Tichys Einblick
Medien und der Zeitgeist

Exklusiv im „Stern“: Die Reise wird hart – Greta geht baden

Greta, Greta über alles, so muss man glauben, wenn man die Berichterstattung verfolgt. Doch ausgerechnet eine „exklusive“ Titelgeschichte des „Stern“ über Greta Thunberg soll ein Totalabsturz sein, behauptet die Konkurrenz.

Screenprint: Stern 34/2019

Früher waren die Blattmacher von „Stern“ und „Spiegel“ und „Focus“ im ganzen Land bekannt. Die Nannens, Augsteins, Austs oder Markworts, streitbare Journalisten an der Spitze einflussreicher Magazine mit hohen (teilweise gigantischen) Auflagen, die untereinander und mit mächtigen Politikern die Klingen kreuzten zur Freude des Publikums.

Wie heißt der amtierende Chefredakteur des „Spiegel“? Wie heißt der Blattmacher des „Stern“? Müssen Sie auch erst googeln, oder? Kein Wunder. Gehören die doch zum namenlosen Heer der Merkelschönschreiber im Land, immer scharf am vermeintlichen Zeitgeist entlang. Und um den geht unsere kleine Geschichte.

Stellen wir uns vor, Sie sitzen in der Redaktionsblase des „Stern“ in leitender Funktion, und da müssen Sie Woche für Woche Ideen liefern für eine möglichst verkaufsträchtige Titelgeschichte. „Mallorca“, sagt der Phantasielose. „Hatten wir jedes Jahr“, mault der Chef. „Aber nicht mit „Umweltschutz und Nachhaltigkeit“. Na, gut, also. Immerhin, Mallorca brachte mit 132.128 Einzelverkäufen die drittbeste Auflage des Jahres. Dieses Heft 31 ist die letzte von der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V.) ausgezählte „Stern“-Ausgabe.

Das müssen wir kurz erklären. Die Gesamtauflagen der Magazine werden über Abonnements, Lesezirkel, Bordexemplare in Flugzeugen und „sonstige Verkäufe“ hochgefahren, um entsprechend hohe Anzeigenpreise zu rechtfertigen. Die Zahl, die für den Chefredakteur zählt, die harte Währung, ist allein der Einzelverkauf. Der brachte beim Mallorca-Heft des „Stern“ die 132.128 auf die Waage. Der „Stern“ verabschiedete sich übrigens im Dezember 2018 mit 134.000 ins neue Jahr, im Laufe dieses Jahres sah man ihn auch schon bei 109.000.

Nun zurück in die Zeitgeist-Blase. Die Themen, die die Leute interessieren, liegen eigentlich auf der Straße, haben wir früher immer gesagt. Gut, dass war zu einer Zeit, als Journalisten die politische Korrektheit nicht interessierte, und über lautstarke Vertreter von Journalistenverbänden gespottet wurde, das seien Eunuchen, die wissen wie es geht, aber sie können es nicht. Die jetzige Journalistengeneration, grün und links sozialisiert und mit Abitur beschenkt, bemüht sich nach Kräften, den Eunuchen zu folgen, was mitunter zu kuriosen Geschichten, jedenfalls aber zu sinkenden Auflagen führt.

In unserer „Stern“-Blase geht das Leben auch nach Mallorca unerbittlich weiter. „Atlantis in der Nordsee“ folgt und dann der Ratgeber „Wie Sie Ihre echten Gefühle wiederentdecken“. Alles keine Knaller, würden wir vermuten. Da muss doch mal ein richtiger Kracher her! Worüber reden alle Journalisten von Kleber bis Claus, von morgens bis abends? Richtig, GRETA, die Sturmumtoste, die den Winden trotzt, und die Schulkinder Freitag blau machen lässt unter wohlwollendem Nicken aus dem Kanzler- und Präsidialamt.

„Die Reise wird hart“ hämmert der „Stern“ eine Belanglosigkeit aufs Cover. Und er verspricht ein „exklusives Treffen vor der Überfahrt nach New York.“ So weit, so nachvollziehbar zunächst. Aber bei einem exklusiven Treffen mit dem Mädchen, das seit einem gefühlten Jahr wenig exklusiv nur einen einzigen Satz über alle Klimamedien heraushaut, müsste auch etwas Exklusives herauskommen. Und nicht: „Zwei Wochen auf hoher See: Greta Thunberg über Einsamkeit, die Kraft ihrer Naivität und ihre Pläne für Amerika.“

Das dachten sich wohl viele ehemalige „Stern“-Leser, denn wir hören, der Greta-Titel des „Stern“ sei „ein Absturz“, die Redaktion stehe „unter Schock“. Das Heft sei um 10% schlechter verkauft als das Vorheft (das mit den wahren Gefühlen), vom „All Time Low seit Jahrzehnten“ ist die Rede.

Hier müssen wir wieder etwas erklären: Die Konkurrenz kennt die Zahlen der jeweils anderen, lange vor der IVW. Entweder man druckt bei der gleichen Druckerei, oder hat über viele Jahre Spione beim Grossisten. In dem Geschäft möchte niemand eiskalt erwischt werden und jederzeit schnell reagieren können. Deshalb sind die sogenannten „Mittwochstests“ in den konkurrierenden Verlagshäusern nie lange ein Geheimnis.

Warum das jetzt überhaupt eine Geschichte wert ist? Die Auflagen der ehemals großen Drei sind allesamt ein Bild des Jammers. Aber der Absturz würde belegen, dass der ganze Greta-Hype in Deutschland eine gekünstelte Aufregung eines Medienkonsortiums ist, die dem Leser am Allerwertesten vorbeigeht.

Lesen Sie Stephan Paetow auch auf

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