Wer pünktlich zur abendlichen Schwafelrunde eingeschaltet hatte, wurde von roten Rosen überrascht, die ein strahlender Sigmar Gabriel einem Herrn Müller-Berlin überreichte, weil Siggi der festen Überzeugung war, es gäbe einen Sieg zu feiern.
Die jüngsten Hochrechnungen der Berlin-Wahlen wurden eingeblendet, denen zufolge die SPD ein katastrophales Ergebnis eingefahren hatte. Die roten Rosen waren ein hübsches Symbol für: Siggi hat nicht verstanden.
Die beharrliche Realitätsverweigerung wurde nahtlos von und bei Anne Will fortgesetzt. Man muss sich das Paralleluniversum der Moderatorin ungefähr so vorstellen: Deutschlands Osten ist unter der Knute von Rechtsextremen, und Sachsen ist komplett Nazi. Natürlich ist sie nicht allein in ihrer Spiegelwelt, deshalb war es nicht schwer, passende Gäste einzuladen.
Von einem Parallel-Universum ins andere
Der arrogante Medienerbe Jakob Augstein, der wahrscheinlich weder mit Proleten, noch mit Flüchtlingen und schon gar nicht mit Sachsen persönlichen Umgang pflegt, wusste trotzdem genau, was in Bautzen passiert war: Zwanzig lieben, netten Flüchtlingen – meist Jugendliche – wurde von 80 Rechtsradikalen ganz fürchterlich Gewalt angetan. Und die Polizei hat versagt. Kein Wunder, denn Sachsens Polizei war – wie immer bei Nazis – kein Teil der Lösung, „sondern Teil des Problems“.
Wir wollen die Vorgänge grob skizzieren: Krawall zwischen zwanzig männlichen Flüchtlingen am Kornmarkt in Bautzen und ca. 80 Nicht-Flüchtlingen, Männer und Frauen. Am Ende Polizeiautos zerstört. Vier Flüchtlinge werden in andere Heime verlegt, die anderen erhalten Alkoholverbot und Ausgangssperre ab 19:00 Uhr. Aber nur für kurze Zeit.
Für Frau Will ein Sieg der Rechtsradikalen, denn die dürfen weiter Alkohol trinken und abends raus. Hier hätte die Jugendministerin anmerken können, dass der Ausschank von Alkohol an Jugendliche in Deutschland verboten ist, aber wahrscheinlich wusste sie das nicht.
Hätten nur Will, Augstein und Schwesig in der Runde gesessen, wäre dieser Text nie erschienen – der Autor ist kein Psychologe, und den Dreien ist eh nicht zu helfen. Das Fass zum Überlaufen hätte dann noch ein „Forscher“ aus dem Paralleluniversum gebracht, den wir an dieser Stelle als „Lichterketten“-Jaschke einführen wollen.
Wer das Naheliegende tut, muss sich rechtfertigen
Nein, wir haben es nur geschafft, die Sendung zu überstehen, weil zwei Normale in der Runde saßen: Alexander Ahrens, parteilos, und Michael Kretschmer, CDU. Ersterer ist Oberbürgermeister in Bautzen. Unaufgeregt, sachlich und ohne Polemik schilderte Ahrens die Situation. Er gibt sich die Schuld, die Vorgeschichte der Ereignisse falsch eingeschätzt und daher die Eskalation nicht vorhergesehen zu haben.
Ungefähr 70 Mal musste die Polizei in den Wochen zuvor wegen UMFs ausrücken. Wegen „niederschwelliger“ Taten wie „Ruhestörung“. „Dinge, über die sich in Berlin-Neukölln niemand aufgeregt hätte.“ Der gebürtige Berliner Ahrens, der sich als „links“ beschreibt, räumte auch mit dem Märchen auf, Bautzen sei „ein rechtes Nest“, sonst „wäre ich wohl kaum gewählt worden“.
Jedenfalls scheint er ein Mann zu sein, der sich nicht scheut, dahin zu gehen, wo es weh tun kann. So sieht man ihn in einem Einspieler beim Versuch, aufgebrachte Bautzner zu beruhigen (Man stelle sich nur einmal kurz Justiz-Heiko in einer solchen Situation vor). Kein Wunder, dass der Mann in der Stadt respektiert wird.
Auf die Frage aus der Medien-Mottenkiste „Was tun Sie für Flüchtlinge?“ antwortete Ahrens: „Gar nichts. Ich tue was für Bautzner. Ob die schon länger hier wohnen oder neu angekommen sind, ist mir egal.“
Für die sächsische CDU saß Michael Kretschmer in der Runde, den man sich vielleicht für die Post-Merkel-Phase der Union merken sollte. Kein Fakten-Verdrehen, kein Tatsachen-Verleugnen wie bei den Großkopferten seiner Partei. Kein Maskenball mit Jakobinermütze und roter Schärpe, wie er von Altmeier und Co. gefeiert wird.
Einfach klare Kante: „Die jugendlichen Flüchtlinge sind nicht zu vergleichen mit deutschen 16-Jährigen.“ „Der Ort der Auseinandersetzungen von Bautzen war wochenlang eine Art No-Go-Area.“ „Wir hätten rechtzeitig gegen die Flüchtlinge vorgehen müssen, die sich nicht benehmen können.“ Quintessenz: Nur wenn sich auch die Flüchtlinge an die Spielregeln halten – und im anderen Fall bestraft und/oder abgeschoben werden – dann „schaffen wir das.“
Was macht Hans-Gerd Jaschke beruflich? Er ist „Extremismus-Forscher“. Wahrscheinlich kann sich heutzutage jedes Kind etwas darunter vorstellen, die Branche hat Hochkonjunktur. Keine Tagesschau ohne solche Vertreter der Erklärung von „Pack“.
Kein Ministerium, das sich nicht mindestens zehn von der Sorte leistet.
Deswegen können wir auf seine Ausführungen locker verzichten. Eine wollen wir aber noch mitnehmen. Jaschke erwartet von der „Zivilgesellschaft“ in Bautzen eine „Lichterkette gegen Rechts“. Vielleicht sollte er mit Augstein, Will und Schwesig eine Kerze in Hand nehmen. Und irgendein Udo singt dazu. Gegen rechts und für Freibier für UMFs.