. Und ihre Perspektiven sehen – zumindest was ihre Grundversorgung und Ausbildungsangebote angeht – um ein vielfaches besser aus als in ihren Herkunftsländern. Dafür braucht es nun allerdings, schlicht weil so viele auf einmal gekommen sind, Zeit. Geduld, all das in die Weg zu leiten, zu organisieren, was wir bereit sind, für diese Menschen und ihr Wohlergehen zu leisten. Verdammt viel.
Und selbst ein nur halbwegs intelligenter Mensch dürfte in der Lage sein, zu verstehen, warum diese Dinge für den Moment Geduld brauchen. Tausend oder Tausende junger muslimer Männer sahen das in Köln und Großstädten wie Hamburg an Silvester allerdings anders. Sie griffen nach dem, was sie begehren, ohne zu fragen: Handys und Frauen. Sie importierten eine neben grauenhaften Ehrenmorden, neben Frauenverstümmlung durch Beschneidungen, neben Burka und Scharia usw. weitere dieser nur noch abartigen Unkulturen aus ihrem Kulturkreis, die in ihren eigenen Großstädten bereits vielfaches Leid über Frauen gebracht hat.
Die Sehnsucht nach dem letzten Gefecht
Frau Künast und Herr Prantl, es ist doch eine Ferkelei, wenn sie nicht den Schneid aufbringen, zu benennen, was zu benennen ist. Frau Schröder kann es doch auch, selbst dann noch, wenn ihr Renate Künast ständig ins Wort bollert, als säße man irgendwo in einem bayrischen Bierzelt. So, wie es eine weitere Ferkelei ist, Bürger, die diesen grenzenlosen Zustrom kritisch hinterfragen, jede Menschlichkeit abzusprechen, als wären Zuwendung, Mitgefühl und Nächstenliebe nur exklusiv auf der eigenen Seite vorhanden. So entblödete man sich bei Plasberg nicht, den Versuch zu unternehmen, die Unkultur dieser muslimen Vergewaltiger zu einem grundsätzlich sexistischem Problem von Männern zu machen, fast so, als befänden wir uns in der präfeministischen Phase Europas.
Man kann ja nur ahnen, wie Frank Plasberg in diese Sendung gegangen ist, wie er sie vorbereitet hat. Jedenfalls hat er diese Ausgabe von Hart aber Fair auf positivste Weise mannhaft hinter sich gebracht, mit einer Haltung, die auch jeder Frau gut zu Gesicht gestanden hätte. Frau Künast und Herr Prantl blieben leider weit dahinter zurück.
Und das dürfte dann auch das weitreichendste Fazit dieser Sendung sein: Ja, es sind die Prantls, die Diez‘ und Augsteins, die in dieser Debatte zu den echten Scharfmachern mutiert sind. Diese medialen Scharfmacher, die sich über Leitkulturforderungen aufregen, selbst aber nichts anderes für sich wünschen, als in ihren hochpolitisierten Kultur- und sonstigen Ressorts volkspädagogisch leitkulturell tätig zu sein, die sich immer nur selig quatschen, wo man präziser werden muss, die lamentieren, die diese eklatante Diskursverweigerung an den Tag legen, die schon an Realitätsverweigerung grenzt.
Diese sich selbst überzuckerten Herrschaften scheinen sich tatsächlich seit einer gefühlten Ewigkeit nach diesem berüchtigten letzten Gefecht zu sehnen. Jenem, welches endlich das Menschenrecht erkämpft, sie wissen schon. Und da wollen sie nun unbedingt vorneweg marschieren und als vielfach Facebook-gelikte mediale Leitfiguren die Regenbogen-Tricolore schwingen. Das alles ist ein einziger in einer seltsam missinterpretierten christlichen Mythologie beheimateter Albtraum vom jüngsten Gericht. Einfach nur lächerlich. Aber leider auch brandgefährlich.