Alle fünf Jahre dürfen die Europäer, also die EU-Europäer, ihr Europaparlament, aso ihr EU-Parlament, wählen, aber seit 1979 sagen kontinuierlich immer mehr „nä, lass mal“ (Wahlbeteiligung 2014: 43%). Es ist aber auch ein recht merkwürdiges Parlament. Sitz in Straßburg, Ausschüsse tagen in Brüssel und das „Generalsekretariat“ logiert in Luxemburg, und direkt zu sagen hat das Parlament eigentlich nichts. Obwohl 91 % der EU-Parlamentarier für Brüssel als einzigen Sitzungsort votieren, konnten sie nicht einmal das durchsetzen.
Dennoch sind die EU-Parlamentsplätze recht beliebt. Brüssel dürfte wohl die Spesenhauptstadt Europas sein, der Job wird exzellent bezahlt, und die EU-Parteien nutzen das EU-Parlament gerne, um ungeliebtes Personal abzuschieben, aber auch Verdienstvolle üppig zu versorgen. Also mühen sich auch die deutschen Parteien alle fünf Jahre wieder, Argumente für die Wahl ihrer Kandidaten zu finden. Das ist gar nicht so leicht, wie die extra ins Programm gehobene Sendung „Schlagabtausch“ unter der Moderation von Matthias Fornoff anschaulich belegte.
Fornoff hatte Jörg Meuthen (AfD), Özlem Demirel (Linke), Ska Keller (Grüne) und Nicola Beer (FDP) zu einer Art Quiz-Sendung „Wer will was?“ ins Studio geladen. Weil Fornoff bekanntermaßen mehr zur Fairness der Debatte neigt als die Illners und Wills, musste hier durch die Auswahl des Publikums ein Ausgleich geschaffen werden. Jedenfalls flippten die übermäßig vertretenen Klimakinder im Saal regelrecht aus, wenn Ska das Wetter beschwor, ein gutes Dutzend Gewerkschaftsvertreter beklatschten die Visionen von Links, die FDP wurde mit Höflichkeitsapplaus bedacht, und die AfD scheint wenigstens drei Mutige eingeschmuggelt zu haben, die sich vergeblich um Ausgleich bemühten. So weit, so manipulativ.
Inhaltlich ist das ganze schnell abgehakt. Die großen Parteien haben ja entsprechend nichtssagend vorgelegt. CDU/CSU Kandidat Weber behauptet landauf, landab: „Die Menschen erwarten klare Antworten.“ Und die SPD antwortet darauf: Europa ist die Antwort.
Das Thema „Flüchtlinge” gingen die Damen gefühlsmäßig an. „Wir sehen Flüchtlinge als Menschen“ (Ska). Was sind schon ein paar Millionen bei 500 Millionen Europäern, fragte Demirel, die die Werte Humanität und Aufklärung beschwor (wie sie ja auch in der DDR Leitbild waren), die Linke wolle weder Grenzen noch Frontex, sondern den Kapitalismus bekämpfen. Nicola Beer verkaufte all die Unterscheidungen von Verfolgten und Kriegsflüchtlingen noch einmal neu, die bislang keinerlei Anwendung in Deutschland finden, wünschte sich ein Punktesystem für Einladungen, plus EU-Grenzschutz. Ska legte den Augenmerk, ganz Merkel, auf die „Fluchtursachen”, vergaß aber zu erwähnen, dass Hartz 4 die zentrale Ursache ist.
Dann hörten wir aber auch von der steigenden Kriminalität, den eingewanderten Banden, man wolle wissen, wer kommt. Meuthen? Falsch. Immer noch Beer, die sich aber dann in europäischer Außenpolitik und unseren Werten wieder verlor.
Meuthen fasste die Lage nüchtern zusammen: „Wenn die Grenzen weiter offen bleiben, ist Europa in zehn Jahren ganz anders. Kein Mensch will das.“ Er will das Australienmodell „No Way“ – „da stirbt auch keiner mehr im Meer“.
Populismus – droht Spaltung Europas?
Droht jetzt die Spaltung Europas? Damit war natürlich nur Meuthens AfD gemeint. Der konterte ruhig, es werde eine gemeinsame „Koalition der Patrioten” geben mit AfD, Lega (Italien), Rassemblement (Frankreich), Viktor Orban und FPÖ für ein „Europa des gesunden Menschenverstandes“. Bei vernünftigen Vorschlägen des Parlaments werde man zustimmen, bei Unfug blockieren, wenn die Fraktion stark genug ist. Özlem Demirel zeigte dann überdeutlich, wo die wahren Populisten sitzen. Und sie rief das TV-Publikum zu einer linken Hetzveranstaltung mit den üblichen Verdächtigen am 19. Mai auf – gegen rechte Hetze. Ach guck und horch! Es waren auch begeisterte Antifanten im Publikum.
Ska ließ den Vorwurf von Meuthen, sie sei eine Ökopopulistin, locker an sich abtropfen und griff sogar noch tiefer in die Populistenkiste: Die EU sei „die beste Idee, die wir je auf diesem Kontinent hatten“, sie beschwor die Vorväter und Vormütter, das Klima, die Umwelt (beides auch grenzenlos) und will eine föderale Republik. Was sollte Nicola Beer da machen, allein unter Populisten? Sie setzt diesen „klare Konzepte“ entgegen, und man werde „etwas umsetzen“, zum Beispiel neue Technologien. Räusper.
Wirtschaft
Da nahm der Wirtschaftsprofessor Meuthen der FDP die Worte aus der Argumentenkiste. Die AfD wolle „Steuern runter!“ und „zurück zur sozialen Marktwirtschaft, wie wir sie kannten“. Da blieb Beer nur noch „Mittelstand stärken“ und „etwas gegen die Arbeitslosigkeit“ im Süden tun. Özlem ergänzte noch „gute Bildung“ und „gute Gesundheit“ und „sozial-ökologische Gerechtigkeit“. Ska war das natürlich zu klein gedacht. Sie will gleich die Wirtschaft neu denken. Frei nach Loriot: Im Mittelpunkt der Mensch. Und Umwelt. Und Frau. Jedenfalls will sie wie die Linksextremen eine EU-Industrie-Strategie. Früher hieß das Fünf-Jahres-Plan. Das nannte Beer „Symbolpolitik, die die Leute beklatschen“, und in der Tat, die Klimakulisse jubelte der Ökopopulistin zu.
Da ging Meuthen kurz mal aus sich heraus und beschimpfte die Grünen in der EU, die „willkürlich Grenzwerte beschließen, die unsere Wirtschaft zerstören. Grüne, die von Wirtschaft nichts verstehen Absurd.“ Ska blieb wiederum ruhig und konterte: China und Indien würden Verbrenner nicht mehr zulassen, an wen wir die denn dann verkaufen wollten. Hier passt der Einschub aus einem sogenannten „Kreuzverhör“, bei dem wir erfuhren, dass die EU arbeitslose Akademiker zu Schafzüchtern umschult – verrückt.
Ska Keller, die früher vor allem durch kindische Videos aus dem EU-Parlament auf sich aufmerksam machte, mit Winke-Winke-Hallooo-Einlagen wie ein Teletubbie, dürfte den grüngeneigten Zuschauern gefallen haben. Sie stand ruhig, abwartend, konterte rhetorisch geschickt im Rahmen der vorgegebenen vernunftfreien grünen Ideologie. Kein Vergleich zu den frömmelnd-hysterischen Göring-Roths.
Bei Jörg Meuthen stellt sich nur theoretisch die Frage, warum er nicht häufiger in Talkshows zu sehen ist – wohl deshalb: Der Mann ist das personifizierte Bürgertum („ich habe fünf Kinder und Enkel“) mit Sachverstand und Expertise, und lässt sich nicht einfach als rechtsradikal denunzieren.
Das TV-Publikum interessierte sich eher für Nebensächlichkeiten. Warum Ska Ska heiße, wollte ein Zuschauer wissen. Sie hat das Franzi abgeschnitten.